Seit 18.11.2012 ist das Gesetz über die Freiheit der Hochschulen im Freistaat Sachsen (Sächsisches Hochschulfreiheitsgesetz - SächsHSFG) in Kraft. Die SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag hatte den Juristischen Dienst im Frühjahr 2013 um eine Prüfung des SächsHSFG zur Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht gebeten und am 2. September auch ein Gutachten erhalten.

Dies sieht insbesondere bei der Erhebung von Langzeitstudiengebühren, der ausschließlichen Übertragung von Lehrtätigkeit auf Hochschullehrer/innen bzw. Honorarprofessor/innen (Lehrprofessur) und den Schadensersatzregelungen für Mitglieder der Hochschulräte verfassungsrechtliche Bedenken.

Darüber hinaus gibt es weitere kritische Punkte in Hinblick auf die zu schließenden Zielvereinbarungen, die Erhebung von Studiengebühren für Nicht-EU-Studierende und die Verfasste Studierendenschaft.

Am 30. September nun lehnte die CDU/FDP-Mehrheit im Wissenschaftsausschuss einen Antrag der SPD auf Selbstbefassung ab. Ein solcher Antrag auf Selbstbefassung ist laut Geschäftsordnung des Landtags notwendig, um über Gegenstände, die keine Drucksachennummer besitzen, im Ausschuss sprechen zu können – dazu gehören auch Gutachten. Heißt also im Klartext: Die Mehrheit aus CDU und FDP wollte nicht zur Kenntnis nehmen, was der Juristische Dienst an ihrem zusammengeschusterten “Hochschulfreiheitsgesetz” als dringend reparaturbedürftig befand.

Zwar kommt der Juristische Dienst zu dem Schluss, der Paragraph 10 Abs. 2 Satz 2 SächsHSFG, der den Abschluss von “Leitlinien der inhaltlichen und organisatorischen Hochschulstruktur einschließlich deren personeller, sachlicher und finanzieller Ausstattung” bestimmt, greife nicht direkt in die Wissenschafts- und Selbstverwaltungsfreiheit der Hochschulen ein und verstoße damit auch nicht gegen die verfassungsmäßig garantierte Hochschulfreiheit laut Artikel 107 der Sächsischen Verfassung: “(1) Die Hochschule ist frei in Forschung und Lehre. (2) Die Hochschule hat unbeschadet der Aufsicht des Freistaates das Recht auf eine ihrem besonderen Charakter entsprechende Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze und ihrer vom Freistaat anerkannten Satzungen. An dieser Selbstverwaltung sind auch die Studierenden zu beteiligen.”

Aber die Bedenken der Juristen sind mehr als deutlich formuliert, denn mit dem Passus hat sich die Regierung ein Instrument der indirekten Steuerung geschaffen.

Im Klartext des juristischen Gutachtens: “Mit der Regelung, Leitlinien der inhaltlichen und organisatorischen Hochschulstruktur einschließlich deren personeller, sachlicher und finanzieller Ausstattung zwingend in die Zielvereinbarung aufzunehmen, könnte ein Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit vorliegen. Voraussetzung wäre, dass konkret durch diese Bestimmung die Freiheit von Forschung und Lehre in nicht nur unerheblicher Weise beeinträchtigt wird. Die zu vereinbarenden Leitlinien beziehen sich auf die Hochschulstruktur. Unter Struktur ist der Aufbau, die Zusammenfügung somit das Gefüge einer Hochschule zu verstehen. Nicht umfasst hiervon ist die wissenschaftliche Tätigkeit also Inhalt, Methoden und Ablauf der Lehrveranstaltungen. Ein direkter Eingriff scheidet somit aus.”Wie so ein Instrument angewendet werden kann, hat ja Hochschulministerin Sabine von Schorlemer schon gezeigt mit ihren Vorgaben zu Stellenkürzungen in allen sächsischen Hochschulen: Damit hat sie die Hochschulen gezwungen, selbst Einschnitte im Lehrangebot vorzunehmen. An der Uni Leipzig betraf das zum Beispiel die Apothekerausbildung, an der HTWK die Angewendete Mathematik, an der TU Dresden Teile der Geisteswissenschaften.

