Als hätte es den Stadtratsbeschluss von 2008 zum "forum thomanum" nicht gegeben, beantragten am 28. März gleich drei Stadtratsfraktionen die Umgestaltung der Edouard-Manet-Schule zur Grundschule für die Thomanerausbildung. Das ist sie protokollarisch schon ein bisschen - im Hort gibt es ein entsprechendes Angebot. Aber das funktioniert mehr schlecht als recht. Mit dem Bau einer eigenen Grundschule wollte das "forum romanum" eigentlich schon eine fundierte Lösung anbieten.

Diese Grundschule direkt an der Sebastian-Bach-Straße war auch Teil des Stadtratsbeschlusses von 2008. Darauf baute die Gründung der privaten Grundschule im Jahr 2010 auf. Seitdem wurden schon zwei Klassen eingeschult. Die Pläne für den Neubau liegen lange in der Schublade. Doch seit Dezember 2012 ist alles ganz anders. Damals verweigerten drei Stadträte von CDU, SPD und Grünen im Grundstücksverkehrsausschuss die Zustimmung für den notwendigen Erbbaurechtsvertrag. Denn das Gelände an der Sebastian-Bach-Straße gehört der Stadt, das “forum thomanum” braucht den Vertrag, um die geplante Grundschule für 200 Schüler bauen zu dürfen.

Doch nicht nur den Erbbaurechtsvertrag verweigern die drei Fraktionen jetzt – und widerrufen damit im Grunde auch den Stadtratsbeschluss von 2008, der eine Unterstützung für das Gesamtprojekt “forum thomanum” beinhaltete. Sie wollen die Grundschule “Edouard Manet” nun auch so ummodeln, dass hier eine “Grundschulausbildung für den Nachwuchs des Thomanerchores” möglich wird, genau das also, was bislang nicht möglich war. Auch deshalb nicht, weil die Manet-Schule eine öffentliche Schule ist und zuallererst die Kinder aus ihrem Grundschulbezirk einschulen muss.

In der Ratsversammlung soll der Antrag der drei Fraktionen erstmals behandelt werden. Der Beschluss soll dann möglicherweise schon am 15. Mai in der Ratsversammlung gefällt werden. Im Antrag wird der Stadtratsbeschluss von 2008 nicht einmal erwähnt. Hingegen klingt es so, als wolle man jetzt eine Lösung finden, die eine privatrechtliche Lösung ausschließt und quasi dem Schulamt der Stadt die Gestaltungshoheit für die Thomaner-Grundschule übergibt.

“Der Thomanerchor als ein außerordentlich bedeutsames kulturelles Aushängeschild der Stadt Leipzig bedarf der besonderen Aufmerksamkeit und Förderung durch diese. So muss die Stadt Leipzig als Trägerin des Chores in der Lage sein, die für den Chor und seine Entwicklung notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Die Leistungsfähigkeit eines solchen Chores kann nur gewährleistet sein, wenn eine kontinuierliche Nachwuchsarbeit stattfindet. Zu dieser Nachwuchsarbeit und Nachwuchsgewinnung muss sich die Stadt bekennen. Deshalb wurde dieser fraktionsübergreifende Antrag gestellt”, heißt es im Antrag. Ganz so, als gäbe es überhaupt kein Grundschul-Projekt im “forum thomanum” und auch keine Ablehnung der Stadträte für den beantragten Erbbaurechtsvertrag. “Eine in kommunaler Trägerschaft geführte Grundschule kann und muss sich diesen Anforderungen und Aufgaben stellen. Ziel muss es sein, eine musisch betonte Grundschule zu schaffen, die der Aus- und Heranbildung des Chornachwuchses dient und möglichst vielen Jungen und Mädchen eine fundierte musikalische Ausbildung ermöglicht.”

Das “forum thomanum” taucht dann ganz zum Schluss auf als Beschlusspunkt Nr. 7: “Die E.-Manet-Grundschule als Schule für die Nachwuchsausbildung des Thomanerchores wird Bestandteil des Campus Forum Thomanum.” Nur dass die Schule nicht im “forum thomanum” liegt. Im Kern scheint es eher darum zu gehen, die ausschließlich städtische Hoheit über die vom “forum thonamum” e.V. angestrebte musikalische Grundschulausbildung späterer Thomaner zu erlangen. Die Kapazitätsfragen scheint man dabei für nicht so wichtig zu halten. Die geplante private Schule im Forum sollte mit Eröffnung eine zweizügige Grundschule werden.Von den derzeit 360 Schülern an der Edouard-Manet-Schule bekommen derzeit 90 ein besonderes Hortangebot als künftige Thomaner. Im Werbetext der Schule: “Gleichzeitig erfolgt für ca. 90 Thomaneranwärter und Thomaner eine intensive Förderung auf musikalischem Gebiet in den Klassenstufen 1 bis 4.” Sicher ist das eine Interpretationsfrage, was man unter intensiv versteht. Thomaskantor Georg Biller ist mit dem, was im Rahmen der Hortangebote möglich ist, jedenfalls nicht allzu glücklich. Wirkliche Angaben zu dieser “intensiven Ausbildung” findet man auf den Seiten der Schule auch nicht. Die Rubrik “Thomaner” ist leer.

