Der Universität Leipzig stehen ereignisreiche Wochen bevor. Eigentlich soll der Erweiterte Senat zu Beginn des kommenden Wintersemesters einen neuen Rektor für die Hochschule wählen. Die derzeitige Amtsträgerin Beate Schücking war überraschend nicht zur Wiederwahl vorgeschlagen worden. Doch nun wackelt der Termin, da die Besetzung des Erweiterten Senats unklar ist. Das Verwaltungsgericht hat per Eilentscheidung beschlossen, dass die neu gewählten studentischen Senatoren ihr Amt zunächst nicht antreten dürfen. Womöglich muss es eine dritte Wiederholungswahl geben.

Regelmäßig im Juni wählen die Studenten der Universität Leipzig neben anderen ihre Vertreter im Senat (vier Personen) und im Erweiterten Senat (14 Personen, zuzüglich der vier erstgenannten). Das war im vergangenen Jahr so und das war auch dieses Jahr nicht anders. Reine Routine – eigentlich. Tatsächlich jedoch verlaufen die Wahlen für die studentischen Senatsmitglieder seit Mitte 2014 alles andere als routiniert. Im Juni dieses Jahres fanden bereits die zweiten Wiederholungswahlen statt. Der Wahlausschuss hatte zuvor sowohl den Urnengang im Juni 2014 als auch die erste Wiederholungswahl im vergangenen Dezember für ungültig erklärt. Die vier studentischen Senatsmitglieder mussten seitdem kommissarisch weiter im Amt bleiben. Auf den Erweiterten Senat hat dies bis heute de facto keinen Einfluss, da dieser zuletzt 2013 zusammentrat.

Die Erleichterung war dennoch groß, als die Kanzlerin der Uni, Birgit Dräger, Anfang August das vermeintlich endgültige Wahlergebnis verkündete. Vorausgegangen war dem eine weitere Wiederholungswahl, die sich jedoch auf das Studienkolleg Sachsen beschränkte. Wegen eines Fehlers konnten dessen Mitglieder im Juni nicht wählen gehen. Diese Teilwiederholungswahl wird der Universität sowie den kommissarisch amtierenden und designierten neuen Senatoren nun jedoch zum Verhängnis.

Per Beschluss vom 3. September hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs wiederhergestellt.

Dieser richtet sich gegen einen Bescheid der Kanzlerin, mit dem sie eine zweite Anfechtung der Wahlen im Studienkolleg zurückwies. Stattdessen sollten die neu gewählten Senatoren ihr Amt sofort antreten. Dagegen klagte Sebastian Stieler, eines der vier studentischen Senatsmitglieder, die – genau wie jene 14 im Erweiterten Senat – nun weiterhin kommissarisch im Amt verbleiben.

„Diese Wahl ist nicht nach demokratisch-rechtlichen Prinzipien abgelaufen“, begründet Stieler seine Entscheidung. Dass er selbst nicht in den Erweiterten Senat gewählt wurde, habe hingegen keine Rolle gespielt. „Wäre dies der Fall, hätte ich die Wiederholungswahl im Dezember nicht angefochten. Damals wurde ich in den Senat gewählt.“

Aus einer Mitteilung des Verwaltungsgerichtes geht hervor, welche konkreten Prinzipien Stieler nun verletzt sah. „Der Bescheid der Kanzlerin ist bereits formell rechtswidrig, da er von einer unzuständigen Behörde erlassen wurde“, erklärt Susanne Eichhorn-Gast, Richterin und Pressesprecherin am Verwaltungsgericht. „Zuständig ist der Wahlausschuss, vorliegend hat aber die Kanzlerin als Wahlleiterin gehandelt.“ Zudem gebe es Bedenken, dass die Frist für den Antrag auf Durchführung einer Briefwahl zu knapp bemessen war.

