Am Donnerstag, 10. Dezember, verkündete die Sächsische Bildungsagentur, dass sie insgesamt 760 Lehrerinnen und Lehrer zum 1. Februar 2016 neu einstellen will. Das klingt nach richtig viel. Aber nicht nur der Landesschülerrat bezweifelt, dass damit der Unterricht gesichert werden kann. Sachsens Kultusministerium ist immer noch auf Sparkurs. Mit dramatischen Folgen.
Alle Stellen seien unbefristet. Auf die Ausschreibung seien mehr als 1.600 Bewerbungen eingegangen, betonte die Bildungsagentur. “Erfreulicherweise sind davon zirka 900 Bewerbungen von grundständig ausgebildeten Lehrkräften“, sagte Béla Bélafi, Direktor der Sächsischen Bildungsagentur. “Und auch das Verhältnis zwischen den Schularten ist diesmal ausgewogener.“
Mit der Zahl der Neueinstellungen zum 2. Schulhalbjahr 2015/16 könnte den gestiegenen Schülerzahlen und gleichzeitig den Erfordernissen des sich vollziehenden Generationswechsels Rechnung getragen werden. So jedenfalls die Bildungsagentur. Aber selbst der Landesschülerrat formuliert seine Skepsis.
Rechnerisch ergäbe das zwar ein Plus, wenn gleichzeitig 360 Lehrkräfte aus Altersgründen ausscheiden.
Aber solche Zahlen dürften nicht dazu führen, dass das vom LandesSchülerRat oft kritisierte Problem Lehrermangel für das Kultusministerium an Priorität verliert. Denn der Bedarf wächst ja gleichzeitig. Derzeit existieren in Sachsen 361 Unterrichtsklassen für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund. Die Zahl dieser Klassen hat sich seit August dieses Jahres mehr als verdreifacht. Dieses Wachstum wird in den kommenden Wochen und Monaten weitergehen. Die Neueinstellungen kompensieren auf dem Papier also nur neu entstandene Klassen, sorgen aber nicht wirklich für eine Minimierung des ursprünglichen Lehrermangels, stellt der Landesschülerrat fest.
Gleichzeitig nimmt auch die Zahl der Schüler wieder zu. Über 2.000 sitzen in diesem Jahr mehr in den Klassen.
Im kommenden Jahr müsse die wachsende Zahl der Unterrichtsklassen bereits im Vorfeld großzügig geplant werden, so der LSR, denn die jetzt geplanten Neueinstellungen werden den Lehrermangel nicht lösen, durch vermehrten Zuzug in den Freistaat Sachsen werde sich der Mangel wohl eher noch verschärfen. Bei 1.600 Bewerbern für die 760 ausgeschriebenen Stellen müsse geprüft werden, inwieweit eine Aufstockung der Kapazitäten möglich sei.
“Neue Lehrer braucht das Land! Dass die Staatsregierung eben diese Notwendigkeit verstanden hat, zeigt sie nun deutlich mit der neuen Einstellungsoffensive zum Schulhalbjahr”, kommentiert Friedrich Roderfeld, Vorsitzender des Landesschülerrates, die Zahlen. “Wir freuen uns über diesen wichtigen Schritt, doch damit ist die Arbeit noch nicht getan. Der Generationenwechsel im Lehrerzimmer wird uns noch einige Zeit begleiten. Bei den zugleich wachsenden Schülerzahlen wird die bloße Ersetzung ausscheidender Lehrkräfte nicht reichen, um den Unterricht in Zukunft abzusichern.“
Und dann gibt es ja auch noch Cornelia Falken, die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag, die seit Jahren schon argwöhnisch auf die Zahlen schaut. Auch sie sieht in den Neueinstellungen nur die Altersabgänge kompensiert. Nicht mehr.
“Die Zahl der Einstellungen führt jedoch nicht zu einer Absicherung des regulären Unterrichts geschweige denn zur Bildung einer notwendigen Reserve für die Vertretung von erkrankten Lehrerinnen und Lehrern”, sagt sie. Und erwähnt dann etwas, was in den Meldungen der Staatsregierung noch gar nicht vorkommt: “Im Schulausschuss des Landtages hat das Kultusministerium einräumen müssen, dass sowohl der Grund- als auch der Ergänzungsbereich nicht vollständig abgesichert werden können. Allein dafür bräuchte es zirka 450 Stellen.”
Und ganz so einfach wie in der 1. Klasse ist die Rechnung mit den 760 Neueinstellungen auch nicht.
“Von den 760 Einstellungen kommen allerdings 160 aus dem sogenannten Asylpaket, das aus dem Topf für Einstellungen in den Vorbereitungsdienst von Referendaren finanziert wird. Das hat zur Folge, dass zirka 320 Stellen für Referendare nicht besetzt werden können. In Anbetracht des akuten Lehrermangels in Sachsen ist das inakzeptabel”, findet Falken. Denn natürlich werden auch die Referendare fehlen, wenn es um die Absicherung des Unterrichts geht. Was als großes Sicherungspaket verkauft wird, lässt also wieder neue Löcher aufreißen.
Und sie sieht auch noch regionale Ungleichgewichte bei der Lehrerverteilung. Insbesondere die Region Leipzig sieht sie deutlich benachteiligt und fordert, “keine Beschränkung bei Einstellungen in bestimmten Regionen des Landes vorzunehmen. Das betrifft insbesondere die Region Leipzig. Und wir fordern, angesichts eines leer gefegten Arbeitsmarktes alle Bewerberinnen bzw. Bewerber mit einer Lehramtsausbildung (900) einzustellen.”
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