Uns fehlt die Zeit nicht. Also muss sie jemandem anderen fehlen. Jemandem, der möchte, dass wir dort schnell und oberflächlich darüber- und hinüberschauen? Um das Nächste aufnehmen zu können. Uns fehlt sie nicht. Wem fehlt sie? Harry Haller? Dieser Steppenwolf ist ein Fallensteller, ein Stolperstein der Zeit. Einer, der uns vor Selbstzufriedenheit und -betrug, vor dem Schmerz einer Leere, welche unbedingt immer und schnell gefüllt werden (muss?), warnt.

Vor dem Normalen, Durchschnittlichen. Hinter die Fassade der zur Schau gestellten Toleranz blickt. Einer Toleranz, die alles Menschliche privatisiert und Bedrohungen kollektiviert. Was sagen wir? “Ein interessantes Buch. Schon beachtlich, was Hesse das zustande gebracht hat. 1927. Das waren auch andere Zeiten.”

Zeiten und Zeit. Letztere nehmen wir uns nicht. Stattdessen leben auch wir einfach drauflos, wie Dürrenmatt schrieb. Warten, bis alles irgendwie irgendwann anders wird. “Wir schauen den Schmerz nicht, scheuen ihn, weil er sonst unerträglich werden könnte”, würde Harry Haller sagen. Hat man als Einzelner eine Chance, dagegen zu sein? Und welchen Schmerz meint Hesse alias Haller?

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Es begann mit einem Gespräch zwischen …

Unüberschaubar scheint die Welt. Klarheit setzt Wahrheit voraus. Denen sich zu stellen, würde bedeuten, u. a. die Reise ins Ich zu riskieren. In die “Dark side oft he moon”. Weiter im Hessetext …

“Es brennt alsdann in mir eine wilde Begierde nach starken Gefühlen, nach Sensationen, eine Wut auf dies abgetönte, flache, normierte und sterilisierte Leben und eine rasende Lust, irgend etwas kaputt zu schlagen, etwa ein Warenhaus oder eine Kathedrale oder mich selbst, verwegene Dummheiten zu begehen, ein paar verehrten Götzen die Perücken abzureißen, ein paar rebellische Schulbuben mit der ersehnten Fahrkarte nach Hamburg auszurüsten, ein kleines Mädchen zu verführen oder einigen Vertretern der bürgerlichen Weltordnung das Gesicht ins Genick zu drehen. Denn dies haßte, verabscheute und verfluchte ich von allem doch am innigsten: diese Zufriedenheit, diese Gesundheit, Behaglichkeit, diesen gepflegten Optimismus des Bürgers, diese fette gedeihliche Zucht des Mittelmäßigen, Normalen, Durchschnittlichen.” (Auszug 2: Der Steppenwolf, 53. Auflage, Suhrkamp Taschenbuch, S. 35-36)

Das ist unverständlich in Zeiten notwendiger Mitmenschlichkeit und Klarheit. In Zeiten gewachsener Ängste, selbst zum Steppenwolf und verurteilt zu werden. Und das schmerzt auch. “Es ist eine Dichtung gegenbürgerlichen Mutes.” schrieb Kurt Pinthus bereits 1927. Selbst Schriftsteller und Journalist.

Das ist der Schmerz. Unser Risiko. Unsere Angst. Unsere Erziehung zur Selbstverantwortung sollten wir also zuallererst in der Schule lernen. Aber auch Selbstzweifel und gesellschaftlich bedachtes Anderssein leben zu können und vor allem – leben zu lassen. Als Notwendigkeit reflektierter Selbstvervollkommnung zu entdecken. Um selbst Vorbild sein zu können. Wie Harry Haller. Jemand, der abseits stehend hinweist. Am Wegesrand steht. Bildlich gedacht. (Dafür habe ich mir Zeit gelassen.)

Warum lesen wir den “Steppenwolf” nicht mehr?

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