„Wir haben uns wirklich Mühe gegeben, alles fehlerfrei ablaufen zu lassen“, sagt dazu Uni-Kanzlerin Dräger. Universitäre Wahlen seien jedoch sehr komplex. Ähnlich äußert sich Andreas Friedrich, Pressesprecher des Sächsischen Wissenschaftsministeriums (SMWK): „Fehler können passieren, sollten aber nicht so häufig vorkommen.“

Der StuRa der Universität zeigt sich über die Entscheidung des Gerichts bestürzt.

„Bereits jetzt sind die studentischen Mitglieder im Erweiterten Senat nicht mehr vollzählig, weil es keine Nachrücker mehr gibt“, sagt Henrik Hofmann, Referent für Hochschulpolitik. „Einige haben ihr Studium beendet, andere befinden sich im Ausland.“ Auswirkungen auf die Beschlussfähigkeit des Gremiums ergeben sich daraus jedoch nicht. „Diese ist gemäß Hochschulfreiheitsgesetz (HSFG) gegeben, wenn die Sitzung ordnungsgemäß einberufen wurde und mehr als die Hälfte der stimmberechtigten Mitglieder anwesend sind“, erklärt SMWK-Sprecher Friedrich. Laut Grundordnung der Universität besteht der Erweiterte Senat aus 91 Personen. Selbst wenn alle 18 Studenten fehlen würden, hätte dies für die Beschlussfähigkeit demnach keine Folgen.

Anders verhält es sich mit der Frage, ob die Wahl eines neuen Rektors durch einen Erweiterten Senat, in dem zahlreiche Plätze studentischer Vertreter leer blieben, ausreichend legitimiert wäre. „Die gewählten Senatoren sind aufgrund der rechtlichen Regelungen voll legitimiert, ihr Amt mit allen Rechten und Pflichten auszuüben“, sagt Wahlanfechter und Kläger Stieler. Anders sieht es StuRa-Referent Hofmann: „Die letzten Wahlen haben im Jahr 2013 stattgefunden. Seit einem Jahr sind die Senatoren nur noch kommissarisch im Amt. Es fehlt somit an einer ausreichenden Legitimation.“ Die Entscheidung, wann ein neuer Rektor gewählt wird, liegt beim Hochschulrat. Dass dieser auf die aktuellen Umstände Rücksicht nimmt, kann sich Hofmann kaum vorstellen. „Der Respekt für die universitären Gremien scheint gering ausgeprägt.“

„Die Leute haben langsam keinen Bock mehr“

Bereits jetzt wirkt sich die andauernde Hängepartie negativ auf die Arbeitsfähigkeit der Gremien aus. „Die Leute haben langsam keinen Bock mehr“, sagt ein hochschulpolitisch aktiver Student, der namentlich nicht genannt werden möchte. Aufgaben seien innerhalb der Ämter bereits an designierte Nachfolger übergeben worden; dies sei nun hinfällig. Zudem befürchtet nicht nur er negative Auswirkungen auf die zukünftige Wahlbeteiligung und die Bereitschaft, überhaupt noch anzutreten. Schon bei der Wahl im Juni bewarben sich drei Hochschullehrer weniger als Plätze zur Verfügung standen.

Eine erste sichtbare Auswirkung gab es bereits in dieser Woche: Die eigentlich für Dienstag angesetzte Senatssitzung musste gestrichen werden, weil die kommissarischen Amtsträger nicht mehr fristgerecht geladen werden konnten. Gegen die Eilentscheidung kann Kanzlerin Dräger nun Beschwerde beim sächsischen Oberverwaltungsgericht einreichen. Dazu Dräger: „Ich denke, es gibt diesmal wirklich überhaupt keine Hinweise darauf, dass demokratische Grundsätze beeinträchtigt gewesen wären. Auf der anderen Seite können ständige Wiederholungen und Hängepartien demokratieschädigend sein.“

Alternativ käme wohl nur eine weitere Wiederholungswahl infrage – nicht nur für das Studienkolleg, sondern für alle Studenten. Es wäre dann bereits die dritte. Klar ist zumindest eines: Am 30. September endet eine komplette Amtsperiode ohne regulär gewählte studentische Senatoren.

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