Die Jahre 2013, 2014 waren von heftigen Protesten gegen die geplanten Schließungen von Studiengängen an der Uni Leipzig geprägt. Mit der Bildung der neuen Regierung von CDU und SPD sahen auch viele Dozenten und Studenten einen Hoffnungsschimmer, dass die Kürzungspläne vom Tisch kommen. Doch im Ergebnis der Koalitionsverhandlungen stand nur ein Kompromiss. Trotzdem, so betont Uni-Rektorin Prof. Beate Schücking, sind damit Handlungsspielräume entstanden.

Zur Erinnerung: Vor vier Jahren hatte die damalige Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer angewiesen, dass Sachsens Hochschulen insgesamt 1.042 Stellen zu streichen hätten. Sie hatte ein wenig länger gebraucht, die vom Finanzminister vorgegebenen Kürzungszahlen für ihr Ressort umzurechen. Und sie schob die Verantwortung für die Streichungen an die Hochschulen, die nun beauflagt waren, das jährliche Kürzungssoll mit konkreten Stellen zu unterfüttern. Die Leitung der Uni Leipzig versuchte das Dilemma anfangs damit zu lösen, dass sie die Studiengänge zu ermitteln versuchte, auf die die Universität glaubte, mit Zähneknirschen verzichten zu können.

Doch schon schnell nach der Benennung des ersten zur Streichung vorgesehenen Studiengangs, der Pharmazie im Dezember 2011, wurde klar, dass man damit nicht nur den Protest der Betroffenen erntete, sondern auch ein “Nein” der Sozialministerin kassierte. Und als dann auch noch Archäologen, Theaterwissenschaftler, Romanisten auf der Liste landeten, wurde auch deutlich, dass selbst die “kleinen” Fächer aus dem universalen Angebot der Leipziger Universität nicht wirklich wegzudenken sind. Man riskiert nicht nur Fächervielfalt, sondern auch Renommé.

Nur waren die Handlungsspielräume der Uni bis zum Herbst 2014 denkbar klein. Man war eher damit beschäftigt, die nächsen Opfer für die Jahre 2015, 2016 zu finden, wissend, dass es mit jedem Mal schlimmer werden würde, denn vom Land gab es keine inhaltlichen Vorgaben. Die Regierung hatte einfach die noch 2008 prognostizierten Einwohnerzahlen des Landes auf ihre Landesbediensteten heruntergerechnet und quantitative Kürzungen beauftragt. Und das, obwohl damals schon absehbar war, dass die Studierendenzahlen nicht sinken – und die Bevölkerungszahl des Freistaats auch nicht im prognostizierten Maß.

Seit 2014 wächst der Freistaat ja wieder, wenn auch auf unerwartete Weise.

Was aber heißt das für die Uni Leipzig? Hat sie die beabsichtigte Schließung der benannten Studiengänge nun aufgegeben? Oder hat sie sie aufgegeben und dann doch wieder auf die Tagesordnung gesetzt, wie die Leipziger Volkszeitung zwischenzeitlich verkündete? Stichwort “Kehrtwende”?

Letzteres stimmt eindeutig nicht, auch wenn die Landtagsanfrage der Landtagsabgeordneten der Linken, Annekathrin Klepsch, ergab, wie noch immer um die Zukunft der verschiedenen Studiengänge in Leipzig gerungen wird. Denn was bis 2016 zur Streichung auferlegt wurde, das muss die Universität auch unter der neuen Regierung umsetzen.

“Dass in die drei Studiengänge, also Klassische Archäologie, Theaterwissenschaft und Pharmazie, wieder immatrikuliert wird, steht seit längerem fest. Es ist unklar, warum hier in der Leipziger Volkszeitung von einer Kehrtwende gesprochen wurde. Klar ist aber, dass sich im Grundsatz nichts daran geändert hat, dass die Universität Leipzig die Sparvorgaben erfüllen und dazu die entsprechenden Stellenstreichungen vornehmen muss, auch für 2016 noch”, erklärt dazu die Uni-Rektorin Prof. Dr. Beate Schücking.