Ordentlich gefüllt ist dafür die Rubrik “Sportklassen”, denn bis dato ist die Schule auch Kooperationspartner des Olympiastützpunktes Leipzig. Den Schwerpunkt wird die Schule verlieren, wenn eine Sportgrundschule am Sportforum entsteht. Vielleicht war das die große Sorge der drei Stadtratsfraktionen.

Sie beantragten deshalb: “Die E.-Manet-Schule wird die Grundschule der Stadt Leipzig für die ‘Vor-Thomaner-Ausbildung’, d.h. es gibt eine städtisch getragene Nachwuchsausbildung für den Thomanerchor. Es ist zu prüfen, ob die Schule als Ganztagsschule geführt werden kann. Es ist ein Konzept zu erarbeiten, welches für die Schüler die besten Voraussetzungen bietet, nach entsprechender Vorbereitung in den Thomanerchor aufgenommen zu werden.”

Die Erarbeitung des Konzeptes soll nach diesem Antrag durch die Dezernate Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule sowie Kultur erfolgen, was eigentlich sogar eine regelrechte öffentliche Misstrauenserklärung gegenüber den Akteuren des “forum thomanum” ist. Nicht nur weil eine solche fachliche Vor-Arbeit von den beiden eh schon überforderten Dezernaten nicht wirklich zu erwarten ist, sondern weil man die eigentlichen Initiatoren des Grundschulprojektes dabei wie Zuarbeiter behandelt: “Die Mitarbeiter des Thomanerchores sind in die Erarbeitung unbedingt einzubeziehen. Die Leitung des Thomanerchores übernimmt die fachliche Ausbildung der Thomaneranwärter. Der Oberbürgermeister wird aufgefordert, die Bildungsagentur um Mitarbeit im Prozess der Profilbildung zu bitten.”

Die Leitung des Thomanerchores ist auch im Jahr nach “800 Jahre Thomana” immer noch der Thomaskantor. Der heißt Georg Christoph Biller und der fühlte sich durch diesen Vorgang an das letzte Jahr erinnert, in dem nicht nur der Thomanerchor feierte, sondern auch der Thomaskantor. Biller verwaltet das hohe Amt immerhin schon 20 Jahre, jetzt 21. “Dafür hab ich dann eine Quarktorte bekommen”, sagt er. Deutlich zerknirscht. Auch wenn es augenscheinlich nichts Neues ist, dass der Leipziger Stadtrat den städtisch angestellten Thomaskantor auf solche Weise “in die Schranken verweist”.

Ist natürlich die Frage: Wen hat er eigentlich so verärgert, dass sich gleich drei Fraktionen getrieben sehen, dem “forum thomanum” und damit auch dem Thomaskantor die Vision Thomaner-Grundschule so komplett zu entziehen? Denn die Arbeit mit den angehenden Thomanern soll ja dann doch wieder die “Leitung des Thomanerchores” übernehmen.

“Nach Vorliegen des Konzeptes soll umgehend, ggfs. auch schrittweise, mit dessen Umsetzung begonnen werden”, beantragen die drei Fraktionen. Und schreiben dann einen Satz hinein, vor dem sich die Leipziger so langsam zu fürchten beginnen: “Die Verwaltung wird aufgefordert, dezernatsübergreifend ein Konzept für die Ertüchtigung der E.-Manet-Grundschule zu erarbeiten.” Im Sozialdezernat steht zwar eine Neuwahl des Bürgermeisters an. Aber der Fall des völlig aus dem Ruder gelaufenen Amtes für Jugend, Familie und Bildung hat eigentlich gezeigt, dass man solche Projekte nicht wirklich einfach “in die Verwaltung” abschieben darf. Und was heißt eigentlich an der Stelle “dezernatsübergreifend”? – Das eine Dezernat stellt das Schulgebäude, das andere wird sowieso wieder beim Thomaskantor anrufen. Wo sonst soll die fachliche Zusatzausbildung her kommen?

“Die Finanzierung ist dezernatsübergreifend sicherzustellen”, steht noch da. Was damit freilich auch festgezurrt wird, ist der öffentliche Charakter der Schule, die weiterhin die Grundversorgung für den Schulbezirk absichern muss. Eine “Thomaner-Ausbildung” kann da immer nur so viel Platz einnehmen, wie es die Grundversorgung zulässt. Die Schwierigkeiten, hier freie Plätze für Thomaner-Choranwärter zu bekommen, werden damit nicht gelöst, sondern manifestiert.

Veranstaltungstipp: Eine öffentliche Diskussionsveranstaltung zur aktuellen Debatte um den Bildungscampus forum thomanum unter dem Thema “Thomanerchor braucht Grundschule forum thomanum” findet am Dienstag, 16. April, um 19:30 Uhr in der villa thomana (Sebastian-Bach-Straße 5) statt.

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