Es ging ganz lakonisch am 1. März durch die Presseverteiler: "Neue Studiengebühren- und Entgeltordnung an der Hochschule für Musik und Theater Leipzig tritt am 1. März 2013 in Kraft". Es war die Leipziger Hochschule für Musik und Theater, die damit darauf aufmerksam machte, dass der Freistaat Sachsen jetzt zusätzliche Studiengebühren kassiert. Und die ersten, die zur Kasse gebeten werden, sind ausgerechnet die Studierenden aus dem Ausland. Wie nennt man so etwas? Negativ-Werbung?
Es war die im Herbst 2012 verabschiedete Hochschulgesetzgebung, in der die rein aufs Geld fixierte CDU/FDP-Regierung beschloss, die Studierenden, die ihr Regelstudium überziehen (müssen) oder gar ein Zweitstudium in Sachsen wagen, zur Kasse zu bitten.
Die Hochschule für Musik und Theater (HMT) Leipzig hat das folgerichtig in ihre neue Gebühren- und Entgeltordnung übernommen. Sie trat am 1. März in Kraft. Und schon in den aus der sächsischen Gesetzgebung übernommenen Formulierungen wurde deutlich, dass es nunmehr ganz unterschiedlich gewürdigtes Ausland gibt.
So bleibt das Erststudium an der HMT Leipzig – wie an allen sächsischen Hochschulen – für Staatsbürgerinnen und Staatsbürger aller EU-Länder weiterhin gebührenfrei. Denn: “Der Freistaat Sachsen finanziert ein gebührenfreies Erststudium für EU-Bürger an seinen Universitäten und Hochschulen. Die HMT wird auch weiterhin nach der Einführung der neuen Gebühren zum überwiegenden Teil – über 96% – vom Land finanziert. Alle Bereiche des Öffentlichen Dienstes im Freistaat Sachsen sind jedoch in den letzten Jahren einem strengen Sparkurs unterworfen worden. Auch die Hochschulen müssen auf stagnierende oder gar fallende Zuweisungen reagieren, wenn sie die Qualität des Lehrangebotes aufrechterhalten wollen. Die Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung ist § 12 Sächsisches Hochschulfreiheitsgesetz (SächsHSFG) in der Fassung ab 1.1.2013.”
So teilte es die HMT ihren Studierenden mit. Schon das eigentlich eine versteckte Kritik an dem, was die Verantwortlichen in der sächsischen Landesregierung angerichtet haben. Denn das Spardiktat wird ja auch weiterhin mit gesunkenen Studierendenzahlen begründet – obwohl die Studierendenzahlen gestiegen sind.
Ist natürlich die Frage: Wie offen geht eine Hochschule mit dem Dilemma um? Denn das “Spardiktat” hat ja Folgen – die Etats sind allerorten beschnitten worden. Also ließ die HMT verlauten: “Die HMT Leipzig benötigt das Geld, um ihre Lehrbeauftragten fairer entlohnen zu können. Lehrbeauftragte sind selbstständige Lehrkräfte, die an den deutschen Musikhochschulen das Lehrangebot der Professorinnen und Professoren ergänzen. In Leipzig erhalten viele hochqualifizierte Lehrbeauftragte derzeit nur 23 Euro pro Stunde. Diese Summe ist deutlich zu niedrig und soll ab dem Wintersemester 2013/14 erhöht werden.”
Aber man war sich in der Hochschulleitung sehr wohl bewusst, dass es besondere Studierendengruppen auch besonders trifft. “Von den Änderungen betroffen sind knapp 170 Bachelor- bzw. Masterstudierende an der HMT, die nicht EU-Bürgerinnen oder -Bürger waren, sowie etwa 70 Studierende, die ein gebührenpflichtiges Zweitstudium an der HMT absolvieren”, teilte die Hochschule mit. Das sind erhebliche Zahlen an einer Hochschule mit rund 830 Studierenden. Rund 260 davon aus dem Ausland. Aber auch aus anderen Bundesländern kommen ungefähr 380 Studierende. Es ist eine jener Leipziger Hochschulen, die von einem guten, international ausstrahlenden Ruf zehrt.
Das kann man durch solch eine Aktion natürlich gefährden. Und bei der aktuellen sächsischen Regierung hat man zuweilen auch das seltsame Gefühl, das sie genau das gefährden will, weil sie Bildung im Freistaat komplett unter pekuniärem Gesichtspunkt betrachtet. Dass die ausländischen Studierenden in Sachsen das beste Marketing für diese Region sind, scheint man in Dresden nicht einmal zu ahnen.Entsprechend hart klingt dann auch, wie die HMT die Folgen für die betroffenen Musikstudierenden formulierte: “EU-Studierende im Zweitstudium, die bereits immatrikuliert sind, zahlen die alten Gebühren bis zum Abschluss. Nicht-EU-Studierende haben bis zum Wintersemester 2013/14 Zeit, sich um eine Finanzierung zu kümmern, da die neuen Studiengebühren für diesen Personenkreis erst dann eingeführt werden; sie werden sich um Stipendien aus einem neuen Stipendienprogramm bewerben können, in dem nachgewiesene Bedürftigkeit ein wichtiges Kriterium für die Stipendienvergabe sein wird.”
