Das am Freitag, 20. September, von Sachsens Kultusministerin Brunhild Kurth (parteilos) und Landwirtschaftsminister Frank Kupfer (CDU) vorgelegte Papier, in dem sie eine Ausweitung des seit 2011 bestehenden und bis Ende 2015 geltenden Schulschließungsmoratoriums für Oberschulen vorschlagen, findet logischerweise ein geteiltes Echo. Wer das Moratorium von 2011 gut fand (auch wenn es gar nichts nutzte), der findet auch die Fortsetzung gut.

Zumindest deuteten die beiden Minister an, dass sie verstanden haben, wie eng das Thema “Schule im Dorf” eine Rolle spielt in der demografischen Entwicklung im Freistaat Sachsen. Es ist ja nicht wirklich so, dass der Freistaat einfach ausstirbt. Der Bevölkerungsverlust hat sich in den letzten fünf Jahren deutlich reduziert. Aber die Wanderungsbewegung ist natürlich noch genauso im Gange. Nur wandern die jungen Leute eben aus den ländlichen Regionen ab (und dazu gehören längst auch die Klein- und Mittelstädte), um in den drei Großstädten des Freistaats eine halbwegs mit intakter Infrastruktur ausgestattete Lebensumgebung zu finden. Eine wirkliche Strategie zu diesem demografischen Wandel hat die sächsische Landesregierung nicht. Und sie kann auch nicht damit rechnen, dass die beiden Regierungsparteien CDU und FDP tatsächlich aufgeschlossen sind für Änderungen im sächsischen Bildungssystem, die tatsächlich mehr alternative Lösungen für Bildungsstrukturen im ländlichen Raum ermöglichen.
Holger Zastrow, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag

Holger Zastrow ist sich sicher: “Das 2010 von der FDP geforderte und seit 2011 geltende Schulschließungsmoratorium für Oberschulen ist ein Erfolgsmodell. Damals haben wir die zuletzt von der SPD mitgetragene Schulschließungspolitik gestoppt, die allein in den Schuljahren 2004/05 bis 2008/09 den Bestand von insgesamt 166 Mittelschulen gekostet hat.

Wir freuen uns sehr, dass die Kultusministerin das Moratorium fortführen und ausweiten will. Wir nehmen das Angebot der beiden Minister gern an, nun über eine zügige konkrete Ausgestaltung zu sprechen. Klar ist: Die FDP hat schon immer für den Erhalt von Schulen im ländlichen Raum gekämpft – an uns wird eine zügige Umsetzung der Ideen der Minister ganz sicher nicht scheitern. Wir sind bereit, sogar über eine entsprechende Schulgesetzänderung noch in dieser Legislaturperiode mit der Staatsregierung und der CDU-Fraktion zu sprechen.

Wir haben 2010 das Moratorium auf dem FDP-Parteitag in Hartha gefordert, weil wir der damaligen Schulschließungswelle im ländlichen Raum nicht länger zuschauen wollten und konnten. Im Zuge des Doppelhaushaltes 2011/2012 wurde unsere Forderung, an die wir unsere Zustimmung zum Haushalt gebunden hatten, dann mit einem Entschließungsantrag zur Regierungspolitik. Längst zeigt dies Wirkung: Inzwischen haben sich die Eltern, Schüler, Lehrer und Kommunen daran gewöhnt, dass die Schulschließungspolitik Geschichte ist – dies werden wir weiterhin garantieren.

Die FDP wird daher alles tun, den von den Ministern vorgeschlagenen Weg zügig umzusetzen, damit Eltern, Schüler, Lehrer und Kommunen nie wieder um den Bestand ihrer Schulen fürchten müssen.”

Lothar Bienst, bildungspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion

Er ist ebenfalls überzeugt, dass der “Maßnahmekatalog” schon Abhilfe schafft: “Das heute von Kultusministerin Brunhild Kurth und Umweltminister Frank Kupfer vorgestellte Konzept gibt den Schülern, Eltern, Lehrern und Schulträgern die Sicherheit, dass auch künftig gute Bildungsmöglichkeiten im ländlichen Raum vorhanden sind. Damit leistet Sachsen einen wichtigen Beitrag, um sich dem demografischen Wandel mit wirksamen Maßnahmen zu stellen. Außerdem wird das bestehende Schulnetz für die Zukunft bestandsicher gemacht. Es freut mich, dass eine wichtige Priorität der CDU-Bildungspolitik umgesetzt wird.

Insbesondere der jahrgangsübergreifende Unterricht bei den Grundschulen und der Verbund von Oberschulen, sogenannte Tandemschulen, sind aus meiner Sicht geeignete Instrumente, um künftig Schulschließungen im ländlichen Raum zu verhindern. Dazu müssen wir allerdings unser Schulgesetz ändern. Dies wird eine der ersten Aufgaben für das Parlament in der kommenden Legislaturperiode sein. Bis dahin müssen wir am bestehenden Status quo festhalten und einen Mitwirkungsentzug wegen zu geringer Schülerzahlen für Grund- und Oberschulen außer Kraft setzen.”

Andreas Heinz, Vorsitzender des Arbeitskreises “Ländlicher Raum, Umwelt und Landwirtschaft” in der CDU-Landtagsfraktion

“Wenn wir den Menschen im ländlichen Raum gleichwertige Lebensverhältnisse wie in den Ballungszentren bieten wollen, müssen wir zukünftig die Schulen in der Fläche erhalten. Wir können nur dann junge Familien und Unternehmen überzeugen, sich auf dem Land anzusiedeln, wenn die Kinder und Jugendlichen wohnortnah zur Schule gehen können. Deshalb begrüße ich den Vorstoß der Staatsregierung und unserer Bildungspolitiker.”