Zugute halten könnte man der Staatsregierung, dass sie selbst nicht vorgibt, was gestrichen werden soll. Aber die Budgets, die sie den Hochschulen zugesteht, sind so eng bemessen, dass bei Erfüllung der vorgegebenen Stellenkürzungen trotzdem auch im materiellen Angebot gekürzt werden muss – etwa beim Angebot der Universitäts-Bibliothek. Man greift nicht direkt in die Lehre und Forschung ein, indirekt aber schon. Selbst dann, wenn die neuen Regelungen mit den “Zielvereinbarungen” als verfassungsgemäß gelten können.

Was die Frage natürlich auf eine andere Ebene hebt: Wieviel Power will die sächsische Regierung eigentlich mit ihren Hochschulen entfalten? Denn eines funktioniert nicht auf Dauer: Die Forschung immer weiter auf der Einwerbung von Drittmitteln aufzubauen. Selbst für das Einwerben dieser Drittmittel fehlen den Hochschulen teilweise die Budgets. Man behandelt – man kennt es ja von Schule und Polizei – die Hochschulen wie Päckchenlieferdienste, misstraut den “Auftragnehmern” und zeigt eigentlich mit dem engen, durch “Leitlinien” eingefassten Korsett, dass man souveräne Hochschulen gar nicht will.

Was dann das Schaffen von Exzellenz, die ja so gern gefeiert wird in deutschen Landen, verhindert. Das Denken von Buchhaltern regiert in Sachsen.

Und dass man bei “Erhebung von Langzeitstudiengebühren, der ausschließlichen Übertragung von Lehrtätigkeit auf Hochschullehrer/innen bzw. Honorarprofessor/innen (Lehrprofessur) und den Schadensersatzregelungen für Mitglieder der Hochschulräte” tatsächlich in verfassungsrechtlich bedenkliche Bereiche vordrang, spricht Bände: Es geht nur noch ums Geld.

Auch bei dem niedergeschriebenen Abkassieren nach einer viersemestrigen Überschreitung der Regelstudienzeit. Da hat die Staatsregierung nicht einmal die selbst geschaffene Realität im sächsischen Studienbetrieb begriffen. Der Juristische Dienst dazu: “Es wird der Druck auf die Langzeitstudenten erhöht. Ob dieses in Aussicht stellen einer doppelten Belastung zu einer höheren (doppelten) Abschreckung und zu einem zügigeren Studium führt, ist fraglich. Es birgt vielmehr die Gefahr, dass auf das Ablegen einer Abschlussprüfung als Wiederholungsprüfung verzichtet wird. Damit nehmen die Studierenden zwar keine Leistungen mehr in Anspruch, für die es legitim ist zu zahlen, sie haben aber Leistungen kostenlos in Anspruch genommen, ohne das Studium mit einem Abschluss zu vollenden.”

Was ja übersetzt einfach heißt: Langzeitstudiengebühren führen wohl dazu, dass mehr Studierende ihr Studium ohne Abschluss abbrechen müssen. Aber ist nicht der Abschluss auch das staatliche Ziel? – Und da ist noch gar nicht erörtert, wie sich das Knausern beim Lehrpersonal schon jetzt auf die Studienabschlüsse auswirkt. Dass Bachelor- und Masterarbeiten erst mehrere Semester nach Abschluss des Studiums bewertet werden, wird in immer mehr Fächern die Regel.

In ihrem Drang, alles zu regeln und zu sanktionieren, schafft die Staatsregierung neue Sollbruchstellen, die dazu führen, dass immer mehr Studierende ihr Studienziel nicht erreichen und verfrüht aufgeben.

Aber vielleicht ist das ja beabsichtigt. Eine Art Auslese nach dem Muster: Wer unter solchen Bedingungen nicht durchkommt, hat seinen Master nicht verdient.

Die Zusammenfassung der SPD zum Gutachten: http://holger-mann.spdsachsen.de/sites/holger-mann.spdsachsen.de/files/news/downloads/1107/2013-09%20Zusammenfassung%20Gutachten%20S%C3%A4chsHSFG.pdf

Das Gutachten des Juristischen Dienstes auf der Website von Holger Mann: http://holger-mann.spdsachsen.de/sites/holger-mann.spdsachsen.de/files/news/downloads/1107/2013%2009%2002%20-%20Rechtsgutachten%20JurDienst%20SLT%20zu%20S%C3%A4chsHSFG.pdf

Zur Sächsischen Verfassung: www.landtag.sachsen.de/de/landtag/grundlagen/86.aspx

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar