Eigentlich wäre es die Chance für die neue und alte Wissenschaftsministerin in Sachsen, Eva-Maria Stange (SPD), die Hochschullandschaft wieder zu sortieren, Wildwüchse zu beseitigen und vor allem wieder verlässliche Grundplanken einzuziehen. Immerhin hatte die SPD in der Opposition ja selbst die verheerende Kürzungspolitik der CDU/FDP-Regierung kritisiert. Nun bekommt Eva-Maria Stange Druck von den Grünen.
Claudia Maicher, Hochschulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, hat mal zu einem dieser Spezialthemen gefragt, die man nur aufdröseln kann, wenn man weiß, was für Verhältnisse mittlerweile an deutschen Hochschulen herrschen. Das haben ja die Sachsen nicht alles selbst erfunden – aber sie machen es eifrig genauso wie die anderen Bundesländer, die beim Thema Hochschulen die Schere angesetzt haben, die Dozentenstellen ausdünnen und trotzdem irgendwie die seit Jahren massiv gestiegenen Studierendenzahlen abarbeiten wollen. Oder auch nicht wollen. Denn über vollmundige Erklärungen, wirklich mehr Geld in Bildung zu investieren, sind weder Bund noch Landesregierungen hinaus gekommen.
Man weiß zwar, dass ein modernes, wettbewerbsfähiges Land ohne die gut ausgebildeten jungen Köpfe nicht zu bekommen und auch nicht zu bewahren ist. Aber wenn es dann tatsächlich um die notwendigen Gelder geht, versucht man das Thema mit geschlossenen Augen zu meistern. Nur ja keine klaren Zahlen auf den Tisch, mit welchen Studienbewerberzahlen man es tatsächlich zu tun hat, welche Studiengänge besonders gefragt sind, welches Lehrpersonal man braucht.
Die Lehrbeauftragten, nach denen sich Claudia Maicher erkundigte, sind nur ein Teil der provisorischen Lösungen, die man heute – nach Jahren der Sparrunden und Reformen – an Sachsens Hochschulen findet. 2013 machten sie von sich reden, weil sie selbst zum Demonstrieren nach Dresden fuhren. Insbesondere die niedrige Bezahlung an der Leipziger Hochschule für Musik und Theater war da ein Thema. Auch weil gerade an künstlerischen Hochschulen Lehrbeauftragte eher die Regel als die Ausnahme sind.
Aber sie sind auch in den Universitäten und technischen Hochschulen längst fester Teil des Lehrbetriebs und fangen viel von dem ab, was früher mal zum festen Aufgabengebiet der fest angestellten Dozenten und Professoren gehört hat. Sie sind schon lange nicht mehr nur die schnelle Feuerwehr, die kommen, wenn irgendwo Lehrveranstaltungen abgesichert werden müssen , weil der Prof. erkrankt oder verreist ist. Ganze Studuiengänge funktionieren nur noch mit ihnen.
Allein vom Jahr 2011 bis 2013 nahm ihre Zahl um mehr als 200 auf 1.628 zu, stellt Claudia Maicher nun fest. “Laut Auskunft des Wissenschaftsministeriums ist ohne ihre Arbeit die Krankheits- oder Elternzeitvertretung in der Lehre nicht mehr abzusichern. Offenbar übernehmen die Lehrbeauftragten auch Lehrveranstaltungen, die nur von Professoren oder wissenschaftlichen Angestellten der Hochschulen gehalten werden sollten. Das ist aber nicht ihre gesetzliche Aufgabe. Lehrbeauftragte sollen das Lehrangebot ergänzen, nicht absichern”, kritisiert Maicher, hochschulpolitische Sprecherin.
Ministerin Stange liefert alte Zahlen
Ihre Frage erwischt die im Herbst wieder ins Amt gekommene Ministerin natürlich mitten in einer Umbauphase. Die Zahlen hat eindeutig noch Stanges Amtsvorgängerin Sabine von Schorlemer zu verantworten. Und in den letzten Jahren ist ein bunter Flickenteppich unterschiedlichster Vergütungsstufen entstanden, mit denen die Hochschulen das so dringend benötigte Personal für die benötigten Stunden binden.
