Es gab ja wieder Zeitungen, die das, was da am 19. Juni im Sächsischen Landtag diskutiert wurde, als "Wahlkampfgeplänkel" bezeichneten. Die Opposition nutze mal wieder ein "Reizthema (...) um politisch zu punkten", schrieb die LVZ. Wer Politik derart als Karneval beschreibt, der muss sich über politikmüde Wähler nicht wundern. Warum sollen sie noch wählen gehen, wenn alles nur Klamauk ist? - Dabei war das, was da zur Debatte stand, eben alles andere als "Wahlkampf".
Im Grunde standen gleich mehrere Ministerinnen und Minister in der Kritik. Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) musste sich deftige Kritik zum selbstorganisierten Lehrermangel anhören. Noch immer ist nicht klar, ob in allen Schulen Sachsens der Unterricht im September geordnet beginnen kann. Kurth hat jetzt zwar 185 zusätzliche Lehrer einstellen dürfen. Aber das reicht nach den ersten Nachrichten aus den Schulen bei weitem nicht. Die Ministerin teilte zur Verblüffung des Landtages sogar mit, dass sie das dafür nötige Geld nicht mal beim Finanzminister beantragen muss – sie hat die 11 Millionen im eigenen Budget gefunden. Just im Personalbudget, was im Grunde schon alles sagt: Denn diese Gelder werden allein schon durch die aktuellen Abgänge von Lehrerinnen und Lehrern in den Ruhestand frei. Was nach Adam Ries natürlich auch heißt: Kein einziger Lehrer wird ab September zusätzlich vorhanden sein. Die Neueinstellungen kompensieren bestenfalls die Altersabgänge 2014. Das war’s schon.
Die 4.000 Schüler mehr im nächsten Schuljahr werden also in die bestehenden Klassen und Schulen irgendwie hineingestopft. Verständlich, dass SPD, Linke und Grüne diese Art Politik als “Irrsinn” und “Flickschusterei” bezeichnen.
So nebenbei bekam natürlich auch Sachsens allmächtiger Finanzminister Georg Unland (CDU) sein Fett weg. Er ist es ja, der sämtliche Ministerien mit Spar- und Kürzungsplänen gängelt und an der Kandare hält, ohne dass dahinter ein durchdachtes Personalkonzept steht.
Dasselbe Thema dann auch bei den Hochschulen, für die zwar Sabine von Schorlemer (parteilos, von der CDU bestellt) als Ministerin verantwortlich ist. Aber auch sie drückt ein Sparkonzept durch, das mit der Realität an Sachsens Hochschulen nichts zu tun hat. Im Gegenteil: Mit ihrer Anweisung, 1.042 Stellen zu streichen, ruiniert sie die sächsische Hochschullandschaft, während der Ansturm der Studierwilligen weiter anhält.
“Sachsens Hochschulentwicklungsplanung muss schnellstens korrigiert werden”, forderte Holger Mann (SPD) am Donnerstag im Landtag. Als Begründung führte er unter anderem neue Prognosen zu steigenden Studierendenzahlen, die Entlastung des Landes von BAföG-Zahlungen und den Kompromiss der Großen Koalition zur Verteilung von frischen Wissenschaftsgeldern an. Er fordert, den Stellenabbau an Sachsens Hochschulen endlich zu stoppen. Die frei werdenden BAföG-Gelder, die die Staatsregierung in einen sogenannten Zukunftsfonds stecken will, würden dafür ausreichen. “Warum – zum Teufel – soll dieses Geld wieder in einen Fonds und nicht in die im Koalitionsvertrag vereinbarte Stärkung der Grundfinanzierung der Hochschulen fließen”, fragte Mann. “Das, was Sie hier vorhaben, ist, den Stellenabbau bei gestiegenen Studierendenzahlen durchziehen und gleichzeitig noch Geld vom Bund einkassieren.”
Die SPD wolle die vorhandenen Spielräume nutzen, um den Stellenabbau zu beenden und die Grundmittelausstattung der Hochschulen erhöhen, so Mann. Die Grundfinanzierung sollte von 6.350 Euro wenigstens auf den Bundesdurchschnitt von 6.830 Euro pro Studierendem und Jahr zur Verbesserung der Betreuungsrelationen und die Stärkung guter Lehre erhöht werden. Mann verwies darauf, dass die SPD Rückendeckung von den Betroffenen habe: “Die Landesrektorenkonferenz hat heute in einer Pressemitteilung unsere Forderung zur Rücknahme der Stellenkürzungen verstärkt. Am 25. Juni werden die Studierenden und Mitarbeiter zu tausenden unter dem Motto ‘Kürzer geht’s nicht!’ in Leipzig auf die Straße gehen.”
