Im Dezember diskutierte der Sächsische Landtag über die freien Schulen im Land. Ein neues Schulgesetz muss her - das alte, mit dem die Regierungskoalition von CDU und FDP den freien Schulen das Leben erschweren wollte, hielt vor dem Verfassungsgericht nicht stand, war auch nicht verfassungskonform. Mit gesetzlicher Benachteiligung kann man eine Entwicklung nicht aufhalten, die im Prinzip gewollt ist.

Und die schon gleich 1990 begann. Die Schaffung einer vielfältigen Bildungslandschaft neben der staatlichen war auch eine Reaktion auf das reglementierte DDR-Bildungssystem. Doch 2013 hat die Sächsische Staatsregierung auf einmal ein Problem entdeckt: Während die Zahl der staatlichen Schulen seit über 10 Jahren rückläufig ist, werden immer neue Freie Schulen gegründet. Und das vor allem in jenen ländlichen Räumen, in denen den sächsischen Bildungspolitikern nichts anderes einfällt, als Schulen, die die staatlich vorgegebenen Anmeldezahlen nicht erreichen, die Mitwirkung zu entziehen.

Trotz des verkündeten “Schulschließungsmoratoriums”, das immer dann nicht gilt, wenn es wirklich um bedrohte Schulen geht. Und während Kommunen, Landkreise, Lehrer, Eltern und Schüler gemeinsam alles versuchen, die “Schule im Dorf” zu retten, fiel den sächsischen Regierungsparteien nichts Vernünftigeres ein, als die Gründungsbedingungen für Freie Schulen drastisch zu verschärfen.

Dass sie damit gegenüber den staatlichen Schulen sichtbar schlechter gestellt wurden, fand dann vor dem Sächsischen Verfassungsgericht keine Akzeptanz. Das novellierte Gesetz muss dringend novelliert werden. Bis Ende 2015 hat der Landtag dazu Zeit. Aber die Regierungsparteien haben auch im Dezember wieder gebremst. Lothar Bienst, der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, formulierte die Herausforderung dann so: “Wir müssen noch in dieser Legislaturperiode eine Übergangsregelung zur Unterstützung der freien Schulen im Freistaat finden. Außerdem ist es nun wichtig, die Änderung des Gesetzes für Schulen in freier Trägerschaft gründlich vorzubereiten, um die nötige Rechtssicherheit zu schaffen und für Planungssicherheit bei den privaten Schulträgern zu sorgen. Eine Änderung des Privatschulgesetzes noch in dieser Legislaturperiode halte ich deshalb für unrealistisch.”Die Zahlen zur Geschichte lieferte am 6. Januar das Statistische Landesamt.

“Im Schuljahr 2013/14 lernen in Sachsen 335.866 Schülerinnen und Schüler an 1.474 allgemeinbildenden Schulen in öffentlicher und in freier Trägerschaft. Damit stieg die Schülerzahl an den allgemeinbildenden Schulen um 7.835 bzw. 2,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr weiter an. An den 1.279 öffentlichen allgemeinbildenden Schulen lernen 90,6 Prozent (304.355) aller Schüler. 9,4 Prozent (31.511) der Schüler werden an den 195 Schulen in freier Trägerschaft unterrichtet. Im Vorjahr betrug dieser Anteil 9,0 Prozent.”

Heißt im Klartext: Der Anteil von Schülern, die an Freien Schulen lernen, steigt seit Jahren. Und das eben nicht, weil die Freien Schulen irgendeine große Werbeaktion gestartet haben, sondern weil – oft genug verzweifelte Eltern – selbst eine Schulgründung initiiert haben. In dem Jahr, das das Statistische Landesamt hier beleuchtet, waren es genau zwei neu gegründete Grundschulen, was allein die Zahl der Kinder, die an Freien Grundschulen unterrichtet wurden, von 8.730 auf 9.092 steigen ließ.

Parallel dazu brachte es der Freistaat selbst fertig, von 2012 zu 2013 ganze neun Grundschulen zu schließen. Und das bei steigender Schülerzahl. Auch in den staatlichen Grundschulen stieg die Schülerzahl in diesem Jahr von 124.235 auf 126.464. Das Problem, das der Freistaat aber hat, ist die Verschiebung durch die demografische Entwicklung. Die steigenden Schülerzahlen kommen vor allem in den drei Großstädten zustande, die jetzt verzweifelt (wie Leipzig) versuchen, neue Schulgebäude aus dem Boden zu stampfen.

In den ländlichen Regionen aber werden – im Gefolge der Abwanderung vor allem der jungen Familien – die staatlichen Mindestanmeldezahlen immer häufiger nicht erreicht. Im neuen Schulgesetz sollen jetzt zwar neue Formen auch der kommunenübergreifenden Kooperation erprobt werden. Aber nach wirklich einfachen Lösungen für die “Schule im Dorf” sieht das nicht aus.

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Auch in den anderen Schulformen stiegen die Schülerzahlen. Einzige Ausnahme: die Förderschulen. Nach langen Jahren der Diskussion haben die sächsischen Bildungsverantwortlichen endlich das Thema Inklusion ernster genommen und schieben die Kinder mit allerhand Einschulungsproblemen nicht von vornherein in die Förderschulen ab.

Die Freien Schulen sind aber auch in den Kategorien Gymnasium und Oberschule auf der Erfolgsspur. Bei den Oberschülern konnten sie ihren Anteil binnen Jahresfrist von 9,1 auf 9,5 Prozent steigern, bei den Gymnasiasten von 10,8 auf 11,3 Prozent. Und auch hier liegt die Vermutung nahe, dass das weniger mit besonderen Qualitäten dieser Schulen zu tun hat (auch wenn die bei etlichen Freien Schulen unbestreitbar sind), dafür mehr mit der Tatsache, dass in ihrem Umfeld in der jüngeren Vergangenheit staatliche Ober-/Mittelschulen bzw. Gymnasien geschlossen worden sind.

Es geht nicht darum, wie Bienst meinte, den Freien Schulen “Rechtssicherheit zu schaffen und für Planungssicherheit” zu sorgen – beides hat Schwarz/Gelb mit seiner Novelle des Privatschulgesetzes ja erst torpediert. Es geht um wirklich vernünftige Visionen für eine flächendeckend lückenlose Schulversorgung in Sachsen, die die Freien Schulen ganz selbstverständlich mit einbezieht und nicht als Fremdkörper betrachtet.

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