Man kann es positiv formulieren. Etwa so: "Quote der Schulabgänger mit allgemeiner Hochschulreife in Dresden und Leipzig am höchsten". Man kann es auch vom anderen Ende her betrachten: Quote der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss in Leipzig, Chemnitz und Nordsachsen am höchsten. Das Landesamt für Statistik hat am Mittwoch, 19. Juni, die erste Variante gewählt.
Ganz offiziell verließen nun 2012 genau 22.700 Schülerinnen und Schüler die allgemeinbildenden Schulen in Sachsen.
Im Verhältnis zur Bevölkerung der entsprechenden Geburtsjahrgänge erreichten 27 Prozent die allgemeine Hochschulreife (Schulabgangsquote mit allgemeiner Hochschulreife). Diese Einschränkung der Statistiker muss an dieser Stelle betont werden. Denn es bedeutet in der Regel nicht, dass diese Menschen dann ihr Leben ohne Schulabschluss verbringen – doch sie müssen meistens trotzdem weitere Jahre in entsprechenden Kursen absolvieren, um ihren Schulabschluss nachzuholen. Für diese jungen Menschen ist es nicht nur vertrödelte Zeit, sondern auch eine rapide Minderung ihrer Berufschancen.
Eine Gesellschaft, die derart gleichgültig mit den Bildungsangeboten für ihre zumeist sozial benachteiligten Kinder umgeht, hat kein Recht, ein Sanktionssystem wie das der Jobcenter aufzuziehen. Sie hat ihr moralisches Recht dazu verwirkt. Und den Spruch “Fördern und Fordern” hört man auch schon eine Weile nicht mehr, weil alle Beteiligten wissen, dass die eigentlich notwendige Förderung – nämlich in den Schulen – eingespart wurde.
Darunter leiden logischerweise all jene, die diese Förderung eigentlich brauchen, weil sie diese Förderung im familiären Umfeld nicht erhalten.
Im Vergleich der Kreisfreien Städte und Landkreise weisen die Städte Dresden und Leipzig mit 31,3 bzw. 29,6 Prozent die höchsten Quoten von Schulabgängern mit Abitur auf. Die Schulabgangsquote mit allgemeiner Hochschulreife stieg in Sachsen im Vergleich zum Vorjahr um 1,6 Prozentpunkte. Eine Erhöhung zum Vorjahr um 3 Prozentpunkte und mehr erreichten dabei die Landkreise Mittelsachsen, Vogtlandkreis, der Landkreis Görlitz und Nordsachsen.
Natürlich ist das der Spiegel einer zunehmend sichtbaren Demontage der Mittelschulen. Schwarz-Gelb brüstet sich zwar mit seiner Schnapsidee einer Aufwertung der Mittelschule zur Oberschule. Doch das Allermindeste, was dafür notwendig wäre, wäre eine Vollausstattung mit Lehrern. Das Einsparen von Lehrkräften trifft logischerweise zuallererst jene, die in ihrer Familie die moralische und finanzielle Förderung nicht bekommen.
Das aber wird – unlogischerweise – von der Politik Sachsens nicht beachtet.”Die berufsbildenden Schulen in Sachsen können 2012 auf eine leichte Erhöhung der Erfolgsquote blicken”, meldet das Statistische Landesamt noch. “Knapp 90 Prozent der über 40.700 jungen Frauen und Männer bekamen 2012 an den berufsbildenden Schulen ein Abschlusszeugnis und stehen als Fachkräfte zur Verfügung. Die Absolventen der berufsbildenden Schulen des Landkreises Zwickau (94,1) und der Kreisfreien Stadt Chemnitz (94,0) weisen die höchsten Erfolgsquoten aus.”
Die steigende Zahl von Schulabgängern mit Hochschulreife bedeutet natürlich auch, dass entsprechende Studienplatzangebote an Sachsens Hochschulen vorgehalten werden müssen. Doch auch das wird von der Sächsischen Landesregierung konsequent negiert. Sie hat nicht einmal eine Strategie, was sie mit diesen jungen Leuten will – die natürlich gefragt sind auf dem sächsischen Arbeitsmarkt. Sie müssen auch nicht unbedingt die Universitäten im Land besuchen – auch Fachkräfte von Fachschulen werden dringend gebraucht.
Oder sollte man hier besser schreiben “würden”? – Das Land leidet unter heftigstem Lehrermangel – und stellt trotzdem nur ein Drittel der benötigten Junglehrer ein. Wo will diese Regierung eigentlich hin? Will sie ein cleveres Land der Erfinder, Ingenieure und Unternehmer? – Dann ist das der falsche Weg. Bildung und qualifiziertes Wissen sind die wertvollste Ressource, die Sachsen haben könnte.
Stattdessen werden die jungen Menschen durch ein Auslese-System geschleust. Das merken natürlich auch die Eltern. Und viele setzen alle Räder in Bewegung, dass ihr Kind nicht nur die “Bildungsempfehlung” fürs Gymnasium bekommt, sondern auch das Abitur schafft. Egal, was es danach lernt – selbst ausbildende Unternehmen nehmen die ehrgeizigen Abiturienten mit Kusshand.
Auf der Strecke bleiben jene, die von Haus aus den Rückenwind nicht haben, die mit sozialen und Sprachbarrieren zu kämpfen haben. Die hohen Abiturquoten in den Großstädten haben sehr viel mit den gleichzeitig hohen Quoten von Schulabgängern ohne Zeugnis zu tun.
13,5 Prozent der Schüler des entsprechenden Jahrgangs gingen 2012 in Leipzig ohne Hauptschulabschluss ab. Der sächsische Durchschnitt lag bei 8,9 Prozent. Aber hohe Quoten hatten auch Chemnitz mit 11,2 Prozent, Nordsachsen mit 11,1 Prozent und der Landkreis Görlitz mit 10,7 Prozent.
Dresden kommt hier auf 7,5 Prozent. Noch besser sind Vogtlandkreis und Erzgebirgskreis mit 5,6 und 6,6 Prozent. Das kann mehrere Gründe haben. Von der Lehrerausstattung und der Betreuungsquote bis hin zur Tatsache, dass auch dort mehr Kinder den Weg übers Gymnasium gehen. Die “fehlen” dann quasi in dieser Statistik für die Mittelschulabgänger, denn sie sitzen ja noch zwei Jahre auf der Schulbank, um ihr Abi zu machen.
Was die hohe Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss nicht relativiert. Hier werden Kinder, die eh schon mit Handicap ins Schulleben gestartet sind, im Grunde auch im Stich gelassen. Die wichtigen Weichenstellungen hin zu einer besseren Förderung passieren einfach nicht.
Die Bildungsdiskussion mit dem ernsthaften Willen, die Grundvoraussetzungen für alle Schüler zu verbessern, ist überfällig. Mit den Handwerkeleien zu einer gewollten Oberschule ist diese notwendige Qualitätsoffensive nicht zu ersetzen. Und auch die ganzen schönen Programme zum “Lernen vor Ort” können nur in Teilen nachbessern, was bei der Grundausstattung im sächsischen Bildungssystem fehlt.
Daten zur Bildung in Deutschland stellt auch das Bundesamt für Statistik zur Verfügung: www.bildungsmonitoring.de
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