"Von angemessenen Betreuungsverhältnissen in ihren Kitas sind die Bundesländer nach wie vor unterschiedlich weit entfernt. Das geht aus dem aktuellen 'Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme' hervor, mit dem die Bertelsmann Stiftung seit sechs Jahren die Entwicklung der Kindertageseinrichtungen beobachtet." So begann die Meldung der Bertelsmann Stiftung am Freitag, 25. Juli.

“Auffällig ist vor allem das Ost-West-Gefälle: Während in den ostdeutschen Krippen sich eine Erzieherin um durchschnittlich 6,3 Kinder kümmern muss, kommen im Westen 3,8 Kinder auf eine Erzieherin. In Sachsen ist eine Erzieherin für 6,6 Kinder zuständig. Dieses statistische Betreuungsverhältnis sieht im Kita-Alltag sogar noch ungünstiger aus. Weil eine Erzieherin aufgrund von Teamgesprächen, Fortbildung und Urlaub höchstens 75 Prozent ihrer Arbeitszeit für pädagogische Arbeit nutzen kann, betreut sie in Sachsen tatsächlich fast neun unter Dreijährige.”

Es ist ja nicht so, dass dieser Fakt in Sachsen nicht bekannt wäre.

“Allein die Verbesserung des Betreuungsschlüssels von 1:5 in den Krippen und 1:12 in den Kitas würde jährlich knapp 90 Millionen Euro kosten. Die Betriebskostenerhöhung von rund 45 Millionen reichen dafür nicht aus”, rechnete die jugendpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Annekathrin Giegengack, im Juni vor, nachdem die Landesregierung die vorsichtige Erhöhung des Landesanteils zur Kita-Pauschale von 1.875 auf 2.060 Euro verkündet hatte. Die Pauschale deckt alle “Betriebskosten” in Kindertagesstätten ab und setzt sich aus der Pauschale des Landes, der Kommune und dem Beitrag der Eltern zusammen. Die Eltern kleiner Kinder wissen, wie die Elternbeiträge seit 2006 angezogen sind. Mittlerweile zahlen sie fast überall den Maximalbetrag. Und da der Freistaat seinen Beitrag seit 2006 eingefroren hatte, landete der ganze “Rest” bei der Kommune: Es sind die Kommunen, die hier die gesetzlich verordnete Kinderbetreuung aus ihren Haushaltsmitteln stabilisieren müssen.

Und das stößt logischerweise an finanzielle Grenzen.

“Dem Landtag liegt bereits eine Sammelpetition mit insgesamt 77.000 Unterschriften zur Verbesserung des Betreuungsschlüssels vor. Die Proteste der Eltern und Erzieher werden nicht abreißen, wenn die Betriebskostenerhöhung ausschließlich bei den Kommunen und Landkreisen hängen bleibt”, betonte Giegengack.

Und die Bertelsmann-Stiftung: “Schlecht sind die Betreuungsverhältnisse in Sachsen für Kinder ab drei Jahren: In dieser Altersgruppe ist eine Erzieherin durchschnittlich für 13,5 Kinder zuständig, das sind vier Kinder mehr als im Bundesdurchschnitt. Vorzeigeländer sind erneut Bremen (1 zu 7,7) und Baden-Württemberg (1 zu 8). Schlusslicht ist Mecklenburg-Vorpommern, wo eine Erzieherin für 14,9 verantwortlich ist. – Damit in Sachsen die von der Bertelsmann Stiftung empfohlenen Personalschlüssel umgesetzt werden können, sind nach Berechnungen der Stiftung gut 16.700 zusätzliche Vollzeitkräfte erforderlich – 8.600 für unter Dreijährige und 8.100 für Kinder ab drei Jahren. Dies würde zusätzliche Personalkosten in Höhe von mehr als 730 Millionen Euro verursachen, was mehr als einer Verdopplung der derzeitigen Personalkosten (fast 716 Millionen Euro) entspricht.”

Annekatrin Klepsch, kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, kommt bei der Errechnung der Lohnsumme, die zusätzliche anfiele, wenn in Kinderkrippen tatsächlich der Schlüssel 1 Betreuerin auf 6 Kinder und in Kindergärten ein Verhältnis von 1:12 gelten würde, auf 113 Millionen Euro, Annekathrin Giegengack kommt auf 90 Millionen, wenn man 1:5 und 1:12 anstrebt.

Beides Zahlen, die weit von den 730 Millionen entfernt sind, die die Bertelsmann-Stiftung nennt.