Genauso deutliche Worte gab es von Prof. Dr. Gerhard Besier, dem Hochschulsprecher der Linken, der darauf verwies, dass Sachsens Hochschulen schon seit Ende der 1990er Jahre unter Spar-Regime stehen. “Auf den gravierendsten Mangel rekurriert die SPD-Fraktion zu Recht: Die gewaltige Diskrepanz zwischen der Entwicklung der Studierendenzahlen und der zur Verfügung stehenden Grundfinanzierung, respektive den vorhandenen Stellenkapazitäten, muss Sachsen bei der Grundfinanzierung endlich anfangen, auf den Bundesdurchschnitt aufzuschließen. Spätestens seit der Ankündigung der zusätzlichen BAföG-Millionen darf das Stellenabbaudiktat nicht weiter exekutiert werden. Der Antrag fordert völlig zu Recht, dieses Geld dort einzusetzen, wofür es bestimmt ist, und auch die Studierendenwerke besser auszustatten”, sagte er in seiner Rede, in der er auch all die anderen Baustellen aufführte, in denen es aus dem Wissenschaftsministerium nur Versprechungen aber keine Ergebnisse gibt. Die Beschäftigtenverhältnisse an den Hochschulen hätten sich nicht – wie versprochen – verbessert, sondern weiter verschlechtert. Kooperationsvereinbarungen mit den Nachbarländern Sachsen-Anhalt und Thüringen? Nichts als Versprechungen und bestenfalls Prüfaufträge. Die “Hochschulentwicklungsplanung”? Ein Luftschloss. Eine gute Finanzausstattung der Studentenwerke? Fehlanzeige. Und mit dem “Hochschulfreiheitsgesetz” ist alles Mögliche gekommen, nur keine größere Autonomie für die Hochschulen.Dass Sachsens Politik nicht einmal mehr in Zukunftskategorien denkt, darauf ging dann Annekathrin Giegengack für die Grünen ein. Denn die Planungen des Wissenschaftsministeriums reichen über das aktuelle Jahr nicht hinaus. Visionen für die nächsten 10, 15 Jahre gibt es keine. Stattdessen klebt man noch immer an Zahlen von 2007.
“Welche Folgen es hat, wenn der einmal eingeschlagene Weg trotz sich verändernder Rahmenbedingungen einfach fortgeführt wird, kann man gut in der sächsischen Hochschullandschaft ausmachen”, sagte Giegengack. “Der im Jahr 2011 vorgelegte Hochschulentwicklungsplan ging von drastisch zurückgehenden Studienanfängerzahlen aus. Die Staatsregierung nahm das zum Anlass, den Hochschulen einen radikalen Stellenabbau zu verordnen. Bis 2015 sollen 300 Regelstellen an den Hochschulen abgebaut werden, bis 2020 stehen sogar bis zu 1.042 Stellen zur Debatte. Meine Fraktion hat bereits damals in einem eigenen Hochschulentwicklungsplan dafür plädiert, auf diese Stellenkürzungen zu verzichten und die so gewonnene demographische Rendite für die Verbesserung der Lehre einzusetzen. Nun sehen wir bereits das vierte Jahr in Folge das ganze Gegenteil von dem, was einmal vorhergesagt wurde. Die Studienanfängerzahlen verharren auf hohem Niveau, auch die Kultusministerkonferenz geht mittlerweile davon aus, dass die Studierendenzahlen selbst im Jahr 2025 noch über dem Niveau von 2010 liegen werden. Für Sachsen bedeutet dies eine gewaltige Chance wenn es darum geht, den Fachkräftebedarf zu decken, von der wissenschaftlichen Leistung unserer Hochschulen einmal ganz abgesehen. Aber dafür müssen wir auch die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Das ganze Gegenteil ist derzeit der Fall. Das Beharren auf den Stellenkürzungen führt dazu, dass bereits jetzt wichtigen Einrichtungen, wie z.B. dem pharmazeutischen Institut in Leipzig oder kleinen, sachsenweit einzigartigen, Fächern wie der Theaterwissenschaft die Schließung droht. Im Interesse eines ‘sachsenweit abgestimmten Fächerangebotes’, wie es der Hochschulentwicklungsplan vorsieht, geschieht das nicht, es fällt der Lehrstuhl weg, der entweder als nächstes frei wird oder bei dem es die meisten Stellen zu holen gibt.”