Ein Zweitstudium an der HMT war auch bisher kostenpflichtig. Doch diese Gebühren werden zum Wintersemester 2013/14 von bislang 500 Euro auf 900 Euro pro Semester erhöht. Allerdings würden die alten Gebühren weiterhin für bereits immatrikulierte Studierende mit EU-Staatsbürgerschaft gelten, so die Hochschule.
Ab dem Wintersemester 2013/14 aber werden Studiengebühren in Höhe von 1.800 Euro pro Semester für alle Studierenden erhoben, die nicht Staatsangehörige eines EU-Landes sind.
Einzige Ausnahme: Studierende in der Künstlerischen Meisterklasse, die sogenannten “Meisterschüler”, sowie Promovenden zahlen weiterhin keine Studiengebühren, unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft.
Der StuRa der HMT hat sich des Themas bislang noch nicht angenommen. Es scheint auf den ersten Blick nur ein Problem der Gäste zu sein. Womit vielleicht sogar ein Ziel der Gesetzgebung erreicht ist: Neue Mauern aufzubauen, wo vorher keine waren. Teile und herrsche, heißt ja der alte Spruch. Im Ergebnis fühlen sich gerade jene Studierenden, auf die die HMT bislang besonders stolz sein konnte, ausgegrenzt. Zur Kasse gebeten, weil sie keine honorigen EU-Bürger und auch keine einheimischen Deutschen sind. Japan, China, Korea, Russland, Israel – das sind aber keine musikalischen Provinzen. Jedes Bach-Fest ist stolz darauf, wenn Musiker und Besucher aus diesen Ländern zum Fest anreisen. Nur der Freistaat Sachsen bittet sie in seiner Scrooge-Art zur Kasse.
Die ausländischen Studierenden der HMT haben deshalb eine Petition verfasst, die sie am Montag auf einer Generalversammlung der HMT verlasen. Die Mehrzahl von ihnen wird ihr Studium abbrechen müssen, da sie nicht über die Mittel verfügen, um solche erheblichen Gebühren zu bezahlen.
Die HMT hatte mit ihrer Mitteilung auch ein paar Vergleichszahlen zu anderen Musikkonservatorien verschickt. Aber so wirklich weit entfernt sind einige der aufgeführten Hochschulen den Leipziger Sätzen auch nicht. Die Vergleichszahlen sind Jahreszahlen. Deshalb muss man die Leipziger Semestergebühr verdoppeln – der Vergleichswert sind also 3.600 Euro Jahresbeitrag.
Die Hochschule der Künste Amsterdam (Niederlande) ist mit 1.835 Euro für EU-Bürger und 4.500 Euro für Nicht-EU-Bürger ein wenig teurer. In ähnlicher Dimension liegen das Central Conservatory in Beijing, China, mit 2.400 Euro (BA Instrumental) bis 5.760 Euro (MA Dirigieren), die Hanyang University in Seoul, Südkorea, mit 4.360 Euro (BA), 5.050 Euro (MA) und die Seoul National University, Südkorea mit 3.000 Euro (BA) und 3.530 Euro (MA).
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Die anderen von der HMT zum Vergleich herangezogenen Musikhochschulen sind nach den Gebührensätzen schon deutlich teurer: Birmingham Conservatory (Großbritannien) mit 10.500 Euro (EU-Bürger) und 14.600 Euro (nicht EU), Escuela Superior Reina Sofia in Madrid mit 18.335 Euro, Musikhochschule Budapest, Ungarn, mit 5.800 Euro (BA Instrumental) bis 8.800 Euro (MA Dirigieren), New England Conservatory, Boston, USA, mit 28.450 Euro und San Francisco Conservatory, USA, mit 14.000 Euro.
Die Studiengebühren seien im europäischen und internationalen Vergleich mäßig. Die Hochschule erwarte nicht, dass es zu einem dramatischen oder gar nachhaltigen Einbruch der Bewerberzahlen kommen werde, teilte die HMT mit. Fakt ist aber, dass es andere Bewerber sein werden. Auch das qualifizierte Musikstudium in Leipzig wird zunehmend eine Frage des Geldes – nicht mehr des Talentes.
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