Wirklich Klarheit wird auch Leipzig erst haben, wenn der Hochschulentwicklungsplan 2025 mit der Landesregierung unterzeichnet ist.

“Noch in diesem Jahr wird laut Koalitionsvertrag ein sächsischer Hochschulentwicklungsplan 2025 entstehen. Darauf muss die weitere Planung der Universität Leipzig aufbauen – und nur unter dieser Voraussetzung werden die Kürzungen ab 2017 zurückgenommen werden”, bestätigt Schücking. “Bis 2017 müssen wir weiterhin die Sparvorgaben erfüllen und dazu die entsprechenden Stellen streichen. Das wird betroffenen Bereichen wehtun, aber es ist leider nicht zu ändern.”

Wenn man also keine kompletten Studiengänge schließen will, muss man die vorgegebene Stellenzahl überall im Kosmos Universität irgendwie zusammenkratzen. Das betrifft dann auch Studiengänge, die eigentlich gar nicht zur Disposition stehen – wie eben bei den Chemikern und den Juristen.

“Um in dieser Situation die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen, haben wir uns im Rektorat seit vielen Monaten intensiv mit jeder einzelnen Fakultät beschäftigt, haben auch mit den Dekanen gesprochen und deren Vorschläge einbezogen”, erläutert Beate Schücking das Verfahren, wie man die Stellen nun zusammensammelt, die man opfern kann, um die Vorgabe zu erfüllen. “Wir haben die Konzepte dann durch eine Strukturkommission, in der alle Statusgruppen und der Hochschulrat vertreten waren, unter nochmaliger Einbeziehung aller Dekane und Leiter großer Zentraler Einrichtungen bewerten lassen. Die Kommission hat ihre Empfehlungen nun vorgelegt. Das Rektorat hat die Dekane in Einzelgesprächen über diese Empfehlungen informiert. Die Dekane kommunizieren die Empfehlungen in ihren Fakultäten.”

Und von dort gibt es dann meistens auch den lauten Aufschrei in die Öffentlichkeit. Denn es handelt sich ja nicht wirklich um überflüssige Stellen. Schon vor 2011, bevor das Wissenschaftsministerium sich die Sache ganz leicht gemacht hat, waren viele Fakultäten unterbesetzt. Die Lage verbessert sich ja nicht dadurch, dass man die vollwertigen Dozentenstellen immer weiter durch marginale Beschäftigungen ersetzt.

Aber das Ideal der vergangenen Regierung war ja so eine Art “schlankes Hochschulwesen” mit beschleunigten Studiengängen. Letzteres hat überhaupt nicht funktioniert. Aber dazu kommen wir gleich.

“Es gibt also Strukturüberlegungen und Gespräche darüber. Die Vorschläge zielen darauf, die Universität zukunftsfähig zu machen, Forschung und Lehre zu konsolidieren und uns für die kommende Exzellenzinitiative vorzubereiten”, erklärt Beate Schücking zum Stand der Dinge. “Dazu laufen auch weiterhin intensive Gespräche mit allen Dekanen. Entscheidungen sind noch nicht gefallen. Zum jetzigen Zeitpunkt wollen wir weder Gerüchte noch tatsächliche Zwischenstände öffentlich kommentieren.”

Aber bevor das Kürzungssoll nicht erfüllt ist, wird es auch an der Uni Leipzig keine Ruhe geben, betont die Rektorin noch einmal: “Natürlich eröffnet der in Aussicht stehende Stopp des Stellenabbaus ab 2017 Spielräume, mit denen zuvor nicht zu rechnen war. Andererseits werden uns eben nicht etwa die Stellenkürzungen bis dahin erlassen. Daher können wir auch nicht einfach bisherige Entscheidungen zurücknehmen. Es sind aber durchaus andere Konstellationen denkbar, in denen Theaterwissenschaft und Archäologie eine Zukunft bei uns haben können. Ob – und falls ja, wie – das machbar ist, lässt sich aber derzeit noch nicht sagen.”

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