Die Causa Schücking steuert auf ihren Höhepunkt zu. Obwohl sich der Senat der Universität Leipzig Ende Oktober mehrheitlich für eine mögliche Wiederwahl der amtierenden Rektorin Beate Schücking ausgesprochen hat, bleibt der Hochschulrat bei seiner Entscheidung: Er schlägt dem Erweiterten Senat lediglich die beiden hochschulexternen Historiker Eduard Mühle und Tassilo Schmitt zur Wahl vor.
Der Beschluss des Hochschulrates aus seiner Sondersitzung vom 11. November lässt keine Zweifel mehr offen: „Der Hochschulrat schlägt nach ausführlicher Beratung und Abwägung der vom Senat vorgebrachten Argumente dem Erweiterten Senat Herrn Prof. Dr. Eduard Mühle und Herrn Prof. Dr. Tassilo Schmitt als Kandidaten für die Wahl des Rektors der Universität Leipzig vor.“ Damit bestätigt der Hochschulrat nochmals seine Entscheidung vom Sommer dieses Jahres.
Im Juli hatten sich die verbliebenen vier Bewerber einem Anhörungsverfahren stellen müssen, namentlich die beiden externen Historiker Eduard Mühle und Tassilo Schmitt sowie die beiden internen Kandidaten Beate Schücking, amtierende Uni-Rektorin, und Jürgen Haase, Dekan der Fakultät für Physik und Geowissenschaften. Kurz darauf ging Schücking in einem Zeitungsinterview mit der Entscheidung des Hochschulrates an die Öffentlichkeit: Sie selbst solle nicht zur Wiederwahl vorgeschlagen werden.
Dies löste über die Stadtgrenzen hinaus Diskussionen über Legitimation und Funktion des Hochschulrates als oberstes und mehrheitlich vom sächsischen Wissenschaftsministerium bestimmtes Aufsichtsgremium der Universität aus. Bereits im September bat der Senat – der vom Erweiterten Senat als zuständiges Wahlgremium zu unterscheiden ist – den Hochschulrat in einem universitätsöffentlichen Brief „nachdrücklich“ um einen überarbeiteten Wahlvorschlag. Anderenfalls würden sowohl Hochschule als auch der neue Rektor Schaden nehmen.
Die beiden streitenden Gremien kamen im Rahmen eines informellen Treffens miteinander ins Gespräch. Im Oktober erläuterten schließlich drei Vertreter des Hochschulrates, darunter dessen Vorsitzender Reinhold R. Grimm, den Mitgliedern des Senates das Wahlverfahren und begründeten ihre Entscheidung. Vertreter beider Seiten bewerteten die mehr als fünfstündige Diskussion anschließend als konstruktiv und sachlich.
Dennoch: Der Senat ließ sich vom Wahlvorschlag des Hochschulrates nicht überzeugen. Zwei Wochen später setzten die Senatoren die unterbrochene Sitzung fort und formulierten eine Stellungnahme. Darin heißt es: „Der Senat stimmt dem vorgelegten Wahlvorschlag nicht zu. Der Senat fordert den Hochschulrat auf, den vorgelegten Wahlvorschlag im Hinblick auf die genannten Aspekte zu überarbeiten und einen neuen Vorschlag vorzulegen, der mit geltendem Recht und den üblichen Verfahrensvorschriften übereinstimmt sowie dem Erweiterten Senat ausreichende Wahlmöglichkeiten – einschließlich der Wahl zwischen Wechsel und Kontinuität – eröffnet. Der Senat befürwortet daher mehrheitlich einen Wahlvorschlag, der alle drei verbliebenen Kandidaten (Mühle, Schmitt, Schücking) enthält.“ Dekan Haase hatte bereits Anfang Oktober erklärt, sich aus dem Verfahren zurückzuziehen.
Die Mitglieder des Senats berufen sich in ihrer Stellungnahme vor allem auf angebliche juristische und formale Fehler. So habe der Hochschulrat nicht deutlich machen können, „worin die wesentlichen Leistungsunterschiede zwischen den verbliebenen drei Kandidaten bestehen, die einen Ausschluss einer Kandidatin rechtfertigen“. Die Entscheidung über die Wahl von „im Wesentlichen gleichwertigen Kandidaten“ liege allein beim Erweiterten Senat. Weiterhin äußerte der Senat in seiner Stellungnahme Bedenken, dass die Beteiligungsrechte des Gleichstellungsbeauftragten verletzt sein könnten und in den Anhörungen nur unzureichend Bezug auf die Kriterien des Ausschreibungstextes genommen wurde.
Der Hochschulrat weist die Vorwürfe mit dem nun erfolgten Beschluss zurück und macht auf eine öffentliche Äußerung der sächsischen Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) aufmerksam, die bestätigt habe, dass „vollständig rechtskonform“ gehandelt wurde. Zudem habe der Hochschulrat laut eigener Stellungnahme „zwischen den damaligen beiden internen Kandidaten, die in vielen Teilbereichen unterschiedlich waren, in der Summe einen deutlichen Vorsprung des Bewerbers festgestellt, der inzwischen seine Bewerbung zurückgezogen hat“. Das heißt: Man hielt Amtsträgerin Schücking nicht nur für ungeeignet, um sie zur Wiederwahl vorzuschlagen, sondern schätzte zudem ihren ebenfalls nicht berücksichtigten Konkurrenten Haase als deutlich stärker ein.
Auch alle anderen Anschuldigungen, etwa zur mangelhaften Beteiligung des Gleichstellungsbeauftragten oder der Bewertung der Qualifikation der Kandidaten, weist der Hochschulrat zurück. Laut Hochschulfreiheitsgesetz benötigt der Vorschlag des Hochschulrates nicht der Zustimmung durch den Senat. Ein Termin für die Wahl des neuen Rektors durch den Erweiterten Senat steht noch nicht fest. Jener soll sich am 1. Dezember zunächst konstituieren. An diesem Tag werden gemäß Einladung von Rektorin Schücking auch die Punkte „Erläuterung der Position des Senates zur Kandidatenlage“ sowie „Diskussion und Verständigung des Erweiterten Senates über die Kandidatenlage“ auf der Tagesordnung stehen – diese jedoch im nichtöffentlichen Teil der Sitzung. Das letzte Wort scheint also noch nicht gesprochen.
Übrigens: Die Hochschule für Grafik und Buchkunst sucht derzeit ebenfalls einen Rektor. Die öffentliche Ausschreibung läuft bis zum 15. Januar 2016.
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