Da kann die Wirtschaft eigentlich nicht meckern: Die Zahl der Studienberechtigten in Sachsen steigt zwar. Und das hat gute Gründe. Aber nur jeder vierte Abiturient beginnt auch ein Studium. Die klugen Köpfe gehen der Wirtschaft also gar nicht verloren. Aber wer in Sachsen nicht ganz doof ist, der geht aufs Gymnasium. Die Oberschule in der derzeitigen Form ist als Regelschule nicht attraktiv.
Die Zahlen verraten es indirekt. “Im Jahr 2014 verließen 12.143 Absolventen die Schule mit allgemeiner bzw. Fachhochschulreife. Das waren 538 Schülerinnen und Schüler bzw. 5 Prozent mehr als 2013. Daraus ergibt sich ein neuer Höchststand der Studienberechtigtenquote von 45,7 Prozent”, meldeten die sächsischen Statistiker am Montag, 18. Mai.
Noch 2010 lag die Studienberechtigtenquote bei 38 Prozent. 29,5 Prozent des Jahrgangs erwarben das Abitur am Gymnasium, 8,6 Prozent die Fachhochschulreife.
Doch während die Staatsregierung durch eine Verschärfung der Bedingungen für die Bildungsempfehlung und die Umtitelung der Mittelschule in Oberschule versuchte, letztere wieder verstärkt zur eigentlichen Regelschule zu machen, hat sich der Trend zum Gymnasium weiter verstärkt. Die Oberschule hat weiter an Attraktion verloren. Die zaghaften Reformversuche haben daran nichts ändern können.
Im Segment Abitur stieg die Zahl der Schulabgänger mit allgemeiner Hochschulreife um 8 Prozent auf 9.761, während die Zahl der Absolventen mit Fachhochschulreife auf 2.382 zurück ging, stellen die Statistiker fest. Damit ist der Trend seit 2011 ungebrochen, dass immer mehr Kinder nicht nur aufs Gymnasium gehen, sondern dort auch ihr Abitur machen. Erstmals wurde auch die Zahl von 9.555 Abiturienten aus dem Jahr 2010 überboten, dem letzten Abiturjahrgang der starken Geburtsjahrgänge bis 1991. Seit 2010 haben sich die Schulabsolventenzahlen fast halbiert.
Doch statt wirklich zukunftsfähige Konzepte für die Oberschule oder – immer wieder gefordert – ein längeres gemeinsames Lernen zu entwickeln, haben die letzten sächsischen Regierungen immer wieder versucht, den Run auf die Gymnasien zu drosseln. Doch amtliche Regelungen ersetzen keine inhaltliche Neuausrichtung. Und sie verbessern auch den Ruf eines Schultyps nicht, wenn dieser nicht mit verbesserten Angeboten und einer besseren Lehrerausstattung unterfüttert wird.
Und so wechseln nach der vierten Klasse auch viele Kinder aufs Gymnasium, für die sich ihre Eltern schlicht eine profunde Schulausbildung und gute Arbeitsmarktchancen wünschen, ohne dass dahinter gleich ein Studium als Ziel steht.
Und so entscheiden sich auch nicht alle Studienberechtigten für ein Hochschulstudium. Aus dem Absolventenjahrgang 2010 begannen nur 76 Prozent der Studienberechtigten mit allgemeiner Hochschulreife aus Sachsen bis 2013 ein Studium an einer Hochschule in Deutschland und nur 51 Prozent von denen mit Fachhochschulreife, können nun Sachsens Statistiker aufzeigen.
Frauen zeigen – in der Formulierung – “eine niedrigere Studierbereitschaft als Männer. Nur knapp zwei Drittel der Frauen aus dem Jahrgang 2010 entschieden sich bis 2013 für ein Studium. Bei den Männern waren es drei Viertel.”
Die Formulierung “Studierneigung” ist wohl eher irreführend, denn dass Frauen sich seltener für ein Studium entschließen, hat wohl eher mit Arbeitsmarktchancen und Familiengründung zu tun als mit Bauchgefühl.
Der Anteil der Absolventen sächsischer Hochschulen an der altersspezifischen Bevölkerung betrug 30,4 Prozent und war damit das zweite Jahr in Folge rückläufig. Trotzdem stand Sachsen mit dieser Quote an der Spitze der neuen Bundesländer und erreichte den Bundesdurchschnitt, stellen die Statistiker noch fest. Das ist die Stelle, an der sichtbar wird, wie sehr sich insbesondere das Gymnasium in Sachsen zur angestrebten Regelschule entwickelt hat. Rund 15 Prozent der Schüler eines Jahrgangs legt zwar das Abitur ab, nimmt aber zeitnah kein Studium auf.
Das sind natürlich die leistungsstärkeren Schüler, die eigentlich in der Oberschule fehlen, um sie als eine leistungsorientierte Normalschule zu profilieren. Im derzeitigen Zustand löst die sächsische Oberschule bei immer mehr Eltern nur einen Reflex aus: “Mein Kind muss unbedingt zum Gymnasium.”
Das lässt sich mit immer neuen Regeln nicht ändern. Das kann man nur ändern, indem man die Oberschule besser macht.
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