Normalerweise müssen Regierungen nichts anderes tun, als ihre Etats immer wieder den Veränderungen der Wirklichkeit anzupassen. Wirklich große Reformen sind tatsächlich höchstens ein oder zwei in einer Legislatur dran. Doch die Parteien verheddern sich Jahr um Jahr in Lobby-Politik. Die Wirklichkeit wird einfach weggeblendet. Sie sitzt ja nicht im gebügelten Anzug im Vorzimmer. So wird auch ein elementares Feld wie die Bildungspolitik in Sachsen sträflichst vernachlässigt.
So bestätigt es auch wieder eine Nachfrage der bildungspolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Cornelia Falken. Diesmal ging es nicht um die üblichen Themen, die Jahr um Jahr ausgesessen werden – vom Lehrermangel über die hohe Abgangsrate ohne qualifiziertes Zeugnis, den Sanierungs- und Neubaunotstand oder die oft Jahre dauernden Hängepartien um zur Schließung vorgesehene Schulen.
Die schwarz-gelbe Landesregierung scheitert bei diesem Thema immer wieder an ihren eigenen starren Vorstellungen von dem, was Schule zu sein hat, will weder von ihren Mindestschülerzahlen abrücken noch die Gemeinschaftsschule auch nur als Experiment wagen. Und gerät dabei zwangsläufig in Grabenkämpfe mit der Kommunalpolitik – denn Landräte im Freistaat wären ja mit dem Klammerbeutel gepudert, würden sie auch nur eine einzige Schule kampflos preisgeben. Denn damit geht ein wichtiger Baustein der Infrastruktur verloren, die Kinder machen schon mit sechs Jahren den ersten Schritt, um ihren Heimatort zu verlassen. Sie merken, dass das Wort “Heimatverbundenheit” im Mund der sächsischen Politik nur eine Worthülse ohne Inhalt ist. Und der Bus ein Lebensraum, der den Lebensrhythmus für zehn, zwölf Jahre bestimmt. Danach hat man seine Freundeskreise sonstwo – aber nicht mehr zu Hause vor der Spätverkaufsstelle.
Aber so denken – leider – viele verantwortliche Politiker in Sachsen nicht. Dass es in vielen Schulen zu jahrelangen Hängepartien bei der Besetzung der Schulleiterposten kommt, hat damit zu tun. Das bestätigt auch Brunhild Kurth in ihrer Antwort auf die Anfrage von Cornelia Falken.
Die ist das Dilemma eigentlich langsam leid, denn es ist nicht neu. Und eine Regierung, die ihre Arbeit ernst nimmt, hätte die Klärungen im Lauf der Jahre längst vornehmen können.
“Schon zur Vorbereitung des Schuljahres 2008/2009, also vor fast fünf Jahren, habe ich das Kultusministerium aufgefordert, umgehend über die offenen Schulleiterstellen zu entscheiden. Aus der Antwort vom 20. Februar 2013 auf meine Kleine Anfrage (Drucksache 5/11120) geht hervor, dass das Schulleiter-Problem seitdem noch größer geworden ist”, stöhnt Falken. Das Kultusministerium befand sich die ganze Zeit in CDU-Verfügung. Von 2008 bis 2012 war Roland Wöller Kultusminister – der dann Anfang 2012 krachend das Handtuch schmiss, weil er kein einziges der sich häufenden Probleme gelöst bekam. Nicht mal das wichtigste: das der verfügbaren Lehrer. Alles, was die sächsische Landesregierung seitdem präsentiert hat, ist Flickwerk. Man stopft die einen Löcher damit, das man anderswo welche aufreißt.Und dass Sachsens Kultusminister derart ratlos agieren, hat natürlich damit zu tun, dass es eigentlich nur noch eine dirigierende Instanz in der Regierung gibt: den Finanzminister, der von seinen Kürzungsvorgaben bestenfalls mal um Millimeter abrückt.
Damit wird dann wohl auch das Zögern zusammenhängen, die Lehrer, die sowieso schon den Schulbetrieb leiten müssen, ganz offiziell auf die Schulleiterposten zu berufen. Auch das spart Geld.
Falken: “So betreuen 20 Schulleiter gleich zwei Schulen, darunter große Einrichtungen wie Förderschulen oder Berufsschulzentren. 112 Schulen werden kommissarisch geleitet und 42 kommissarisch von stellvertretenden Schulleitern. Unter den 112 kommissarisch geleiteten Schulen gibt es Schulleiter, die bis zu acht Jahre amtieren. In Chemnitz und Leipzig befinden sich die meisten kommissarisch geleiteten Schulen: 38 in Chemnitz und 24 in Leipzig. Insgesamt 132 Schulen werden im Freistaat Sachsen nicht von Schulleitern geleitet. 57 Schulleiter sind langzeitkrank oder abgeordnet, was bedeutet, dass diese Stellen nicht neu besetzt werden können.”
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Im Fall der kommissarischen Schulleiter-Besetzungen betont Kultusministerin Brunhild Kurth zwar, dass einer regulären Besetzung “in der Regel Standortunsicherheiten entgegenstehen”. Aber diese “Standortunsicherheiten schafft das Land selbst. Und dass es im Regionalbezirk Leipzig 23 solcher kommissarischen Besetzungen gibt, von denen eine sogar schon acht Jahre dauert, spricht dafür, dass man solche belastenden Zustände gar nicht lösen will. Sonst hätte man längst Konzepte entwickelt, “wie die Schule im Dorf” bleiben kann. Denn gerade bei Grundschulen brennt das Problem – im ganzen Land.
“Das ist ein völlig unhaltbarer Zustand. Ich fordere das Kultusministerium auf, die Besetzung von Schulleiterstellen zu beschleunigen. Lehrern, die seit Jahren als Leiter einer Schule amtieren, ist endlich der Schulleiter-Status zu gewähren”, sagt Falken.
Die Antworten von Kultusministerin Brunhild Kurth als PDF zum download.
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