Demonstration in Leipzig am 25. Juni
Auch sie verwies auf die Großdemonstration am Mittwoch, 25. Juni, in Leipzig, bei der sich Studierende und Schüler zusammentun, um unter dem Motto “Kürzer geht’s nicht! – Bildung braucht Zukunft” gegen die doppelte Streich- und Kürzungspolitik der sächsischen Regierung zu demonstrieren. Die Demonstration beginnt um 13 Uhr auf dem Augustusplatz.
Das Motto dieser gemeinsamen Veranstaltung des LandesSchülerRates Sachsen (LSR Sachsen) und der “Konferenz Sächsischer Studierendenschaften” (KSS) verlangt die Rücknahme der Kürzungen im Hochschulbereich und fordert gleichzeitig mehr Investitionen in Bildung. Studenten, Schüler und Eltern haben gemeinsam an den Inhalten mitgewirkt.
Landesrektorenkonferenz Sachsen fordert: Mit BAFöG-Millionen Stellenabbau verhindern
Die Rektoren der sächsischen Hochschulen …
Falken: Staatsregierung bekommt Personalproblem im Lehrerbereich nicht in den Griff – Flickschusterei geht weiter
Es ist ein ganz amtlicher Witz …
Kürzungsrunde Nr. 3 an der Uni Leipzig: Jetzt droht auch für das Institut Wirtschaftspädagogik das Aus
Es gibt zwar Leute, die glauben …
“Bildung fängt nicht erst in der Hochschule an. Sie beginnt mit dem ersten Tag im Kindergarten, setzt sich fort mit der Zuckertüte und schließt die mittlere Reife oder das Abitur an. Deswegen braucht es Investitionen in das Schulnetz”, stellt der Landesschülerrat fest. “Die Schulträger brauchen mehr Unterstützung, für schnellere Sanierungen und den Ausbau von Kapazitäten. Die dünne Personaldecke bei Lehrern hat in den letzten Wochen für viel Wirbel gesorgt. Elternbescheide konnten nicht versandt werden. Herr Tillich sprach ein Machtwort und konnte die Situation über die Landtagswahl mit 185 Stellen retten. Dazu versprach man mindestens 1.000 neue Lehrer jedes Jahr. Bei anderthalbfach so großen Altersabgängen kann das allerdings nicht ausreichen. Trotzdem verspricht man ohne gesicherte Finanzierung von Schulsozialarbeit und einer auf Kante genähten Personalplanung bei Lehrern, die Senkung der Schulabbrecherquote. Auch hier braucht es ein klares Bekenntnis zu Ausgaben für mehr Personal. Für den LSR Sachsen ist Bildung Zukunft, doch ohne mehr Investitionen hat es Sachsen nicht verdient, mit sehr guten Ergebnissen in PISA-Studien zu glänzen.”
Der LSR-Vorsitzende Patrick Tanzer dazu: “Die Aufreger um benutzbare Toiletten in Leipzig und die zu dünne Personaldecke haben gezeigt, dass der Rotstift angesetzt ist. Das Finanzministerium streicht Stellen im Hochschulbereich, nimmt Zukunftsperspektiven für Schüler. Dazu verhindert man wichtige Investitionen. Und am Ende beschweren sich Arbeitgeber über unzureichend geschulte Absolventen aus Uni und Schule, Azubis ohne Grundlagenkenntnisse. Wer mündige Bürger und eine starke Entwicklung in Sachsen will, muss Geld in Studenten und Schüler stecken! Dazu braucht es mehr Personal, Investitionen in Infrastruktur und die Rücknahme von Streichungen. Deswegen setzen wir mit ein Zeichen: Herr Unland? – Kürzer geht’s nicht!”
Die Informationen zur Demo “Kürzer geht’s nicht”: www.lsr-sachsen.de
Der SPD-Antrag zur Hochschulpolitik: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=14600&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=201
Keine Kommentare bisher