Zahlen sind was Feines. Das hat auch die sächsische CDU für sich entdeckt. Gerade dann, wenn die Zahlen scheinbar die eigene Politik bestätigen. So ist es auch beim "Bildungsmonitor 2014" des IW Köln und der INSM, der am Dienstag vorgestellt wurde. Eine Kategorie sieht ganz danach aus, als würde sie der in Sachsen regierenden CDU bescheinigen, dass sie richtig viel Geld für Bildung ausgibt. So sieht es jedenfalls Jens Michel.

Er ist finanzpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im sächsischen Landtag und ausgebildeter Jurist. Er sieht den Freistaat Sachsen wiederholt als “Bildungssieger” und die Ausgaben für den Bildungsbereich als geradezu vorbildlich.

“Es ist erfreulich, dass Sachsen in dieser Studie zum neunten Mal in Folge den ersten Platz in der Gesamtwertung belegt. Interessant ist in der Auswertung der Studie aber auch, dass im Feld der ?Ausgabenpriorisierung?, also dem Anteil der Finanzmittel je Einwohner für Bildung, verglichen mit den Pro-Kopf-Gesamtausgaben des Landes, der Freistaat den zweiten Platz belegt”, liest er aus dem Zahlenwerk des IW Köln heraus. “Damit zeigt der Bildungsmonitor, dass die für das Bildungssystem im Freistaat Sachsen zur Verfügung gestellten finanziellen Ressourcen weit über dem Durchschnitt liegen. Bei aller Notwendigkeit einer Feinjustierung – von einer Unterfinanzierung des Bildungsbereiches kann also keine Rede sein. Ich wehre mich gegen manche Darstellung, dass Sachsen sich zu Lasten der Kinder saniert. Die Studie ist ein Gegenbeweis dafür.”

Aber gerade die von ihm ausgewählte Kategorie zeigt nicht das, was er glaubt zu sehen:
www.insm-bildungsmonitor.de/2014_best_i_ausgabenpriorisierung.html

Die Sache mit den Indikatoren und den Rechenwerten erläutern IW Köln und INSM ganz am Ende ihrer Studie. Das sind dann Formeln, die erst einmal verblüffen, weil sie so wissenschaftlich aussehen. Aber wo das INSM-Ranking nicht tatsächlich mit realen Vergleichswerten arbeitet, tauchen recht dubiose Zahlenwerte zwischen 0 und 100 auf. Die man nicht mit Prozentwerten verwechseln darf, auch wenn sie so aussehen. Es sind eher Noten, die das INSM hier verteilt: “Das Bewertungsverfahren führt dazu, dass ein Bundesland im Bildungsmonitor 2013 bei einer Kennziffer den maximal möglichen Punktwert 100 erzielen kann, wenn sich das betreffende Bundesland bei dieser Kennziffer durch die bestmögliche Ausprägung auszeichnet.”

Heißt: Die Rechner aus Köln suchen sich den maximal und den minimal erzielten Wert aus ihrem eigenen “Bildungsmonitor 2013” heraus und errechnen dann einen Punktwert, der ausdrückt, wie sich das Land in diesem Punkt gegenüber 2013 verändert hat. “Dafür werden die Absolutwerte eines Indikators aus dem Bildungsmonitor 2014 zu den Minima und Maxima aus dem Bildungsmonitor 2013 in Beziehung gesetzt. Im Unterschied zum Bildungsmonitor 2013 kann ein Bundesland im Berichtsjahr einen Punktwert für einen Indikator kleiner als null zugewiesen bekommen. Andererseits kann auch ein Punktwert größer als 100 erzielt werden.”

Sachsen liegt also nicht, wie Jens Michel herausliest, beim “Anteil der Finanzmittel je Einwohner für Bildung, verglichen mit den Pro-Kopf-Gesamtausgaben des Landes” auf dem zweiten Platz, sondern in Bezug auf einen möglichen Maximalwert bei 84,5 Punkten hinter Thüringen mit 91,9 Punkten.

