Die Schwarzgelbe Regierung in Sachsen wurde zwar 2014 abgewählt, die damalige Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer ist in der Versenkung verschwunden, der Abbau von Professorenstellen wurde gestoppt - doch die desolate Regierungszeit hat Nachwirkungen. Jetzt versucht ein noch in CDU/FDP-Zeit eingesetztes Gremium eine zweite Amtszeit für Leipzigs Uni-Rektorin Beate Schücking zu verhindern.
Darüber berichtete die Rektorin am Mittwoch, 29. Juli, online auf zeit.de und in der aktuellen Printausgabe der “Zeit”. Man fühlt sich an vergleichbare Spielchen der alten Landesregierung bei der Neuwahl für den Rektorenposten der HTWK erinnert. Nur mit dem Unterschied, dass damals eine Ministerin am Werk war, die den sinnlosen Sparkurs der Regierung kritiklos mittrug und mit eigenen drastischen Anweisungen verschärfte. Nur ist seit Herbst mit Eva-Maria Stange (SPD) eine Ministerin im Amt, die solche Methoden eher kritisiert hat.
Doch das aktuelle Gremium des Hochschulrates wurde noch in CDU/FDP-Zeiten installiert. Und es trägt, wie es aussieht, die alten Kämpfe noch immer aus.
Intransparent nennt Henrik Hofmann, Referent für Hochschulpolitik des Student_innenRats der Universität Leipzig, dieses neunköpfige Gremium, in dem ausgerechnet die Vertreter der Uni Leipzig in der Minderheit sind. Ein echtes Steuerorgan, mit dem die Landesregierung direkt in die Hochschulpolitik der Uni Leipzig hineinregieren kann.
Henrik Hofmann: “Das intransparente und undemokratische Gremium des Hochschulrats muss reformiert werden. Es passt auch nicht in die Idee von Ministerin Dr. Stange einer ‘gläsernen Hochschule’. Die Gründe für die Entscheidung des Hochschulrats müssen umgehend veröffentlicht werden. Die spekulierte ‘Abstrafung’ für ihre Äußerungen zu den Kürzungsplänen müssen durch den Hochschulrat glaubhaft entkräftet werden. Dazu gehört auch, dass jetzt die verbliebenen Kandidat_innen für das Amt öffentlich werden.“
Natürlich kann Beate Schücking nur vermuten, dass ihr Protest gegen die an der Uni Leipzig besonders drastische Kürzungswelle bei Dozentenstellen der Grund für die Absage einer weiteren Kandidatur durch den Hochschulrat ist. Die meisten Hochschulrektoren hielten still, als es um die 2011 von Sabine von Schorlemer verhängten Stellenkürzungen ging. Beate Schücking musste zwar die Kürzungen innerhalb der Uni selbst verteidigen, machte aber aus ihrer Position gegenüber der Landesregierung keinen Hehl, dass sie die Kürzungen für falsch und insbesondere für die Uni Leipzig für schädlich hielt.
Noch im Dezember habe sie sich auch dem Hochschulrat gegenüber vergewissert, dass eine Kandidatur für eine zweite Amtszeit gewünscht sei. Das sei bejaht worden, sagt sie im “Zeit”-Interview.
Besonders perfide: Hätte es ein klares “Nein” gegeben, hätte sie die Chance gehabt, sich mit Anfragen von diversen “Universitäten mit medizinischen Fakultäten” zu beschäftigen, die sie gern als Präsidentin gehabt hätten. Davon, dass der Hochschulrat nicht nur sie, sondern auch einen zweiten Leipziger Kandidaten aus dem Rennen geworfen hätte, habe sie nun durch einen Anruf im Urlaub erfahren.
Die Nicht-Nominierung könnte – so vermutet auch Beate Schücking – eine Retourkutsche für ihre Arbeit als Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz sein, wo sie seit 2011 beharrlich gegen die Stellenstreichungen opponiert hatte: “Und es ist unser großer Erfolg, drei Viertel dieser Streichungen abgewendet zu haben!”, sagt sie im Interview.
Dass der Hochschulrat sich jetzt augenscheinlich wieder in den alten, eingeschnappten Verhaltensmustern der letzten Regierung verhält und dabei in keiner Weise transparent, hält sie für inakzeptabel: “Die Art und Weise des Vorgehens ist schwer mit meinem Demokratieverständnis vereinbar. Ich habe kein Problem, zu akzeptieren, wenn ein Hochschulrat einen Rektor, der der Universität wirklich Schaden zugefügt hat, von der Wiederwahl abhält. Aber das, was hier passiert ist? Mir erst zu signalisieren, dass ich mich bewerben soll? Mir dann eine positive Rückmeldung zu geben, die erreichten Erfolge anzuerkennen – und mich anschließend aus dem Spiel zu nehmen? Das finde ich nach wie vor sehr schwer nachvollziehbar.”