Zwischenfazit: Weder FDP noch CDU sprechen von einer Gesetzesänderung in der aktuellen Legislatur. Man freut sich nur über das Trostpflaster, das irgendwie bis 2015 halten soll.

Es scheint ganz so, dass schon das Versprechen für manche Betroffenen die Erfüllung ist.

Peter Lorenz, amtierender Vorsitzender des Landeselternrats (LER) Sachsen

“Auch die Eltern wünschen Frau Ministerin Kurth nur Mut, das neue Konzept zur Erhaltung und Stärkung der Schulen im ländlichen Raum, auch die Infrastrukturen am Leben zu halten, begrüßen wir Eltern des Landeselternrates, als einen ersten und wichtigen Schritt. Dazu braucht es das Arrangement und das Herz aller an Schule Beteiligten. So gilt es Barrieren in den Köpfen, zwischen den Landkreisen und zwischen einzelnen Gemeinden abzubauen, um ein funktionierendes Schulsystem zu erhalten, auszubauen und zu verbessern. Dazu sollte es möglich gemacht werden, dass die Schulträger sich aktiv an Schulkonferenzen beteiligen können und die Schülerbeförderung kreisübergreifend, einheitlich und für die Kinder altersgerecht gewährleistet wird. Der Preis für die neue Konzeption darf nicht in schlechtere Qualität für Lern-, Schul- und Schulrandbedingungen münden.”

Genug des Hosiannas?
Cornelia Falken, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag

“Die Pressekonferenz beider Minister war nur Schall und Rauch. Angekündigt war ein ‘Maßnahmepaket’ zum Erhalt der ländlichen Bildungsinfrastruktur. Konkrete Maßnahmen konnte die Kultusministerin jedoch keine aufzählen. Lediglich prüfen wolle das Kultusministerium, welche Maßnahmen dem Erhalt von Schulen auf dem Lande dienen. Das Ergebnis dieser Prüfung fließe dann in eine Novelle des Sächsischen Schulgesetzes ein. Frühestens zu Beginn der kommenden Legislaturperiode, also nicht vor Herbst 2014, werde es eine Schulgesetznovelle geben. Die von Schließung bedrohten Schulen im ländlichen Raum wurden arg getäuscht. Selbst das Moratorium für die Schließung weiterer Grund- und Mittelschulen ist lediglich ein Vorschlag der Minister, darüber entscheiden müsste der Landtag. Man fragt sich, warum nicht längst ein entsprechender Antrag der Koalitionsfraktionen zur Behandlung im Parlament eingebracht worden ist und warum die Staatsministerin keinen Entwurf für ein neues Schulgesetz zur Pressekonferenz vorgelegt hat. Die Linke wird die Ministerin beim Wort nehmen und eine Schulgesetznovelle in den Landtag einbringen. Dann werden wir sehen, wie ernst es Frau Kurth und Herrn Kupfer mit der ‘Sicherung von Schulen im ländlichen Raum’ ist.”

Dr. Eva-Maria Stange, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag

“Guten Morgen, Staatsregierung! Endlich sind Sie aufgewacht. Schon lange spricht sich die SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag für den Erhalt von Schulen im ländlichen Raum aus. Viel zu lange hat sich die schwarzgelbe Staatsregierung dagegen gewehrt und hielt stur an gesetzlichen Regelungen fest, die von der Wirklichkeit im Land längst überholt waren. Die SPD-Fraktion fordert eine sofortige Änderung des Schulgesetzes und bis dahin eine Aussetzung aller Schulschließungen und Mitwirkungsentzüge für alle Klassenstufen. Kurth und Kupfer hingegen verteilen nur schwarzgelbe Placebopillen.

Heute haben nun die Staatsminister Kurth und Kupfer ein Moratorium gegen neue Mitwirkungsentzugsverfahren bei Grund- und Oberschulen vorgeschlagen. Dagegen ist nichts zu sagen. Aber was verbirgt sich dahinter? Handelt es sich wieder nur um eine schwarzgelbe Geschenkschachtel, die leer ist, wenn man hineinschaut? Die von Kurth und Kupfer präsentierten Vorschläge sind alles alte Hüte, die schon längst praktiziert werden. Das Hauptproblem bleibt weiterhin ungelöst: Eine Novelle des Sächsischen Schulgesetzes ist nach wie vor überfällig. Die SPD-Fraktion fordert seit Jahren eine Änderung des Schulgesetzes zum Erhalt auch kleiner wohnortnaher Grundschulen und einzügiger Mittelschulen. Wir wollen die Gemeinschaftsschule von Klasse 1 bis mindestens Klasse 8 in Wohnortnähe. Sie wäre nicht nur pädagogisch sinnvoll, sondern auch eine kostengünstige Variante gerade im ländlichen Raum.

Wie sieht denn die Realität in Sachsen aus? Gerade wurden mit Beginn des neuen Schuljahres weitere Schulen geschlossen. Ganze Klassen wurden zum Zweck der Lehrereinsparung komplett in andere Schulen verlagert. Die Seifhennersdorfer Eltern kämpfen seit Jahren um den Erhalt ihrer Schule. Im Landkreis Leipzig sträubt sich sogar der CDU-Landrat gegen die geplante weitere Ausdünnung der Schullandschaft. Mehr als die Hälfte aller Schulen sind in den letzten 20 Jahren geschlossen worden. Schüler müssen unendlich lange und teure Schulwege auf sich nehmen. Kommunen verlieren ihre Attraktivität für Familien. All das haben Sachsens Eltern einer sturen CDU-Schulpolitik zu verdanken, die nur noch verwaltet und auch für die Zukunft keinen Gestaltungswillen erkennen lässt.”

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