Wie weiter in Sachsens Hochschulpolitik? - Das wird am heutigen Montag, 30. September, Thema bei einer Öffentlichen Anhörung im Sächsischen Landtag. Ab 10 Uhr wird der Antrag der SPD-Fraktion "Hochschulpakt 2020 nutzen - Stellenkürzungen aussetzen -Hochschulentwicklungsplanung anpassen" (Drucksache 5/12290) im Sächsischen Landtag öffentlich angehört. Und natürlich geht es um Zahlen und die Wirklichkeitsverweigerung des Sächsischen Hochschulministeriums.

Denn dass die Studienanfängerzahlen nun seit Jahren deutlich über den Vorgaben der sächsischen Staatsregierung liegen, ist nicht neu. Trotzdem hat die Staatsregierung 2012 das sogenannte “Hochschulfreiheitsgesetz” durchgebracht, mit dem die Hochschulen ein Stück weit eigene Etat-Verfügung bekommen – der Haken aber: die zugewiesenen Gelder wurden verknappt. Die Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer hat 2011 auch die Weisung zur Kürzung tausender Dozentenstellen ausgegeben. Eine unsinnige Weisung, wenn gleichzeitig die Studierendenzahlen steigen.

Und das war nicht nur 2009 schon klar zur letzten Prognose der Kultusministerkonferenz, das wurde im Januar 2012 erneut bestätigt: Es wird auch in Sachsen vorerst keine schrumpfenden Studierendenzahlen geben. Im Gegenteil: Die Hochschulen sind so voll wie nie. Das hat – nur zum Teil – mit der Abschaffung der Wehrpflicht in Deutschland und den doppelten Abiturjahrgängen in einigen westdeutschen Flächenländern zu tun. Beide Effekte sorgen kurzfristig für einen zusätzlichen Ansturm auf die Hochschulen.

Langfristig war aber auch schon 2009 sichtbar, dass deutlich mehr Schulabsolventen auch in Sachsen den Weg zum Studium wählen. Das hat implizit mit den fehlenden Schulreformen zu tun, die tatsächlich so etwas schaffen könnten wie eine richtige (polytechnische) Oberschule und die das Gymnasium für viele Schüler und ihre Eltern als die attraktivere und erfolgversprechende Schulform erscheinen lassen. Und viele Abiturienten sehen dann im Gang auf eine Universität oder – verstärkt – auf eine Fachhochschule auch die Chance, auf einen echten Karriereberuf.

Es hat auch mit dem Anspruch der deutschen Wirtschaft zu tun, die zunehmend hochqualifizierte Arbeitskräfte sucht. Die Botschaft wird ja den jungen Leuten seit Jahren eingehämmert, und sie stimmt ja auch. In künftigen Abiturjahrgängen werden rund 50 Prozent eines Jahrgangs die Hochschulreife erwerben – aktuell sind es gerade einmal 33 Prozent. Das sind Zahlen, die auch Sachsens Wissenschaftsministerin eigentlich kennen müsste. Und der Tiefpunkt bei der Jahrgangsstärke wurde 2010 überschritten. Auch daher wird die Zahl der Abiturienten steigen.Auch für die gesamte Bundesrepublik haben sich die deutschen Kultusminister im Januar deutlich korrigiert: “Die Zahl der Schulabsolventinnen und Schulabsolventen mit Studienberechtigung (Hochschulreife und Fachhochschulreife) wird von bundesweit knapp 460.000 (2010) auf voraussichtlich fast 519.000 (2013) ansteigen und danach auf 466.000 (2014) bzw. nach einem Zwischenhoch von 480.000 (2016) auf 414.000 (2025) abnehmen. Dies bedeutet für die Zahl der Schulabsolventinnen und Schulabsolventen mit Hochschulreife im Zeitraum von 2011 bis 2020 ein jahresdurchschnittliches Plus von mehr als 20.000 und für diejenigen mit Fachhochschulreife von fast 14.000 gegenüber der Vorausberechnung der Schulabsolventen vom Mai 2007.”

