Nach dem Urteil bleibt alles, wie es ist. Zumindest bis Dezember 2015. Erst dann muss die sächsische Landesregierung den Richterspruch des sächsischen Verfassungsgerichtshofs umsetzen, welcher vorsieht, dass alle Eltern die Gebühren erstattet bekommen, wenn sie ihre Kinder auf eine freie Schule schicken. Damit hatte das Gericht die Regierung an die Lernmittelfreiheit in der sächsischen Verfassung erinnert.
Der bildungspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Lothar Bienst, sagt: “Die CDU-Landtagsfraktion bekennt sich nach wie vor für ein gerechtes Nebeneinander von öffentlichen und freien Schulen.”
Dass sich die CDU “nach wie vor” zu den freien Schulen bekennt, mag manch einem Schulleiter, der die wegfallende Finanzierung in den vergangenen Jahren krampfhaft mit Spenden zu überbrücken versucht hat, fast schon zynisch vorkommen. Schließlich hatte die Regierung genau dies nicht getan. Für den Doppelhaushalt 2011/12 hatte sie, wie es bis dato war, den Ersatz des Schulgelds für sozial schwache Familien gestrichen.
Dazu erklärt Norbert Bläsner, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag: “Wir müssen uns ehrlich eingestehen, dass der damals geschlossene Kompromiss, um den vom damaligen Kultusminister Roland Wöller geplanten Kahlschlag bei freien Schulen zu verhindern, kein guter war. Dieser hatte im Regierungsentwurf des Doppelhaushalts 2011/2012 insgesamt 14,9 Millionen Euro streichen wollen, was die Koalitionsfraktionen eilends verhindern mussten.”
Was er nicht erwähnt, ist, dass diesem Kompromiss ein regelrechter Aufschrei der Freien Schulen und ihrer Unterstützter vorangegangen war. Schließlich ging man darauf zurück, eine Übergangsfrist einzubauen und bereits eingeschulten Jungen und Mädchen aus sozial schwachen Familien das Schulgeld weiter zu ersetzen. Doch im Kleingedruckten fand sich schließlich der nächste Haken: Dies galt nur bis zum Ende der jeweiligen Schulform, so dass die Erstklässler von damals, welche nun in der vierten Klasse sein dürften, nicht im kommenden Jahr auf den Regelschul- oder Gymnasiumszweig ihrer freien Schule wechseln könnten.
Auch vergessen die beiden Sprecher zu erwähnen, dass der juristische Dienst des Landtags auch ihren Kompromiss schon damals für verfassungswidrig erklärte. Es war also abzusehen, dass SPD, Grüne und Linke mit ihrem Antrag großen Erfolg haben würden. Und der Erfolg ist überwältigend: Das Gericht stellte nämlich klar, dass nicht nur sozial schwachen Eltern das Schulgeld ersetzt werden muss, sondern allen.
So fordert nun der Vorsitzende des sächsischen Landesschülerrates, Patrick Tanzer, dass die Schulgeldübernahme neu geregelt wird. “Schüler aus finanziell schwächeren Familien sollten ebenso die Möglichkeit der freien Schulwahl haben”, so Tanzer. Schließlich ist die freie Schulwahl ein Grundrecht und darf nicht ans Portemonnaie der Eltern gekoppelt sein.
Annekathrin Giegengack, bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, geht ins Detail: “Das Verfassungsgericht hat unsere Normenkontrollklage in allen Punkten als begründet erachtet. Mit der Sächsischen Verfassung unvereinbar sind demnach sowohl der Umfang der laufenden Zuschüsse, die Nicht-Erstattung von Schul- und Lernmittelgeld, die Verlängerung der Wartefrist ohne finanziellen Ausgleich als auch die Kopplung der Zuschusshöhe an die für öffentliche Schulen geltenden Mindestschülerzahlen. Das Gericht revidierte damit seine frühere Entscheidung und setzte neue Maßstäbe in der Finanzierung des Ersatzschulwesens.”
Die Freude bei den Klägern ist begründet, doch der Wermutstropfen der langen Frist bis Ende Dezember 2015 bleibt erhalten. Die große Frage ist, wie schnell sich CDU und FDP bewegen werden und ob sie es überhaupt tun. Anlass für wenig Hoffnung gibt die Äußerung von CDU-Sprecher Lothar Bienst: “Bewusst warten wir nun das Urteil mit der ausführlichen Begründung vom Sächsischen Verfassungsgerichtshof ab. Wir können den Schulen, den Schülern und den Eltern zusichern, dass freie Schulen auch in Zukunft die Bildungslandschaft in Sachsen flächendeckend bereichern werden. Denn freie Schulen sind für uns nach wie vor ein wertvoller Bestandteil unseres Bildungssystems.”
Die FDP dazu: “Theoretisch hätte der Landtag bis Ende 2015 Zeit für eine Neuregelung. Praktisch sollten wir alles tun, um den freien Schulen rasch eine sichere neue Finanzierung zu schaffen. Wobei ‘schnellstmöglich’ keinesfalls ‘überhastet’ bedeuten darf. Die neue Finanzierung muss in engster Zusammenarbeit mit den freien Schulen geschehen”, sagt ihr Bildungs-Sprecher Norbert Bläsner. Immerhin stehe man bereit, “bereits in dieser Legislaturperiode zügig mit der Arbeit daran zu beginnen.”
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Sachsens Kultusministerin Brunhild Kurth (parteilos) dagegen hatte am Tag der Urteilsverkündung noch gesagt, die Überarbeitung des Privatschulgesetzes sei in dieser Legislaturperiode “höchstwahrscheinlich” nicht mehr zu machen.
Eva-Maria Stange, Bildungs-Sprecherin der SPD im Landtag, hält dagegen: “Es gibt keinen Grund, damit auf die Zeit nach den Landtagswahlen 2014 zu verweisen.”
Es sieht also so aus, als müssten die Freien Schulen und ihre Unterstützer weiter Druck auf die Regierung ausüben, damit diese eine gesetzliche Neuregelung nicht immer weiter verschiebt oder gar die Frist des Verfassungsgerichtshofes verstreichen lässt.
Das scheint auch den Grünen klar zu sein. Deshalb laden Sie am Dienstag, 19. November 2013, zu einer Diskussion ein, mit dem Titel: “Freie Schulen – Wie weiter nach dem Urteil?” Es diskutieren Annekathrin Giegengack, Elke Urban – eine Vertreterin der Freien Schulen – und Gregor Gebauer vom Stadtelternrat Leipzig. Ort: Schulmuseum Leipzig, Goerdelerring 20, Uhrzeit: 19 – 21:30 Uhr.
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