Was auch daran liegen kann, dass sie die Zusammensetzung des sächsischen Kita-Personals nicht analysiert hat. Was auch nicht leicht ist: Land und Kommunen schmeißen hier alles wild zusammen, was nicht zusammen gehört.

In der für 2013 veröffentlichten Zahl von 33.091 Personen in sächsischen Kindertageseinrichtungen stecken mindestens 5.155, die allein in Schulhorten tätig sind. Das ist noch nicht die komplette Zahl, denn viele Kindergärten in Sachsen bieten zusätzlich auch noch Hortbetreuung an.

Aber zumindest diese verifizierbaren Hortkräfte muss man schon einmal abziehen und kommt dann auf 27.936 Personen, die in Tageseinrichtungen für Kinder bis 6 Jahre tätig sind. Wenn die von der Bertelsmann-Stiftung ermittelte Gehaltssumme von 716 Millionen Euro stimmt, sind das pro Kita-Mitarbeiter 25.630 Euro. Brutto.
Bei der Errechnung der zusätzlichen Kosten von 16.700 neuen Stellen kommt Bertelsmann auf stattliche 730 Millionen Euro. Was dann stattliche 43.713 Euro pro Arbeitskraft wären. Das könnte ein Land wie Sachsen oder gar seine Kommunen ganz bestimmt nicht aufbringen. Da stimmt schon, dass die Bertelsmann-Stiftung an den Bund appelliert.

Anderseits erzählen solche Lohnsummen auch davon, wie sehr sich in Sachsen die Löhne in öffentlichen Diensten mittlerweile von denen in der übrigen Wirtschaft unterscheiden. Sie sind deutlich höher im Schnitt.

Auch das ist ein Grund dafür, warum Sachsens Kommunen versuchen, das Personal in den Kindereinrichtungen möglichst in Teilzeit zu beschäftigen. In Vollzeit waren in Sachsens Kindereinrichtungen 2013 nur 6.515 beschäftigt. Der ganze Rest – über 21.000 Personen – waren nur in Teilzeit tätig. Oder soll man besser sagen: in Teilzeit bezahlt?

Immerhin 13.034 im Segment 32 bis unter 38,5 Stunden. Einige Tausend Weitere dann auch noch im Bereich 21 bis unter 32 Stunden.

Andererseits hätten sich Sachsens Kommunen und die entsprechenden Träger längst schon an den Kita-Kosten finanziell aufgehängt, wenn sie das Personal in den von der Gewerkschaft durchgeboxten Tarifen in Vollzeit beschäftigen würden. Lohnsummen von 30.000 bis 45.000 Euro pro Kopf wären dann die Regel, nicht mehr die Ausnahme. Was übrigens auch die Grundkosten von jetzt 716 Millionen Euro noch ansteigen ließe – auf 1,2 Milliarden Euro.

Im Osten Deutschlands kommen noch die höheren Betreuungsquoten dazu. Aber die 730 Millionen Euro, die die Bertelsmann-Stiftung nennt, geben so ungefähr den Fehlbetrag für Sachsen an, der durch eine bessere Betreuungsquote und das gesetzliche Recht auf einen Betreuungsplatz entsteht.

Hier kommt der alte Eiertanz wieder zum Tragen, das Hin und Her zwischen einem auch auf Bundesebene geäußerten Versprechen, die Bildungsaufwendungen deutlich zu erhöhen und der erlebten Praxis, dass nur ein paar Kleckerbeträge umverteilt werden – und das dann auch noch mit einem gesetzlichen Anspruch verbunden wird. Früher hieß es mal: Wer bestellt, der auch bezahlt. Aber das scheint in der deutschen Politik mittlerweile völlig vergessen.

Dass andererseits ein finanziell stabiles Bundesland wie Sachsen die Betreuung in den Kindertagesstätten schon mit Summen zwischen 90 und 113 Millionen Euro deutlich verbessern könnte, zeigt die andere Seite des Eiertanzes: den Unwillen, auch nur die notwendigsten Verbesserungen durchzuführen, wenn der Finanzminister dazu keine Lust hat.
Der Personalschlüssel in KiTas < 3 Jahren als PDF zum download.

Der Personalschlüssel in KiTas ab 3 Jahren als PDF zum download.

Der Ländermonitor der Bertelsmannn Stiftung:
www.laendermonitor.de/laendermonitor/aktuell/index.html

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