“Dass im Wissenschaftsministerium nicht einmal bekannt ist, wie viele Lehrbeauftragte welche Honorarstufen beziehen, zeigt das fehlende Problembewusstsein, das bislang im Haus geherrscht hat”, kritisiert die Grünen-Abgeordnete. “Zudem scheint die Staatsregierung wenig Anstoß an der niedrigen Vergütung zu nehmen. Auf die Frage, welche durchschnittlichen Honorarsätze nötig wären, um dem Anspruch des Hochschulgesetzes nach einer ‘angemessenen’ Vergütung der Lehrbeauftragten zu entsprechen, bleibt die Ministerin mit dem Verweis auf ‘Einzelfallentscheidungen’ eine Antwort schuldig. Obwohl das Problem der geringen Vergütung der Lehrbeauftragten vor anderthalb Jahren Thema im Landtag war, gibt es bis heute offenbar kein Konzept. Hier erwarte ich von Ministerin Stange eine neue, soziale Handschrift.”
Die Stundensätze, die die Landesregierung für die diversen Hochschulen im Land nennt, klingen nur auf den ersten Blick formidabel. Doch tatsächlich verschleiern sie die Tatsache, dass die Lehrbeauftragten eben nicht nur die eine Stunde Arbeit haben, für die sie bezahlt werden.
“Lehrbeauftragte arbeiten auf eigene Rechnung und sind sozialversicherungsrechtlich nicht abgesichert. Honoraruntergrenzen von 10 Euro pro Unterrichtsstunde an Universitäten lassen weder einen auskömmlichen Lebensunterhalt noch eine soziale Absicherung zu”, schätzt Maicher ein.
Andererseits fangen die Hochschulen mit den Lehrbeauftragten ja viel von dem auf, was die Kürzungen der letzten Jahren beim eigentlichen Lehrpersonal erst einmal an Lücken gerissen haben. Allein an der Uni Leipzig stieg die Zahl der Lehrbeauftragten von 2009 bis 2013 von 481 auf 633. Sie verzeichnet aber auch Jahr für Jahr Bewerberzahlen, die weit über das hinausgehen, was das Wissenschaftsministerium noch 2010 der angewiesenen Kürzungsrunde zugrunde gelegt hat. Man ahnt so ein wenig, mit welchen Notlösungen die Fakkulutäten und Hochschulleitungen versuchen, den Betrieb mit voller Auslastung trotzdem abzusichern.
“Die Hochschulen in Sachsen benötigen eine signifikante Aufstockung ihrer Grundmittel”, zieht Maicher die Schlussfolgerung aus diesen Zahlen. “Nur so können sie Honorare zahlen, die den Aufgaben der Lehrbeauftragten auch angemessen sind.” Und das Geld dafür wäre da: “Wir haben bereits vor Monaten Vorschläge unterbreitet, wie das gelingen kann. Die Einsparungen im Landeshaushalt durch die Übernahme der BAföG-Kosten für Studierende durch den Bund müssen in Sachsen vollständig an die Hochschulen weitergegeben werden. Einschließlich der Einnahmen aus Darlehensrückzahlungen und Zinsen im Rahmen der BAföG-Reform stünden hier zirka 70 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Damit ließe sich auch die Situation der Lehrbeauftragten, aber auch die der größtenteils befristet und kurz-befristet tätigen hauptamtlich Beschäftigten, erheblich verbessern. Die kommenden Verhandlungen zum Doppelhaushalt bieten hier die Möglichkeit, Sachsens Hochschulen grundsätzlich besser zu finanzieren.”
Es wäre die Chance, eine bislang noch gut ausgebaute Hochschullandschaft als wichtigen Standortfaktor in Sachsen zu erhalten.
Kleine Anfrage von Claudia Maicher “Lehrbeauftragte an Universitäten und Fachhochschulen” (Drs. 6/413) als pdf zum Download.
Kleine Anfrage “Voraussichtliche Einnahmen aus Rückzahlungen und Zinsen im Rahmen der BAföG-Reform” (Drs. 6/206) als pdf zum Download.
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