Es kam, wie es kommen musste: Taschenrechner werden per Gerichtsbeschluss in Sachsen als Lernmittel anerkannt. Die Kommunen müssen tief in ihre klammen Kassen greifen, um zum Schuljahresstart die nötige Zahl von Apparaten zur Verfügung zu stellen. Und was macht das Land? Das wird den Tatbestand einfach in sein Schulgesetz schreiben. Landesmittel aber gibt's keine.
So deutlich sprach es Kultusministerin Brunhild Kurth nun in ihrer Stellungnahme zu einem Antrag der Linksfraktion im Sächsischen Landtag aus. Die hatte beantragt, “grafikfähige Taschenrechner sowie grafikfähige Taschenrechner mit Computer-Algebra-System (CAS) in Umsetzung der in Artikel 102 Abs. 4 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen (SächsVerf) verankerten Lernmittelfreiheit als unentgeltliche Lernmittel” bereitzustellen und den Schülern leihweise zu überlassen. Das sei, so die Ministerin, auch schon kommuniziert.
Leipzig hat ja bekanntlich schon reagiert und sich vom Stadtrat für das Schuljahr 2015 insgesamt 211.500 Euro und für 2016 noch einmal 214.650 Euro zur Beschaffung der Rechner bewilligen lassen. Am 9. Juli wurde im Leipziger Stadtrat von der Linke-Stadträtin Margitta Hollick auch die nicht ganz fern liegende Frage gestellt, ob die Kommunen beim Freistaat nicht darauf hinwirken könnten, die Gelder erstattet zu bekommen.
Aber schon da machte ihr Oberbürgermeister Burkhard Jung wenig Hoffnung.„Wir sehen keine Chance“, schätzte er den Erfolg einer juristischen Auseinandersetzung mit der Staatsregierung ein.
Die Linksfraktion im Landtag hatte deshalb auch extra als zweiten Antragspunkt formuliert, “den Kommunen als den Trägern der öffentlichen Schulen in Sachsen für die nach Antragspunkt 1 durch das Land verursachten, bisher nicht gedeckten finanziellen Mehrbelastungen bei der Erledigung bereits bestehender Aufgaben den dazu gemäß Artikel 82 Abs. 2 SächsVerf garantierten Finanzausgleich zu gewähren und den Kommunen die erforderlichen finanziellen Mittel in voller Höhe als zusätzliche Finanzausstattung aus Landesmitteln zur Verfügung zu stellen (Vollfinanzierung).”
Aber davon hält Kultusministerin Brunhild Kurth gar nichts.
Bei Lernmitteln fühlt sie sich auf der sicheren Seite: Die müssen die Kommunen bezahlen. Als Schulträger seien sie “ohnehin verpflichtet, alle Kosten für die notwendigen Lehr- und Lernmittel zu tragen. Das Urteil des SächsOVG weitet diese Pflichten nicht aus, sondern konkretisiert die in Art. 102 Abs. 4 Satz 1 SächsVerf bestimmte Lernmittelfreiheit. Insofern werden keine neuen Aufgaben an die Schulträger übertragen, sodass eine verfassungsrechtliche Verpflichtung, Mehrbelastungen gemäß Artikel 85 Abs. 2 SächsVerf auszugleichen, nicht geboten ist.”
Das ist freilich erst einmal nur die Stellungnahme der Ministerin. Ob sich die gesamte Staatsregierung doch noch anders positioniert oder auch nur eine Teilfinanzierung übernimmt, ist offen. Denn ganz so eindeutig, wie Kurth das Ganze darstellt, ist die Lage nicht. Das war schon 2011 deutlich geworden, als das Verwaltungsgericht auch die Kopierkosten in den Schulen eindeutig den Kommunen zuordnete. Im Sächsischen Schulgesetz stand davon nichts. Irgendwie müssen sich ja auch Kommunen auf die konkreten Aussagen im Schulgesetz verlassen können.
Die Rechtssprechung des Verwaltungsgerichts entspricht zwar eindeutig dem Artikel 102 der Sächsischen Verfassung, wo es heißt: “(4) Unterricht und Lernmittel an den Schulen in öffentlicher Trägerschaft sind unentgeltlich. Soweit Schulen in freier Trägerschaft, welche die Aufgaben von Schulen in öffentlicher Trägerschaft wahrnehmen, eine gleichartige Befreiung gewähren, haben sie Anspruch auf finanziellen Ausgleich.”
Was sind nun eigentlich Lernmittel?
Aber was nun eigentlich Lernmittel sind, das musste das Sächsische Schulgesetz genauer definieren, hat es eigentlich auch getan – aber Kopierkosten und Taschenrechner kamen da eindeutig nicht vor.
Dort hieß es in § 38 zur Lernmittelfreiheit: “(2) In den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der Fachschulen hat der Schulträger den Schülern alle notwendigen Schulbücher leihweise zu überlassen, sofern sie nicht von den Eltern oder den Schülern selbst beschafft werden; ausnahmsweise werden sie zum Verbrauch überlassen, wenn Art und Zweckbestimmung des Schulbuches eine Leihe ausschließen. Die Einzelheiten regelt eine Rechtsverordnung der Staatsregierung.”
Die Kommunen konnten also mit gutem Grund darauf bestehen, dass nur Schulbücher von den Kommunen angeschafft werden mussten. Es war also ziemlich eindeutig ein Versäumnis des Landes, die durch die Verfassung gewährten Lernmittel auch eindeutig zu definieren. Dass sich die Kommunen gegen noch mehr finanzielle Belastungen gewehrt haben, ist nur zu verständlich. Moralisch wäre der Freistaat also durchaus in der Verpflichtung, zumindest einen Teil der (Anschub-)Kosten zu übernehmen. Gesetzlich ist er es nicht. Denn im Schulgesetz heißt es zur Schulträgerschaft auch: “(1) Der Schulträger hat die sächlichen Kosten der Schule zu tragen.”
Dazu gehören dann auch alle Lernmittel.
Die Stellungnahme von Brunhild Kurth zum Antag der Linksfraktion.
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