Am 12. März teilte das Sächsische Kultusministerium mit, wie viele Schüler in Sachsen ab Herbst aus den Grundschulen in Mittelschule oder Gymnasium wechseln. Bildungsempfehlung heißt das Instrument, mit dem die Weiche für rund 26.900 Grundschüler der 4. Klassen an öffentlichen Schulen gestellt wurde. Für die meisten fürs Leben. Ingenieur oder Ärztin heißt es für die einen, Friseuse oder Bauarbeiter für die anderen?
Es gibt zwar in der 6. Klasse eine weitere Bildungsempfehlung, die weiteren begabten Jugendlichen den Weg aufs Gymnasium eröffnet. Aber dieses “empfehlende” Dirigieren kann natürlich nicht wirklich darüber hinwegtäuschen, dass die von FDP und CDU gewollte Oberschule bislang nicht mehr ist als eine Worthülse, dass es Konzepte für eine wirklich moderne, Fähigkeiten ausbildende Schule in Sachsen noch immer nicht gibt. Nur eines wird deutlich: Nachdem die Landesregierung mit der Erhöhung der Zugangskriterien für das Gymnasium kurzzeitig dafür gesorgt hatte, dass wieder mehr Kinder auf die Mittelschule wechselten, erhöhte sich der Anteil der Bildungsempfehlungen fürs Gymnasium wieder deutlich.
Im Schuljahr 2011/12 erhielten von rund 26.800 Grundschülern der 4. Klassen an öffentlichen Schulen 45 Prozent (12.100 Schüler) eine Bildungsempfehlung für das Gymnasium und 53 Prozent (14.300 Schüler) für die Mittelschule.
Von den Kindern, die jetzt eine Bildungsempfehlung erhielten, haben 47 Prozent (12.600 Schüler) eine Bildungsempfehlung für das Gymnasium und 52 Prozent (14.000 Schüler) für die Mittelschule erhalten.
Auch alle 26.500 Sechstklässler haben eine verpflichtende Bildungsempfehlung an den Mittelschulen (betrifft 15.600 Schüler) und eine Schullaufbahnempfehlung an den Gymnasien (10.900 Schüler) bekommen. Damit soll die Durchlässigkeit und Anschlussfähigkeit zwischen beiden Schularten verbessert werden. Etwa 10 Prozent der Sechstklässler der Mittelschule haben eine Bildungsempfehlung für das Gymnasium erhalten.
In den Regionalstellen der Bildungsagentur wird jetzt mit Hochdruck an der Klassenbildung für alle allgemeinbildenden öffentlichen Schulen gearbeitet. Am 7. Juni 2013 erhalten die Eltern die Information, an welcher Schule ihr Kind im neuen Schuljahr lernen wird.
Ein Einflussfaktor auf die Bildungsempfehlungen ist auch der Wohnort der Kinder. Schon in den vergangenen Jahren war sichtbar, dass in Großstädten wie Leipzig deutlich mehr Kinder aufs Gymnasium wechseln als im ländlichen Raum. Die Zahlen für die diesjährigen Bildungsempfehlungen bestätigen das.
Von den etwas mehr als 2.800 Kindern, die im Herbst in Leipzig in die 5. Klasse kommen, bekamen 1.454 die Empfehlung fürs Gymnasium. Das sind etwas über 51 Prozent. 1.363 werden an die Leipziger Mittelschulen wechseln. Dabei ist der Druck auf die 16 – mit dem in der Trägerschaft des Landes befindlichen Sportgymnasium sogar 17 – Gymnasien mittlerweile hoch. Allein sechs Gymnasien haben Anmeldezahlen von über 100 neuen Schülern (Heisenberg, Robert Schumann, Schiller, Kant, Ostwald und Humboldt). Das Schiller-Gymnasium mit 139 Anmeldungen dabei die meisten.
1.363 Kinder werden auf die Leipziger Mittelschulen wechseln.
Im Landkreis Nordsachsen sieht das Verhältnis schon ganz anders aus. Von 1.467 Kindern werden 558 aufs Gymnasium wechseln (38 Prozent), 909 auf die Mittelschule.
Noch deutlicher ist der Unterschied im Landkreis Leipzig: Von 1.634 Kindern wechseln dort nur 554 aufs Gymnasium (34 Prozent), 1.080 auf die Mittelschule.
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Vor einigen Jahren wären diese Zahlen gar nicht weiter aufgefallen, weil sie dem sächsischen Durchschnitt entsprachen. Es sind auch in diesem Fall die Großstädte, in denen sich die Entwicklungen deutlich beschleunigt haben – bei allen Problemen, die Kinder aus sogenannten bildungsferneren Schichten im sächsischen Schulsystem bekommen. Hier sammeln sich mit dem weitergehenden Umzug aus den ländlichen Regionen in die Metropolen die Elternhäuser mit hohem Bildungsabschluss – die logischerweise auch ihre Kinder wieder zu höheren Bildungsanstrengungen animieren.
Es ist eben leider nicht die Begabung der Kinder, die in Sachsen über ihre Bildungs- und damit Berufskarriere entscheidet, sondern vor allem das Bildungsangebot und die Förderung im Elternhaus, gekoppelt mit den Bildungsangeboten der Stadt. Man könnte den Effekt verstärken, indem man Schulen besser ausstatten würde, den Unterricht polytechnischer gestalten und die Kinder länger gemeinsam lernen lassen würde. Aber das ist in Sachsen bisher so nicht gewollt.
Vielen Schülern wird so auch die Motivation genommen. Während Gymnasiasten in Leipzig in der Regel kein Problem haben, einen Schulabschluss zu erlangen – davon 88 Prozent in der Regel das Abitur, etwas über 11 Prozent einen Realschulabschluss und eine Handvoll Schüler auch noch den Hauptschulabschluss, verlassen immer so um die 10 bis 12 Prozent der Leipziger Mittelschüler die Schule ohne Abschluss. Bei den Förderschülern verstärkt sich dieser Effekt noch.
Was eigentlich seit Jahr und Tag die Aufgabe stellt: Sachsens Schulen müssen integrativer werden – und sie müssen endlich auch personell so gut ausgestattet werden, dass sie möglichst viele, wenn nicht gar alle Schüler motivieren.
Das Hauptproblem ist die Motivation, nicht die Begabung. Aber dazu müsste auch politisch ein motiviertes Volk gewollt sein. Aber das will man ja nicht wirklich, wie es aussieht.
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