Nach zwei Wochen direktem Protest im Rektorat der Universität Leipzig, informierten die RektorarsbesetzerInnen am Freitagmorgen, 11 Uhr, in einer Pressekonferenz über die Besetzung und über die Gespräche mit den beiden Prorektoren Prof. Dr. Thomas Lenk und Prof. Dr. Thomas Hofsäss. Am Montag, 14. Juli, hatte eine Gruppe Studierender das Rektorat der Universität Leipzig besetzt. Grund waren die angekündigten Stellenstreichungen und Institutsschließungen.

Für die Studierenden das “letztmögliche Mittel, um gehört zu werden”. Beate Schücking, die Rektorin der Universität, hatte sich nach der hitzigen Debatte am Morgen zu Beginn der Besetzung einem weiteren Dialog entzogen – doch auch die Gespräche mit den beiden Prorektoren verliefen aus Sicht der BesetzerInnen enttäuschend.

Das Rektorat treffe fortlaufend einsame Entscheidungen, die das Gesamtbild der Universität nachhaltig veränderten, über die Köpfe der Betroffenen hinweg und ohne inhaltliche Grundlage, so einer der Hauptvorwürfe der Studierenden gegenüber dem Rektorat.

“Das Rektorat verhindert eine öffentliche Strukturdiskussion, die diese Universität dringend benötigt”, so ein Besetzer. Auch während der Gespräche sei kein transparenter Dialog zustande gekommen. Im Zentrum stand die vorgesehene Schließung des Instituts Theaterwissenschaft.

Es sei zynisch, zu denken, erst durch die massiven Stellenkürzungen würde das Rektorat die Theaterwissenschaft “zukunftsfähig” machen und eine “Perspektive 2020” bieten. So eine Haltung verhindere eine konstruktive Debatte über die Zukunft des Instituts.

Die Gespräche hätten außerdem eine gefährliche Ignoranz des Rektorats gegenüber den Forschungs- und Lehrinhalten der betroffenen Institute offenbart, schätzen die BesetzerInnen ein, die sich den Kameras mit Masken im Pussy-Riot-Stil präsentierten.

“Die Entscheidungen des Rektorats, die über die Zukunft ganzer Institute richten, basieren auf erschreckender Unkenntnis. Weder inhaltlich noch strukturell geschah eine Auseinandersetzung mit der Theaterwissenschaft”, die Einschätzung der BesetzerInnen.
Ohnehin zeige sich das Rektorat nach eigenen Angaben überfordert, die Inhalte eines Fachbereiches zu evaluieren. So wurden die BesetzerInnen im Gespräch von Prorektor Lenk dazu aufgefordert, tragfähige Evaluierungskriterien für die Theaterwissenschaft zu benennen. Gleichzeitig gestehe der Prorektor damit massive Versäumnisse des Rektorates bei der Evaluierung der Studiengänge ein.

“Erst wird gekürzt, dann evaluiert”, bringen es die BesetzerInnen auf den Punkt.

Das Dilemma für die Universitätsleitung: Mit der Unterschrift unter das sogenannte “Hochschulfreiheitsgesetz” hat sie sich verpflichtet, die von Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer angewiesenen Stellenstreichungen umzusetzen, obwohl es dafür an der Uni Leipzig überhaupt keine Spielräume gibt. Auch wenn man teilweise kleine und winzige Institute auf die Streichliste gesetzt hat, bedeutet es jedes Mal den Verlust eines für Leipzig wichtigen und oft auch überregional wahrgenommenen Lehrfachs. Die Theaterwissenschaften gehören dazu.

Gleich am Freitag appellierte die Universitätsleitung deswegen ein weiteres Mal an die Landesregierung, die Stellenstreichungen zurückzunehmen.

Dass man beim Vorschlagen der jeweiligen Institute, die zur Streichung anstehen, weniger von einer echten Evaluation ausgeht als von der Frage, welche Streichung für die Gesamtuniversität den geringstmöglichen aktuellen Schaden bedeutet, macht die Sache nicht besser. Normalerweise würde – bevor überhaupt eine Art “Modernisierung” einer Hochschule ansteht – das gesamte Angebot evaluiert und dann vorgeschlagen, was man streichen könnte.

Doch dafür fehlen in Sachsen schlicht Zeit und Ressourcen. In Dresden sitzt ein ungeduldiger Finanzminister, der schlichtweg Meldungen zu umgesetzten Befehlen hören möchte.

Diese gewählte Reihenfolge entbehre jeglicher Logik, kritisieren die Studierenden. Letztlich machten die BesetzerInnen auch auf die größeren Zusammenhänge und Abhängigkeiten zwischen den Vorgaben der Landesregierung und den Handlungsspielräumen des Rektorats aufmerksam. Sie kritisierten, dass seit dem Beschluss der Landesregierung, 1.042 Stellen an Sachsens Universitäten zu kürzen, Land und Universität mit gegenseitigen Schuldzuweisungen einem konstruktiven Prozess entgegenwirkten. Vor den Landtagswahlen am 31. August würden bewusst öffentliche Diskussionen über die Zukunft der Universitäten verhindert: “Die Koalition und auch das Rektorat rütteln an den Grundfesten der Universität”, so ein Besetzer.

Nicht zuletzt legten die BesetzerInnen einen Forderungskatalog an das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) vor: Adressiert an die Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Sabine von Schorlemer, forderten die Studierenden die Rücknahme der 1.042 Stellenkürzungen an den Universitäten in Sachsen, wesentliche Korrekturen in der Bildungspolitik der CDU-FDP-Koalition, langfristige Stellen gegen die Prekarisierung des akademischen Nachwuchses sowie Fächervielfalt und hochschulpolitische Transparenz an den Universitäten. Wir freuen uns über Ihr Interesse.

Rückendeckung bekamen die Leipziger durch die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS).

“Der seit Monaten andauernde Protest der Studierenden bezieht sich auf die gesamte sächsische Hochschullandschaft, wie die hohe Teilnehmerzahl an der Großdemonstration ‘Kürzer geht’s nicht! Bildung braucht Zukunft’ als auch die hohe Beteiligung zur Mitzeichnung der Petition für Sachsens Wissenschaft zeigen”, erklärte am Freitag Adelheid Noack, Sprecherin der KSS. Die Forderung der Rücknahme des Stellenkürzungsbeschlusses sei nicht utopisch, denn auch die Landesrektorenkonferenz Sachsen habe unlängst Wissenschaftsministerin von Schorlemer aufgefordert, die freigewordenen Mittel des Studierenden-BAföG zur Finanzierung von Personalstellen an den Hochschulen zu nutzen.

“Ministerin von Schorlemer kann nicht einerseits bedauern, dass die Fächervielfalt stirbt und andererseits behaupten, dass diese Probleme in den Rektoraten verursacht werden”, so Noack. “Es ist unverhältnismäßig, den Finanzierungskorridor der Zuschussvereinbarung, der nur bis 2016 gilt, hervorzuheben. Den Hochschulen werden die BAföG-Mittel vorenthalten, das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst hat sich als unzuverlässiger Partner erwiesen.”
Die Forderungen als PDF zum download.

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