Trotz, Widerstand, Kampfeslust und Entschlossenheit prägten die Atmosphäre während der Pressekonferenz zu der das Institut für Theaterwissenschaften eingeladen hatte. Grund: Die hinlänglich bekannten Kürzungspläne an der Uni aufgrund des Spardruckes aus Dresden.
Zu Beginn äußerte der geschäftsführende Direktor des Institutes, Günter Heeg, scharfe Kritik an der Unileitung: “Wir waren von der Entscheidung völlig überrascht und unvorbereitet. Man hat vorab nicht mit uns gesprochen und bis jetzt hält man sich von Seiten des Rektorats immer noch bedeckt. Kein Kontakt, keine Reaktion.”
Offenbar habe man angesichts einiger auslaufender Verträge von Professoren gedacht, dass das Institut gerade recht komme, um den Rotstift anzusetzen. Der im Herbst anstehende 20. Geburtstag des Institutes bekommt so einen mehr als bitteren Beigeschmack. Auch gegen die Behauptung, dass es sich bei den Theaterwissenschaften um ein sogenanntes Orchideenfach handele, wehrte man sich auf Seiten des Institutes vehement. Im Gegenteil, so Heeg, handele es sich dabei um eine der Schlüsselwissenschaften innerhalb der Theaterdisziplinen. Absolventen dieser Fachrichtung seien im Berufsleben durchaus gefragt und hätten keine Probleme, später einen Job zu finden. Das habe eine Umfrage unter den Absolventen erwiesen.
Auch wehre man sich gegen Versuche des Rektorats, die Hochschule für Musik und Theater und das Institutes gegeneinander auszuspielen. Im Gegenteil gäbe es weder Konkurrenz noch Rivalität sondern eine Atmosphäre der Ergänzung. Über Unterstützung braucht sich das Institut indessen nicht zu beklagen. Der Geschäftsführer: “Das Gegenteil ist der Fall, wir werden geradezu überrollt von einer Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität, so dass wir kaum noch mit der Beantwortung von Hilfsangeboten und Anfragen hinterherkommen. Das gilt es jetzt zu organisieren.”
Solidarität gab es auch vom Theaterdachverband, der Gesellschaft für Theaterwissenschaften. Deren Vertreter Gerald Siegmund betonte, dass mit der möglichen Schließung des Institutes in Leipzig zehn Prozent der Theaterwissenschaften in Deutschland verloren gingen: “Es ist im Übrigen fahrlässig, die Theaterwissenschaft als ein Orchideenfach zu bezeichnen, womit ich mich mit Herrn Heeg solidarisch zeige. Ohne die Theaterwissenschaften drohen wir den Blick auf die Gesellschaft zu verlieren.”
Die Theaterwissenschaftlerin Prof. Gerda Baumbach sprach von einer Harlekinade des Rektorats was den Umgang mit ihrem Institut betreffe. Das könne sie sich nur damit erklären, dass man unter dem ungeheuren Druck des Sparzwanges aus Dresden stehe, gegen den man sich nicht anders zu wehren wisse. Dazu meinte sie augenzwinkernd: “Vielleicht hat man ausgerechnet uns ausgesucht, weil man weiß, dass wir zu kämpfen wissen und soviel Solidarität erfahren.”
Genau dies bewies am selben Tag auch das Theater der Jungen Welt in Person seines Intendanten Jürgen Zielinski: “Das ist ein Doppelschlag. Zum einen gegen die gesamte theaterwissenschaftliche Landschaft im deutschsprachigen Raum. Zum anderen gegen unser Theater. Denn das Institut für Theaterwissenschaft und uns verbindet seit Jahren eine für beide Seiten enorm bereichernde Zusammenarbeit.” Eine Schließung würde nicht nur dem Profil der Universität schaden, sondern auch Leipzig als Theaterstadt und als Ort schwächen, an dem viel und auf hohem Niveau darüber gestritten wird, was Theater heute bedeutet. Jürgen Zielinski: “Ich möchte daran erinnern, dass viele hochqualifizierte Absolventen der Theaterwissenschaft in den Kulturbetrieben der Stadt tätig sind – im Theater der Jungen Welt auch in Leitungsfunktionen – und dort ihren Beitrag dazu leisten, dass die Betriebe auf hohem künstlerischen Niveau arbeiten können.”