Wobei auch die “Relation der Bildungsausgaben pro Schüler (…) zu den Gesamtausgaben öffentlicher Haushalte pro Einwohner”, die dem Punktwert zugrunde liegt, nichts aussagt über die tatsächliche Ausgabenhöhe. Reiche Bundesländer, die viel mehr Geld in andere Bereiche stecken können, kommen hier zwangsläufig auf niedrigere Werte. Auch Bundesländer, die weniger Hochschulen haben, kommen hier auf niedrigere Werte.
Tatsächlich könnte das Verhältnis zwischen Bildungsausgaben pro Kopf und Gesamtausgaben sogar die Tatsache sichtbar machen, dass das Bundesland einen sehr knappen Haushalt hat (zum Beispiel weil es große Fonds anspart und gerade die Schulden seiner Landesbank abstottert).

Wirklich entscheidend sind nur die absoluten Ausgaben pro Schüler, also das, was für Lehrer, Sachmittel und Investitionen tatsächlich ausgegeben wird.

Da liefert das Bundesamt für Statistik zumindest für 2011 Vergleichszahlen. Und da bleibt kein 2. Platz für Sachsen, auch nicht bei den Bildungsausgaben für allgemeinbildende Schulen. Denn da liegen die Bundesländer Thüringen (8.500 Euro pro Schüler), Sachsen-Anhalt (8.400 Euro) und Hamburg (8.100 Euro) vorn. Erst dahinter kommt Sachsen mit 7.600 Euro. Wobei immer zu berücksichtigen ist, dass das nicht die reinen laufenden Ausgaben sind, sondern auch die Schulinvestitionen mit drinstecken, bei denen die Kommunen einen großen Teil tragen müssen.

Dabei fallen die ostdeutschen Länder sogar auf, weil sie deutlich mehr Geld für Schulbau ausgeben müssen – sie haben es 25 Jahre nach 1989 allesamt noch nicht geschafft, den gewaltigen Sanierungsstau bei Schulen abzubauen. Das Verhältnis ist dann etwa so: 6.100 Euro pro Schüler sind Personalausgaben, 800 sind Sachmittel und 700 sind Investitionskosten. Es überschneiden sich im Posten “Aufgabenpriorisierung” zwei Effekte – die sowieso kleineren Landesetats der ostdeutschen Bundesländer und die zwangsläufig höhere Investitionsquote in eine zum Teil sehr marode Schulinfrastruktur.

Dass Sachsen nicht wirklich überdurchschnittlich in Lehrer investiert, sieht man in der Kategorie “Betreuungsbedingungen”, wo Sachsen in der Betreuungsrelation in Grundschulen auf einem mageren 9. Platz landet, bei Hochschulen auf einem schäbigen 14. Nur der hohe Betreuungswert in der beruflichen Bildung bringt Sachsen am Ende auf einen 3. Platz. Aber die Lehrer-Schüler-Relation ist an den Berufsschulen nicht deshalb so gut, weil Sachsen so viele Lehrer eingestellt hat, sondern weil die Berufsschüler im dualen System in den letzten vier Jahren hingeschmolzen sind wie Schnee an der Sonne.

Ansonsten ist es bei der Aufgabenpriorisierung wie bei der so gern besungenen hohen Investitionsquote in Sachsen: Es kommt immer auf das Verhältnis zum Gesamthaushalt an. Wenn diesem Haushalt aber jedes Jahr zwischen 1 bis 1,5 Milliarden Euro entzogen werden, weil damit diverse Fonds gefüttert werden, sehen die Quoten höher aus als sie sind. Bei den realen Ausgaben pro Kopf liegt Sachsen nicht einen Euro über den anderen Bundesländern, oft genug auch deutlich drunter. Aber diese Zahlen werden dann lieber nicht genannt, lieber die schönen Prozente. Das sieht nach mehr aus.

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