"Die heute vorgestellten Fakten machen deutlich, Sachsens Hochschulen leisten viel, insbesondere in Anbetracht ihrer ungenügenden Mittelausstattung. Die Studierneigung und Studierendenzahlen wachsen weiter, das Durchschnittsalter der Absolventen sinkt und der Anteil mit Studienabschluss in Regelstudienzeit steigt, wenngleich auf ein Niveau noch unter Bundesdurchschnitt", stellt Holger Mann, Sprecher für Hochschule und Wissenschaft der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, fest.
Die Broschüre wurde am Donnerstag, 4. Juli, vorgestellt. Und sie zeigt, wie in der ganzen Bundesrepublik die Ministerien dazu übergegangen sind, die steigenden Bewerberzahlen, die ein wissensbasiertes Land wie die Bundesrepublik sie braucht, durch eine zunehmende Aufweichung der Beschäftigungsbasis abzufangen. Wissenschaftler werden nur noch befristet beschäftigt, immer größere Teile der Hochschulausbildung werden über Drittmittel finanziert, Aushilfskräfte übernehmen Dozentenaufgaben, werden aber wie Aushilfskräfte bezahlt.
Und Sachsen ist bei dieser zunehmenden Prekarisierung von Forschung und Lehre einer der Vorreiter.
Die Betreuungsrelation lag in Sachsen 2011 mit knapp 18 Studierenden pro Lehrenden im hinteren Mittelfeld. “Noch deutlicher werden die fatalen Folgen des fortgesetzten Personalabbaus der Staatsregierung anhand der Erst- und Gesamtausbildungsquote”, so Holger Mann. “Hier ist Sachsen Letzter im Bundesländervergleich beim Verhältnis der Erstabsolventen zum wissenschaftlichen und künstlerischen Personal (ohne Drittmittelstellen). Kurzum: Die Grundausstattung und damit die Kernaufgabe der Lehre findet bei der schwarzgelben Regierungskoalition zu wenig Wertschätzung.”
Oder noch deutlicher ausgedrückt: Der Zunahme der Studierendenzahl wurde mit einem Abbau der Vollzeitstellen beim Lehrpersonal begegnet. Was schon an mehreren Hochschulen zur Streichung ganzer Lehrstühle geführt hat.
Holger Mann: “Das macht auch deutlich, wie stark Sachsens Hochschulen von Geldern Dritter, insbesondere vom Bund und der EU, abhängig sind. Mit 36 Prozent (Bundesdurchschnitt 26 Prozent) liegt Sachsen hier an zweiter Stelle nach Bremen. Die Staatsregierung sollte deshalb den Stellenabbau endlich stoppen! Dass es auch anders geht, zeigt das Nachbar-Bundesland Thüringen, das mit einem Wert von 14,7 als Zweiter noch vor Bayern das beste Betreuungsverhältnis an den Universitäten aufweist.”
Schon 2008 hatte der Wissenschaftsrat gefordert, die Betreuungsverhältnisse aufgrund der Bachelor- und Master-Einführung gestiegenen Beratungs- und Betreuungsbedarfs zu verbessern. Damals wurden noch 15,2 Studierende je Lehrkraft betreut.Aber die sächsische Denkweise geht ungefähr so: Man kürzt die vom Staat finanzierten Stellen und ermuntert die Hochschulen gleichzeitig, dafür nun Ersatz bei Drittmittelgebern zu finden. Je mehr man die Budgets enger zurrt, umso mehr wächst der Druck in den Hochschulen, Gelder und Projekte einzuwerben, um überhaupt noch attraktive Forschungsbereiche organisieren zu können. Aber damit wird auch Unternehmen Tür und Tor geöffnet, die ganze Lehrstühle “sponsern” und damit zunehmend Einfluss auf die Nachwuchsausbildung gewinnen. Auch in klassischen Ausbildungsfeldern.
Der Anteil des drittmittelfinanzierten wissenschaftlichen und künstlerischen Personals ist zwischen 2001 und 2011 in Sachsen von 19 auf 28 Prozent um fast ein Drittel deutlich gestiegen. Der Trend, dass immer mehr hauptberufliches Personal der Hochschulen aus Drittmitteln finanziert wird, verstärkt aus Sicht der SPD-Fraktion das Prekariatsrisiko in der Wissenschaft. Mehr als einer von drei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Sachsen werden bereits durch Drittelmittel finanziert.
Was natürlich zu wahren Taranteltänzen führt, wenn ein solches Drittmittel-Projekt ausläuft, wie das gerade an der Uni Leipzig mit der Graduiertenschule BuildMoNa geschah. Aber auch der Bund mit seiner so genannten Exzellenz-Initiative setzt auf befristete Laufzeiten. Ganze Hochschulapparate sind nur noch damit beschäftigt, immer neue Projekte einzuwerben, um überhaupt noch Forschung betreiben zu können. Die einmal von Bund und Ländern propagierte Absicht, 10 Prozent der Etats in den Bildungssektor zu investieren, ist bis heute unerfüllt.
Und dabei ist Sachsen ein Studierenden-Zuwanderungsland. Das Geld, das hier investiert wird, ist gut angelegtes Geld. Sachsens Hochschulen sind aktuell der stärkste Wachstumsmotor des Bundeslandes. Aber statt die Ressourcen, die so eine Hochschullandschaft bietet, zu stärken und das entstehende Knowhow auch wieder als Erneuerungspool für das Land zu nutzen, setzt das sächsische Wissenschaftsministerium die Daumenschrauben an.
Und obwohl Sachsen beim wissenschaftlichen Personal schon rigide streicht, liegt es selbst in der Liste der Ausgaben je Professorin / je Professor fast am Ende der Bundesländer mit 447.730 Euro. Dahinter kommt nur noch das Saarland mit 416.260 Euro. Der Durchschnittswert der Ausgaben je Bundesland liegt dann zwar im Mittelfeld. Was schlicht daran liegt, dass Sachsen über ein gewachsenes sehr dichtes Hochschulnetz verfügt. Man ahnt den Zwiespalt: Eigentlich hätte ein so armes Land wie Sachsen ein paar Hochschulen schließen müssen, um die anderen finanziell besser auszustatten. Aber eigentlich will man ja in der Bildungsbundesliga mitspielen – also hat man gerade die Technischen Hochschulen erst so richtig aufgewertet.
Aber mehr Geld ins System geben will man nicht. Ein prekäres System ist die zwangsläufige Folge.
Zur Broschüre “Hochschule auf einen Blick” des Bundesamtes für Statistik: www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/BildungForschungKultur/Hochschulen/BroschuereHochschulenBlick0110010137004.pdf?__blob=publicationFile
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