Die Vitalität Leipzigs als Theaterstadt mit zwei städtischen Sprechtheatern, einem mehrspartigen Musiktheater und einer im Vergleich mit anderen Städten einzigartigen Freien Szene ist eng mit der Existenz eines theaterwissenschaftlichen Instituts verknüpft. Die Feststellung von Universitätsrektorin Beate Schücking, die Hochschule für Musik und Theater “Felix Mendelssohn Bartholdy” Leipzig könne mit ihrem Studiengang Dramaturgie den Wegfall des Instituts kompensieren, hält das Theater der Jungen Welt für falsch.
Jürgen Zielinski: “Die Ausbildung an beiden Einrichtungen unterscheidet sich grundsätzlich voneinander.” Das TdJW und das Institut für Theaterwissenschaft kooperieren seit zehn Jahren erfolgreich und gewinnbringend miteinander. Unterstützung kommt auch vom Leipziger Off-Theater, wo man sich vehement gegen die Pläne des Rektorats ausspricht: “Das geisteswissenschaftliche Profil der Universität Leipzig wird vom Rektorat mehr und mehr infrage gestellt und sukzessive aufgelöst. Nicht das Land Sachsen fordert die Schließung des Institutes, sondern die Universität Leipzig trifft selbstständig die Entscheidung im Rahmen ihrer universitären Selbstverwaltung. Damit stellt sie sowohl die bedeutende Geschichte der Leipziger Theaterwissenschaft als auch die Theatergeschichte Sachsens selbst infrage.”
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Die Besonderheit des Leipziger Theaterwissenschaftsinstituts bestehe vor allem in der enorm breiten thematischen Ausrichtung, in der sich sowohl ältere als auch jüngere Theaterhistorie abbilde. Nicht nur Schauspiel, sondern auch Tanz und Performance sowie künstlerische Hybride werden untersucht. Es bringe Studierenden neue Theaterformen nahe und wecke Verständnis für Theater im Allgemeinen. “Unzählige Theaterwissenschaftler prägen das Profil der Kulturstadt Leipzig als Produzenten und Rezipienten. Das Institut für Theaterwissenschaft leistet einen unersetzlichen Beitrag zur Theaterstadt Leipzig und dem Theaterland Sachsen und muss daher bestehen bleiben! Als das freie Theater in Leipzig ist das LOFFT angewiesen auf ein universitäres Theaterwissenschaftsinstitut, das aktuelle Theaterentwicklungen reflektiert und historisch verortet, das auch Chronist von Tendenzen dieser Stadt ist und sie in Beziehung zu nationalen und internationalen Entwicklungen setzt.”
Im Gegenteil fordere man einen Ausbau der Leipziger Theaterwissenschaft. Die Theaterwissenschaft müsse stärker mit anderen Forschungsrichtungen sowie mit Leipziger Kultur- und Kreativeinrichtungen vernetzt werden. Neben der anerkannt hohen Forschungsleistung müsse die Leipziger Theaterwissenschaft eine höhere Praxisorientierung erhalten. Eine noch stärkere Vernetzung mit der Leipziger Kultur- und Kreativszene sei nötig, damit die Relevanz des Instituts für die Öffentlichkeit und die Studierenden weiter steige. In diesem Zusammenhang biete man dem Institut unentgeltlich ein Praxiseminar zum Thema “Theater machen” in den kommenden Semestern an.
Sebastian Göschel vom Team des Lofft: “Wir wollen die Notsituation der Leipziger Theaterwissenschaft zum Anlass nehmen, zu diskutieren, weiterzudenken und sich weiter zu entwickeln: Nehmen wir es als Anlass, über Theater und seine Bedeutung und Geltung zu reden, vor allem in unserer Stadt. Nehmen wir es zum Anlass, über das Diktat der sogenannten Marktlogik für die universitäre Bildung, Forschung und Wissenschaft und die Theater zu reden. Nehmen wir es zum Anlass, über die Entwicklung der Leipziger Theaterwissenschaft selbst zu reden. Nehmen wir es zum Anlass, auch darüber zu reden, in welcher Stadt wir leben wollen.”
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