Im Dezember machte sich die Chemnitzer Landtagsabgeordnete Petra Zais (Bündnis 90/Die Grünen) einen Namen, als sie von den Fraktionen von Grünen und Linken als Kandidatin als Sächsische Ausländer- bzw. Integrationsbeauftragte nominiert wurde. Insbesondere für die regierende CDU ein politischer Affront, wo man doch gern den eigenen Mann, Geert Mackenroth, im Amt sehen wollte. Mit den Stimmen von CDU und SPD gelang das auch. Also bleibt Petra Zais dem Landtag als kritische Stimme in Sachsen Bildung erhalten.

Und Kritik wird auch die CDU/SPD-Regierung brauchen. Denn Jahre des Heruntersparens haben dem sächsischen Bildungssystem überhaupt nicht gut getan. Und der sächsischen Integrationspolitik – für die nun ausgerechnet der ehemalige Justizminister Geert Mackenroth nicht gerade bekannt ist – auch nicht. Genau danach hatte Petra Zais in einer Kleinen Anfrage gefragt. Denn Sachsen rühmt sich zwar in allen PISA- und ähnlichen Tests einer für die Bundesrepublik großen sozialen Ausgeglichenheit der Testergebnisse. Nicht beleuchtet aber wird dabei der Bildungserfolg der Schüler mit Migrationshintergrund.

Denn während andere Bundesländer wie Berlin und NRW seit Jahrzehnten einen hohen Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund in ihren Schulen haben und darauf auch mit entsprechenden Fördermodellen reagieren müssen, war das für die ostdeutschen Bundesländer lange Zeit kein Thema. Auch der Freistaat Sachsen hat es völlig ignoriert. Doch mittlerweile macht es sich in den Bildungsstatistiken des Landes bemerkbar. Der Widerspruch ist eklatant: Den üblichen vorderen Plätzen in den internationalen Schulvergleichen steht eine hohe Zahl von Schülern gegenüber, die das Bildungsziel einfach nicht schaffen. Und die Frage ist wirklich: Wie kann ein Schulsystem mit guten Testergebnissen für derart viele Schüler – 2013 waren es immer noch 10 Prozent – zum Misserfolg werden?

Dass ausgerechnet Leipzig mit überdurchschnittlichen Quoten (2013 immerhin 11,8 Prozent) auffällt, ist natürlich ein Hinweis auf eine mögliche Ursache: das überdurchschnittlich schlechte Abschneiden von Kindern mit Migrationshintergrund. Er ist nicht die einzige Erklärung für die hohe Zahl, denn auch Kinder aus bildungsfernen Schichten haben in Sachsen eine überdurchschnittlich hohe Chance, die Schule ohne Abschluss zu verlassen. Das liegt teilweise an den völlig unterbesetzten Förderangeboten, zum anderen auch an der frühen Trennung leistungsschwacher und leistungsstärkerer Schüler ab der 5. Klasse.

Aber ob Kinder mit Migrationshintergrund tatsächlich öfter ohne Abschluss aus der Schule abgehen, war zu belegen.
Die Antwort von Kultusministerin Brunhild Kurth belegt es auch – insbesondere eine Zahl, die in der Sparte Oberschule sichtbar wird.

Der Bildungserfolg von Kindern mit Migrationshintergrund, die es aufs Gymnasium schaffen, weicht nach den Zahlen des Kultusministeriums vom Erfolg der Gesamtgruppe von Schulabgängern nur wenig ab. Dort ging 2013 kein Jugendlicher ohne Abschluss aus der Schule, auch wenn nicht alle auch das Abitur schafften. 10,1 Prozent der sächsischen Gymnasiasten verließen 2013 das Gymnasium mit einem Realschul- oder Hauptschulabschluss. Unter den Jugendlichen mit Migrationshintergrund waren es 12,8 Prozent.

Der Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund ist an Gymnasien und Oberschulen mit 4,3 bzw. 4,1 Prozent fast identisch. Es schaffen also Kinder aus Migrationsfamilien ebenso oft ans Gymnasium wie alle anderen Kinder.

Der eigentliche Unterschied im Bildungserfolg wird aber an den Oberschulen sichtbar, wo prozentual deutlich mehr Kinder mit Migrationshintergrund keinen Abschluss schaffen als der Durchschnitt der Schulabsolventen. Immerhin gingen aus der Gesamtgruppe der Jugendlichen, die 2013 die Oberschulen verließen, 4,9 Prozent ohne Schulabschluss ab. Bei den Schülern mit Migrationshintergrund aber waren es 12,8 Prozent. Nach Herkunftsländern hat es Kultusministerin Brunhild Kurth nicht untergliedert – Petra Zais hatte es auch nicht abgefragt. Aber das könnte die Statistik noch genauer machen und möglicherweise auch zeigen, welche Kinder in den Oberschulen häufiger Misserfolge in ihrer Bildungslaufbahn erfahren und entsprechend mehr und genauere Förderung brauchen.

Die Statistik aber zeigt auch noch etwas anderes, was auch die hohe “Schulabbrecherquote” in Sachsen etwas relativiert: 279 junge Leute holten 2013 in Schulen des zweiten Bildungsweges – hier der Abendmittelschule – ihre Haupt- und Realschulabschlüsse nach. Weitere 268 holten das Abitur nach. Der Schulabschluss wird also ein paar Jahre nach dem eigentlichen Abgang von der Regelschule nachgeholt, das System des zweiten Bildungsweges ist auch in Leipzig gut ausgebaut. Dieser Umweg kostet die jungen Leute vor allem Zeit. Aber er sorgt auch dafür, dass die meisten Schulabsolventen dann trotzdem für eine qualifizierte Berufsausbildung bereit sind.

Was trotzdem bedeutet, dass Sachsen in seiner Regel-Oberschule mit einer durch nichts begründeten Sparpolitik vor allem die Bildungschancen von Kindern aus bildungsfernen oder Familien mit Migrationshintergrund erschwert. Die Anfrage von Petra Zais zeigt recht deutlich, wo gegengesteuert werden könnte. Wenn die hohe sächsische Politik das tatsächlich will.
Die Kleine Anfrage mit der Antwort des Kultusministeriums als PDF zum download.

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