Die Bologna-Reform, in deren Zuge die Hochschulen ihre Studiengänge auf Bachelor- und Masterabschlüsse umstellten, treibt sonderliche Blüten. "Im letzten Bachelor-Semester wollte ich mich für einen Masterstudiengang bewerben", berichtet eine Leipziger Studentin. Obwohl das Studium in weniger als einem halben Jahr beginnen sollte, durfte sie keine Bewerbung einreichen. "Man sagte mir, ich habe zu wenige Credit Points", so die junge Frau.
Die Punkteanzahl sagt nichts über die Noten aus und gibt lediglich an, wie viele Lehreinheiten bereits absolviert wurden. “Ich hatte erst 140 Punkte und es wurden 150 verlangt. Man sagte mir, ich müsse warten, bis ich das Bachelor-Zeugnis vorweisen kann.” Doch da konnte sie lange warten – wie viele der Jungabsolventen.
“Dass der Übergang vom Bachelor zum Master nicht klappt oder mit großen Hürden verbunden ist, hören wir immer wieder von den Studenten”, sagt Holger Mann (SPD). Der Abgeordnete im sächsischen Landtag und bildungspolitische Sprecher seiner Fraktion befand sich in der vergangenen Woche auf Hochschultour durch Sachsen. In Leipzig machte er mit einem Stand erst vor der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTKW) und dann der Universität Halt. Dort präsentierte er auch in einer Abendveranstaltung die Ergebnisse der Großen Anfrage, welche die SPD-Fraktion am 2. August 2012 an die sächsische Landesregierung gestellt hatte. Große Anfragen sind das ganz große Instrument der Fraktionen, um Informationen von der Landesregierung zu bekommen. “Zurück erhielten wir einen Katalog mit mehr als 600 Seiten”, so Mann. Dies geschah am 16. Januar dieses Jahres. “Uns war klar, dass die Bearbeitung unserer vielen Fragen länger dauern würde als die üblichen zwei Monate.” Der Antwortenkatalog umfasst eine Auswertung der Primärdaten, welche die Hochschulen geliefert haben.
Und diese stützen, was die Studenten beklagen: Der Übergang vom Bachelor zum Master funktioniert nicht so reibungslos, wie sich das die Bologna-Beschließer wohl gewünscht haben dürften. Die spät ausgereichten Zeugnisse sind ein Problem. “Sie behindern die Mobilität der Studenten”, sagt der Landtagsabgeordnete. “Eine vorläufige Zulassung zum Masterstudiengang ist zwar möglich, doch nicht alle Hochschulen wenden sie an”, so Mann. Und ein weiteres Problem ergibt sich für alle, die den höheren Abschluss anstreben: Die Bafög-Lücke. Denn wer aus dem einen Studiengang schon aus- und im nächsten noch nicht eingeschrieben ist, erhält keine Studenten-Unterstützung mehr. All diese Faktoren erschweren es den Studenten.Diplom wieder auf dem Vormarsch
Die wohl überraschendste Zahl, welche die Große Anfrage hervorbrachte, ist diese hier: 30 Prozent aller Studienanfänger im Winter 2011/12 waren Diplom-Studenten. Und damit werden zehn Prozent mehr Diplomer unter den Erstsemestern gezählt als unter der Gesamtzahl der Studenten in Sachsen. Die Diplome sind wieder auf dem Vormarsch und das, obwohl sich die Zahl der Diplomstudiengänge in Sachsen von 45 Prozent im Winter 2006/07 auf 26 Prozent im Winter 2011/12 verringert hat. “Es ist möglich, dass der Bologna-Prozess so unterlaufen wird”, sagt Holger Mann. “Die Studenten stimmen eben auch mit den Füßen über einen Studiengang ab.” Und im Ergebnis werden die ungefragten Studiengänge eingestellt. Denn auch diese Zahlen hat die Anfrage herausgebracht: 47 Gänge wurden in Sachsen seit dem Jahr 2005 neu geschaffen. Und seitdem wurden 49 Studiengänge geschlossen. Dies ist unter anderem auf das Hin und Her in der Lehrerausbildung zurückzuführen. Aber die Nachfrage bestimmt das Angebot. Das ist auch an den Hochschulen so.
Und die Nachfrage ist größer als das Angebot. Zumindest bei den Masterstudiengängen. “Nur auf jeden dritten Bachelor-Absolventen kommt ein Master-Studienplatz”, erläutert Holger Mann. “Wir steuern hier ganz klar auf eine Knappheit zu.
Gefordert: Teilzeitstudium, Masterübergang, Absolventenbonus
Aus den ausgewerteten Daten hat die SPD-Fraktion ihre Forderungen formuliert. Unter anderem sollen die Studenten stärker einbezogen werden, wenn es um die Hochschulen geht. Zum anderen soll der Übergang von Bachelor auf Master erleichtert werden. Mit einheitlichen Zulassungskriterien und einer Durchfinanzierung. Auch ein Ausbau des Teilzeitstudiums fordert die SPD. Die Modularisierung – durch welche die Studenten teils festgelegte Stundenpläne haben – erschwert es nämlich ungemein, einen Nebenjob zu haben. Und ein Absolventenbonus soll eingeführt werden. “Wir stellen uns das als finanziellen Anreiz für die Hochschulen vor, ihre Studenten innerhalb der Regelstudienzeit zum Abschluss zu bringen”, so Holger Mann.
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Gerade dieser Vorschlag stößt bei einem Lehrenden der Universität auf wenig Gegenliebe: ” Bitte nicht noch mehr gängeln”, sagt er. Die Modularisierung habe das Studium erstarren lassen, die Hochschul-Lehrer müssten sich immer wieder mit juristischen Kleinigkeiten abmühen. “Wer jahrelang in der Wissenschaft prekär beschäftigt war und dann endlich auf eine Professur berufen wurde, der ist intrinsisch motiviert. Den sollte man einfach in Ruhe lehren lassen und ihm nicht immer neue Auflagen machen, sonst löst sich die Motivation irgendwann auf.”
Klagen wie diese dürfte Holger Mann sehr oft gehört haben auf seiner Hochschultour durch Sachsen. “Am häufigsten wurde gesagt, dass das Diplom einfach in den Bachelor gestopft wurde und dass es Probleme mit der Anerkennung der Studienleistungen gebe”, berichtet er. “Es ist nicht nachvollziehbar, dass im Zweifel die Studenten ihrer neuen Hochschule nachweisen müssen, was sie geleistet haben. Eigentlich müsste die Hochschule im Zweifel nachweisen, dass es nicht reicht.” Auch das landete auf der Forderungsliste der SPD.
Und der schönste Spruch, den Holger Mann auf seiner Tour gehört hat? “Ein Student sagte, er wünsche sich mehr Zeit zum Denken.”
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