So langsam greift er um sich, der Streichvirus an der Uni Leipzig. Das frustrierte Zähneknirschen der Betroffenen ist über Leipzig hinaus deutlich zu hören. Jetzt soll auch die Professur für spanische, lateinamerikanische, portugiesische und brasilianische Sprachwissenschaft, einschließlich zugeordneter Stellen, dem Rotstift aus Dresden zum Opfer fallen. Der L-IZ liegt dazu exklusiv ein Statement von Prof. Dr. Alfonso de Toro, dem Institutsdirektor, vor. Die Petition aus seinem Institur ist ein deutlicher Aufruf zum Widerstand.
“Jedes Jahr sollen circa 24 Stellen an der Universität Leipzig der Kürzungsguillotine zum Opfer fallen,” so der Direktor, und: “Eine große Zahl davon betrifft die Philologische Fakultät, bisher sind es circa 14 Stellen, aber es sollen weit mehr werden. Das Institut für Romanistik ist ebenfalls betroffen und in seiner Existenz stark gefährdet.” Das Rektorat der Universität Leipzig stehe unter einem enormen Druck, so de Toro, und scheine bei dieser vertrackten Situation kaum Spielraum zu haben, dem Spardiktat der Landesregierung zu entgehen.
De Toro weiter: “Gleichwohl hat das Rektorat einen ersten Entwurf vorgelegt, aus dem klar zu entnehmen ist, dass einige Institute, darunter die Romanistik, ein Institut, das in puncto Spitzenforschung und Lehre sowie Internationalisierung bestens dasteht, Stellen abgeben müssen.” Der Institutsdirektor nennt in diesem Zusammenhang drei Hauptbereiche, die schwer betroffen seien. So sei die Streichung der Professur für spanische, lateinamerikanische, portugiesische und brasilianische Sprachwissenschaft, einschließlich zugeordneter Stellen vorgesehen. Eine Professur aus einem anderen Institut soll eine Doppelmitgliedschaft mit Bezug auf die Romanistik bekommen und “anteilig” den Wegfall der Professur für spanische, lateinamerikanische, portugiesische und brasilianische Sprachwissenschaft ausgleichen.
Zum Zweiten sollen mit Perspektive 2016 die Professuren in der Romanistik von fünf auf vier reduziert werden. Zum Dritten soll die Professur für französische, frankophone und italienische Sprachwissenschaft ebenfalls eine Doppelmitgliedschaft in einem anderen Institut bekommen und dort “anteilig” die Lehre vertreten, was für das Institut für Romanistik de facto eine Reduktion auf dann 3,5 Professuren darstelle. Prof. de Toro dazu: “Das Institut für Romanistik lehnt alle drei Vorschläge seitens des Rektorats und die der sogenannten Doppelmitgliedschaften aufgrund der aktuellen Situation, erschöpfter Lehrkapazitäten und aufgrund unterschiedlicher wissenschaftlicher Standorte ab.”
Die Leipziger Romanistik stehe, so de Toro, in den Bereichen Forschung, Internationalisierung und Vernetzung bestens da und könne zudem auf eine permanent wachsende Auslastung verweisen, die zur Zeit bei 76,8 Prozent liege. Derzeit seien 333 Spanisch- und 97 Portugiesisch-Studierende in den neuen Studiengängen eingeschrieben, bei insgesamt 1.034 Studierenden. Dennoch solle die oben genannte Professur aufgrund ihrer Vakanz gestrichen werden.
De Toro begründet die Ablehnung unter anderem damit: “Die fünf am Institut für Romanistik vorhandenen Professuren stellen die Mindestgröße für ein solches Institut an deutschen Universitäten dar. Die Professur für spanische, lateinamerikanische, portugiesische und brasilianische Sprachwissenschaft ist unverzichtbar, weil sie eine zentrale Professur in der deutschen Romanistik darstellt und vier große Sprachregionen umfasst, wobei Lateinamerika als Kontinent zahlreiche Sprachvarietäten aufweist. Das Institut kann auf das volle romanistische Profil ebenso wenig verzichten wie auf das vollumfängliche romanistisch-spezifische Lehrdeputat.” Daher sei die Streichung dieser Professur weder quantitativ noch inhaltlich durch einen schwer vorstellbaren anteiligen Lehrtransfer aus einem fremden Institut zu kompensieren. Darüber hinaus gebe es gravierende Konsequenzen, die eine derartige Streichung nach sich zöge: Nach der Schließung der Romanistik in Chemnitz und der Schließung der Hispanistik an der Universität Dresden würden die Romanistik im Allgemeinen und die Hispanistik, insbesondere in Sachsen, aber auch auf Bundesebene, weiter und empfindlich geschwächt.
Damit werde außerdem riskiert, dass der Status der an der Universität Leipzig angesiedelten Romanistik, darunter die Hispanistik im Verbund mit der Lusitanistik und der Brasilianistik, als regional und bundesweit wichtiger Standort nachhaltig beschädigt werde und unter Umständen definitiv verloren ginge, das gelte in besonderem Maße für das Lehramtsfach Spanisch. Betroffen wäre letztlich auch die Professur Literaturwissenschaft und Kulturstudien, Nachfolge de Toro, denn ohne Sprachwissenschaft und Sprachvermittlung könnten Literaturwissenschaft und Kulturstudien in diesen Bereichen wohl kaum in angemessener Form angeboten und betrieben werden. Durch den erzwungenen Lehrtransfer der Professur für französische, frankophone und italienische Sprachwissenschaft und durch den Wegfall der Französistik bei der Professur für Literaturwissenschaft und Kulturstudien Hispanistik/Lusitanistik würde das Profil und der Standort der Leipziger Romanistik als eigenständige Disziplin beschädigt und sei langfristig nicht lebensfähig.
Deshalb, so der Institutsdirektor, richte man folgende Petition an das Rektorat:
“Es ist allen bewusst, dass das Rektorat Stellen abgeben muss und dabei eine schwierige Aufgabe zu bewältigen hat, aber die Art und Weise ist äußerst problematisch und zum Nachteil für das Erreichte. Das Konzept beschränkt sich bisher auf Streichungen von vakanten Professuren und trägt zur Schwächung der sehr gut profilierten Romanistik bei. Hier verspielt man Standortvorteile. Das Institut für Romanistik kann auf der Basis des vom Rektorat vorgeschlagenen Konzepts als eigenständige Einrichtung nicht weiter bestehen und in keiner Weise Lehre und Forschung im Sinne einer grundständigen Spitzenforschung und -lehre weiter betrieben.
Das Institut für Romanistik verlangt deshalb mit Nachdruck vom Rektorat, die Streichung von Stellen und Kompetenzen sowie den “verordneten” Lehrtransfer rückgängig zu machen, die zu Lasten der Leipziger Romanistik als einem bundesweit und international anerkannten Standort und damit zugleich zu Lasten der Standorte Leipzig und Sachsen gehen.
Das Institut für Romanistik bittet das Rektorat nachdrücklich darum, die Last der Streichungen anders zu verteilen, damit sie auf keinen Fall zu einer existenziellen Gefährdung einzelner Einrichtungen führt, wie im Falle der Romanistik. Die großen romanistischen Lehramtsfächer wären in ihrem Fortbestand höchst gefährdet.
Das Institut für Romanistik bittet das Rektorat, eine klare Empfehlung an die Fakultät auszusprechen, die Professur für Literaturwissenschaft und Kulturstudien Hispanistik/Lusitanistik mit dem expliziten Zusatz “mit Berücksichtigung der Frankophonie” auszuschreiben, da es sich um eine Kernprofessur der deutschen und Leipziger Romanistik handelt.
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Das Institut für Romanistik bittet das Rektorat der Universität Leipzig, der Landesregierung die negativen Konsequenzen der Stellenstreichungen für den Standort Sachsen vorzutragen. Politisch sei zu fragen, wie eine Landesregierung mit ihren Forschungsstandorten umgehe. “Ist der Landesregierung bewusst, dass sie mit diesem Streichungswahn die Leipziger Universität in ihrer Konkurrenzfähigkeit in der der Region, zum Beispiel im Rahmen des Universitätsverbunds Jena-Halle-Leipzig, aber auch bundesweit und international, nachhaltig und unwiderruflich beschädigt? Zu kritisieren ist, dass Institute und Fakultäten kein Mitspracherecht mehr haben, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Ein derartig autoritäres und autokratisches Verhalten, das sich fast nur noch im Bildungswesen findet, ist politisch hochgradig anachronistisch in einer Zeit, in der eine starke Bürgerbeteiligung in zentralen Fragen des Zusammenlebens und -wirkens gefragt ist und sogar über Regierungsbildungen in Deutschland entscheidet.
Die Landesregierung schwächt nicht nur die Universität Leipzig als wissenschaftliche Stätte. Diese Streichungsorgie wirkt sich auch auf die lokale Wirtschaft aus: Schließlich ist die Universität Leipzig nicht nur einer der größten Arbeitgeber der Stadt und damit ein Wirtschaftsfaktor, sondern nimmt auch zahlreiche Serviceleistungen verschiedenster Art in der Stadt in Anspruch. Die Landesregierung ist dabei, in diesem Streichungsgemetzel all das zu zerstören, was wir seit 1992 mühsam gemeinsam aufgebaut haben. Man kann mit Grund stolz auf das Erreichte sein, auch wenn noch eine sehr große Strecke bis zur Exzellenz zurückzulegen ist. Die Landesregierung sollte sich fragen, ob es bei strukturellen Maßnahmen und bei der sogenannten “Neuordnung der Wissenschaftslandschaft in Sachsen” konsequent ist, dass an der TU Dresden immer noch Lehramtsfächer, etwa in der Romanistik, beibehalten werden, obwohl Leipzig längst als der Standort für Lehramt bestimmt worden ist.
Diese Streichungspolitik ist konzeptionslos, richtet sich nach irreführenden Zahlen und stellt kein Strukturkonzept, geschweige denn eine “Neuordnung der Wissenschaftslandschaft in Sachsen” dar. Aber mit diesem Anspruch sei Frau Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst Sabine von Schorlemer angetreten.
Wörtlich heißt es in der Petition weiter: “Wir fordern die sofortige Rücknahme aller Stellenstreichungen und empfehlen, sich stattdessen rasch und ernsthaft mit Strukturüberlegungen zu befassen, die diesen Namen verdienen, und so Konzepte zu entwickeln, die neue Synergien auf der Basis von Pragmatismus und wissenschaftlicher Exzellenz ermöglichen. Wir möchten deshalb hier zum Widerstand und zur Verteidigung des Standorts Sachsen und Leipzig als Wissenschaftsstätte und als gefragter Wissenschaftsstandort für die geisteswissenschaftlichen Fakultäten, ganz speziell für die Philologische Fakultät und für die Romanistik, aufrufen.”
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