Es ist undemokratisch. Und die Studentenvertretung hat natürlich Recht, wenn sie eine “dringend notwendige Demokratisierung des Sächsischen Hochschulgesetzes” fordert, das erst 2012 die demokratischen Selbstbestimmungsrechte der sächsischen Hochschulen beschnitten hat. Mehr Kompetenz ist dadurch nicht in die Entscheidungsfindung gekommen – dafür mehr politische Einflussnahme einer Generation von Entscheidungsträgern, die universitäre Freiheit mit fehlender Kontrolle gleichsetzt und überall durchregieren will, während Widerspruch oder eigene Haltung bestraft werden.
Auf intransparente Weise, wie der StuRa betont.
Jetzt sind zwar noch zwei externe Bewerber im Rennen. Aber zumindest der Senat der Uni Leipzig muss sie nicht akzeptieren. Schon gar nicht vor dem Hintergrund der Politik, die dieser Hochschulrat mitgetragen hat. Und das hätte allein für Leipzigs Universität rund 300 Stellen bedeutet, die gestrichen worden wären. Leipzig hätte die Hauptlast der Schorlemerschen Streichorgie zu verkraften gehabt. Und das war eine Politik, die sich nicht nur gegen die Rektorin der Uni Leipzig kehrte, sondern gegen die Attraktivität der Leipziger Universität insgesamt.
So kleinkariert wie in den vergangenen fünf Jahren war Sachsens Hochschulpolitik noch nie gewesen.
Stimmen aus der Politik
Holger Mann, Leipziger SPD-Landtagsabgeordneter und Sprecher für Hochschule und Wissenschaft der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, zeigt sich irritiert über die Entscheidung des Hochschulrates: “Der amtierenden Rektorin keine Chance für eine zweite Amtszeit zuzugestehen, erscheint ungewöhnlich.
Die Arbeit mit Professorin Dr. Schücking war in den vergangenen Jahren stets vertrauensvoll und konstruktiv im Sinne der Hochschulen. Die Chance einer neuen Hochschulentwicklungsplanung bis 2025 und der damit verbundene Stopp des Stellenabbaus ist auch ihr Verdienst aus der Zeit als Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz.
Generell gilt es die hochschulinternen Auswahlprozesse zu respektieren: Bislang sind weder die anderen Kandidat*innen bekannt, noch gibt es eine Stellungnahme des Senats. Dennoch werden wir zeitnah darüber reden müssen, wie die im Koalitionsvertrag festgeschriebene ausgewogene Kompetenzverteilung zwischen den Hochschulgremien sichergestellt werden kann. Dazu gehören aus meiner Sicht die Beteiligungsrechte des Senats bei der Erarbeitung des Wahlvorschlags wie das Besetzungsverfahren von Hochschulratsmitgliedern.”
Annekatrin Klepsch, Sprecherin für Hochschul- und Wissenschaftspolitik der Linksfraktion, fordert, die Macht der Hochschulräte zu begrenzen und das “Hochschulfreiheitsgesetz” zu novellieren: “Dem Grundsatz der Hochschulautonomie entsprechend treffen Hochschulen ihre Personalentscheidungen selbstständig. Sie fallen aus guten Gründen und völlig zu Recht nicht in den Zuständigkeitsbereich politischer Akteure. Allerdings ist die Landespolitik gefragt, wenn es darum geht, Rahmenbedingungen für die inneruniversitäre Demokratie festzulegen.
Der Student_innenRat der Universität Leipzig fordert vom Hochschulrat, er möge Spekulationen entkräften, wonach Beate Schücking für Wortmeldungen zu den unter CDU und FDP forcierten Stellenkürzungen abgestraft werden soll. Die Studierenden weisen darauf hin, dass die Mitglieder des Hochschulrats mehrheitlich vom schwarz-gelben Wissenschaftsministerium unter Prof. Dr. Sabine von Schorlemer bestellt worden sind. Schon die Tatsache, dass derlei Vermutungen aufkommen, zeigt: Das 2012 unter der CDU-FDP-Regierung verabschiedete ‚Hochschulfreiheitsgesetz’ muss bezüglich der Entscheidungskompetenzen der Hochschulräte dringend überarbeitet werden. Die entsprechenden Regelungen waren aus dem CDU-SPD-Hochschulgesetz von 2008 übernommen worden.
In den Hochschulräten finden sich Hochschulangehörige gemäß § 86 Abs. 2 und 3 SächsHSFG stets in der Minderheit. Der Senat als demokratisch gewähltes Gremium benennt weniger als die Hälfte der Hochschulrats-Mitglieder; alle übrigen werden vom Wissenschaftsministerium benannt. Auf die Wahl einer Rektorin oder eines Rektors üben die Hochschulräte allerdings einen großen Einfluss aus, da der Erweiterte Senat sich nur zwischen Kandidierenden entscheiden darf, die vorher vom Hochschulrat vorgeschlagen wurden.
Ich unterstütze den Student_innenRat in seiner Forderung, das sächsische Hochschulfreiheitsgesetz zu demokratisieren. Das Gewicht der Mitgliedergruppen muss, verglichen mit dem hochschulfremder Akteure, auch bei Personalentscheidungen wieder zunehmen. Die Senate als demokratisch gewählte Gremien müssen gestärkt, die Hochschulräte hingegen in reine Beratungsgremien umgewandelt werden. Die SPD steht in der Pflicht, das zu forcieren.
Keine Kommentare bisher