Mit den Zahlen von damals, also 2007, aber operiert Sachsens Wissenschaftsministerin bis heute. Die Chance, ihre Politik im Januar 2013 mit dem neuen Zahlenmaterial zu korrigieren, hat sie verpasst.

Für Sachsen bedeutet das nämlich nicht 14.300 Studienanfänger – wie noch 2009 prognostiziert, aber auch nicht 17.800, wie nun im Januar 2012 prognostiziert, sondern – so vermeldet es das Sächsische Landesamt für Statistik: 20.792. Also mehr als 6.000 mehr als in den alten Prognosen. Auch 2011 hatte der Freistaat mit 21.478 Studienanfängern über 6.000 mehr als noch 2009 prognostiziert. Dass die Prognosen der Kultusministerkonferenz (KMK) stets so deutlich unter den tatsächlich eintretenden Zahlen liegen, zeigt im Grunde, wie konservativ und vorsichtig dort gerechnet wird.

Und trotzdem ignoriert das sächsische Hochschulministerium selbst diese nach oben korrigierten Zahlen.

Statt der noch 2009 prognostizierten 14.000 bis 14.500 Studienanfänger pro Jahr bis 2020 geht die KMK nun davon aus, dass in Sachsen jedes Jahr mindestens 17.000 bis 18.000 junge Leute ein Studium beginnen wollen. Verständlich, dass die SPD-Fraktion jetzt eine schnelle Veränderung in der sächsischen Hochschulpolitik fordern. Denn das sind die jungen Leute, die Sachsens Wirtschaft künftig braucht. Und nicht nur die.

Mit dem Hochschulpakt 2020 haben sich Bund und auch Länder zur gemeinsamen Finanzierung zusätzlicher Studienplätze bzw. das Vorhalten bestehender Studienkapazitäten bekannt. Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) hat im April dieses Jahres Konsequenzen und Auswirkungen für den Hochschulpakt beraten sowie eine zweite Ergänzung auf den Weg gebracht.

Die SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag fordert nun in Verbindung mit der geplanten Zuschussvereinbarung der Sächsischen Hochschulen, diese zu aktualisieren und unter anderem den beabsichtigten Stellenabbau von mehr als 1.000 Stellen im Wissenschaftsbereich bis 2015 auszusetzen.

Am heutigen Montag, 30. September, werden dazu unter anderem drei Rektoren Sächsischer Hochschulen, zwei Kanzler und weitere Vertreter aus den Sächsischen Hochschulrektoraten Stellung beziehen. Denn wiederholt stand der Freistaat Sachsen in den vergangenen Jahren auch in der Kritik, die Hochschulpaktmittel nicht entsprechend verwendet zu haben.

Als Sachverständige eingeladen wurden Prof. Dr. Friedrich Albrecht, Rektor der Hochschule Zittau/Görlitz, Dr. Andreas Handschuh, Kanzler der Technischen Universität Bergakademie Freiberg, Prof. Dr. Ludwig Hilmer, Rektor der Hochschule Mittweida, Prof. Dr. Karl Lenz, Prorektor für Universitätsplanung, Technische Universität Dresden, und Prof. Dr. Arnold van Zyl, Rektor der Technischen Universität Chemnitz. Und aus Leipzig werden Prof. Dr. Swantje Heischkel, Kanzlerin der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig, sowie Prof. Dr. Thomas Lenk, Institutsdirektor der Universität Leipzig, Institut für öffentliche Finanzen und Public Management, und gleichzeitig Prorektor für Entwicklung und Transfer, Stellung nehmen.

Die Prognose der KMK zu den Studienanfängerzahlen vom Januar 2013: www.kmk.org/fileadmin/pdf/Statistik/Vorausberechnung_der_Studienanfaengerzahlen_2012-2025_01.pdf

Der Antrag der SPD-Fraktion als PDF zum download.

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