Lieber noch mal nachfragen. Man weiß ja nie, ob die Botschaft in der sächsischen Regierung tatsächlich angekommen ist. Also hat Claudia Maicher, hochschulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag, extra eine Kleine Anfrage gestellt. Wieviele Studierende wird Sachsen bis 2025 bekommen, Frau Ministerin?
Die Ministerin heißt ja seit Kurzem wieder Eva-Maria Stange (SPD). Und eine ihrer ersten Amtshandlungen war ein Stopp des von ihrer Vorgängerin verordneten Stellenabbaus an den Hochschulen. In einer fast schon erschreckenden Naivität hatte sich Sabine von Schorlemer auf die Prognosezahlen der Kultusministerkonferenz (KMK) verlassen und die rapide fallenden Zahlen für bare Münze genommen.
Doch die Kritik an den KMK-Zahlen war schon jedes Mal heftig gewesen, als sie veröffentlicht wurden. Seit 2010 schon waren sie immer deutlicher von den realen Zahlen abgewichen. Für Sachsen sahen sie längst einen Absturz der Immatrikulationszahlen von 20.000 auf 15.000 vor. Wäre es wirklich so gewesen, Sachsen hätte tatsächlich Kapazitäten zurücknehmen müssen. Doch nicht in einem einzigen Jahr seither trat der prognostizierte Absturz ein. Was auch daran liegt, dass immer mehr junge Menschen mittlerweile das Abitur bekommen. Und dann auch wirklich studieren.
2012 korrigierte die KMK ihre Prognosen nach oben – und blieb trotzdem himmelweit entfernt von der realen Entwicklung. Das Berechnungsmodell erwies sich nach wie vor als ungenügend. Doch gerade Sachsens Wissenschaftsministerin ignorierte die realen Entwicklungen bei den Immatrikulationen weiter und drückte den Sparbefehl in den Hochschulen durch, obwohl Jahr für Jahr wieder die alten hohen Anmeldezahlen erreicht wurden.
Eva-Maria Stange hat insoweit Glück, dass sie jetzt in ihrer Antwort an Claudia Maicher auf KMK-Berechnungen von 2014 zurückgreifen kann, die endlich tatsächlich die reale Entwicklung abbilden. Lang genug hat es gedauert, bis sich die Konferenz der Kultusminister der Wirklichkeit stellte, die eben für die Bundesrepublik nicht 300.000 Studierende bedeutet, sondern 500.000. Erst ab 2018 könnten die Zahlen langsam zurückgehen.
Freilich nicht in Sachsen. Denn während im Westen der Bundesrepublik die Geburtenzahlen weiter sinken, sind sie im Osten wieder gestiegen. Man kann also nicht mehr mit den ab 1992 halbierten Jahrgängen rechnen, sondern muss die langsam steigenden Kinderzahlen ab 2000 zur Grundlage nehmen. Was auch bedeutet: Die Hälfte aller Studienanfänger in Sachsen wird auch aus Sachsen kommen. Und mindestens bis 2025 werden die Studienanfängerzahlen in Sachsen so hoch bleiben wie in den letzten Jahren. Die KMK hat nur bis 2025 hochgerechnet. Aber das ist ein Zeithorizont, der schon mal zeigt, dass von den fünf Jahre lang eisern behaupteten Rückgängen nichts eintreten wird auf absehbare Zeit. Jedes Jahr werden über 20.000 junge Menschen an Sachsens Hochschulen und Universitäten immatrikuliert.
Und die Gesamtstudierendenzahl wird dauerhaft auf einem Niveau von 113.000 bleiben. Eva-Maria Stange konnte dabei einfach die Zahlen aus der 2014-er Hochrechnung der Kultusministerkonferenz übernehmen.
Im Koalitionsvertrag stehen aber nur 95.000 Studierende als Zielzahl für 2025, hatte Maicher angemerkt und gefragt, woher die Differenz komme. Die entsteht – so die Ministerin – dadurch, dass der Freistaat den Qualitätsanspruch nur für die staatlichen Hochschulen und Universitäten garantiere. Die staatlich-anerkannten Hochschulen und die Berufsakademie seien in der Zahl 95.000 nicht enthalten.
Aber die frohe Kunde ist nun wohl, dass Sachsen zumindest in den nächsten Jahren endlich mit den realen Studierendenzahlen rechnet. Irgendwie kehrt der Freistaat nach fünf Jahren Weltraumreise in die irdische Wirklichkeit zurück. Und da die SPD auch bei Lehrern und Polizisten Druck machen will, könnte das Land vielleicht tatsächlich wieder Bodenhaftung gewinnen.
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