Am vergangenen Sonnabend wurde Andreas Geisler zum neuen Vorsitzenden des Leipziger Stadtelternrates gewählt. "Als optimistischer Mensch glaube ich immer noch, mit Einsatz etwas erreichen und bewegen zu können", sagt der selbstständige Bäckermeister aus Lindenthal im L-IZ-Interview. "Blanken Wahnsinn" nennt er die Schulabbrecherquote in Leipzig.

Herr Geisler, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Amt. Was reizt Sie an dem Amt des Vorsitzenden des Leipziger Stadtelternrates?

Seit nunmehr fast 14 Jahren beschäftige ich mich aktiv mit Elternarbeit in den Schulen meiner Kinder. Ich hatte Gelegenheit, vier Jahre in der Grundschule, zwei Jahre in der Mittelschule und acht Jahre in einem Gymnasium sowie jetzt aktuell seit diesem Jahr in einem Beruflichen Schulzentrum als Elternsprecher oder stellvertretender Elternsprecher zu wirken.

Dazu habe ich die beiden letzten Jahre als stellvertretender Kreiselternratsvorsitzender in Nordsachsen gewirkt und dort mit dem Vorstand was wirklich Tolles aufgebaut.

Jetzt ist es an der Zeit, das gesammelte Wissen und die vielen Erfahrungen an die nächste Generation Elternsprecher weiterzugeben. Und was liegt näher das in meiner Geburts- und Heimatstadt Leipzig zu tun.

Wie soll diese Wissensweitergabe erfolgen?

Ich habe mit meinem Vorstand die Gelegenheit, allen Elternsprechern und aktiven Eltern in Leipzig ein Informationsplus zu geben, um ihnen zu helfen, dieses schwierige Ehrenamt für alle Kinder gestaltend zu nutzen. Als optimistischer Mensch glaube ich immer noch, mit Einsatz etwas erreichen und bewegen zu können. Irgendwann hat mir mein Lehrmeister mit auf den Weg gegeben, ich soll so lange auf das Glück einprügeln, bis es sich in meine Richtung dreht.
Und wenn man so lange dabei, ist weiß man, wie schwerfällig die eine oder andere Verwaltung ist, wie langsam sich Politik bewegt und was für dicke Bretter zu bohren sind. Aber gerade schwierige Aufgaben reizen mich besonders, denn einfach kann doch jeder.

Und ich habe in den letzten Jahren offensichtlich auch genug Erfolgserlebnisse in diesen Ämtern gehabt, um den Glauben daran, immer wieder kleine Verbesserungen zu schaffen, nicht zu verlieren. Vielleicht treibt mich aber auch nur meine unbändige Ungeduld immer weiter im Sinne der Eltern.

Welche Themen sind Ihnen und dem neuen Vorstand besonders wichtig?

Oh Gott da gibt es viele Themen. Also um mal einen Anfang zu bekommen. Wir haben in Sachsen eine sehr hohe Quote an Schülern, die eine Schule ohne Abschluss verlassen. Nach mir vorliegenden Zahlen sind das allein in Leipzig über 15 Prozent der Schüler: also etwa jeder Siebente. Das ist der blanke Wahnsinn!

Aber wo sind die Gründe? Das geht vom Elternhaus, über frühkindliche Bildung, das Umfeld, die Schule, unsere zu zeitige Trennung/Auslese in Gymnasium und Mittelschule hier in Sachsen, zu viele Kinder abgeschoben in Förderschulen: Das hilft weder denen, die schwer lernen können, noch bildet es soziale Kompetenzen bei den anderen Kindern. Das wird verstärkt durch zu wenige Lehrer, zu große Klassen, wenig Perspektive, kaum Vorbilder und so weiter.

Diese Zusammenhänge müssen wir unbedingt thematisieren. Aber die Stoßrichtung ist schwierig, denn es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und hat eben sehr viele Ursachen, von denen nur einige in Leipzig liegen. Aber wir werden es immer wieder ansprechen und versuchen es zu verändern.

Wie steht es denn um die Stoßrichtung in Sachen Sanierungsstau bei Leipziger Schulen?
Die bauliche Situation der Schulen in Leipzig ist ein großes Problem. In der Elternschaft gibt es natürlich Potenzial in den verschiedensten Berufen und einer hat mal errechnet, dass die Leipziger Schulen einen Buchwert von über 800 Millionen Euro haben und dass man eigentlich drei Prozent dieser Summe für jährliche Unterhaltsmaßnahmen einplanen muss, um nicht auf Verschleiß zu fahren. Von dieser Summe waren wir viele Jahre meilenweit entfernt und in vielen Schulen sieht man die Ergebnisse.

In vielen Schulen braucht man kein Fenster zu öffnen um zu lüften, denn die Spalten sind groß genug. Und selber erlebt habe ich Kinder, die lieber in der Pause oder nach der Schule nach Hause rennen, um nicht auf die verschlissenen Toiletten gehen zu müssen.

Und die Frage muss gestellt werden wenn ein Großteil der Gelder für Sanierung in den Brandschutz fließen: Wie viel bleibt dann noch für den Rest wie Sanitäranlagen übrig, da muss auch mal über die Sinnhaftigkeit von Standards nachgedacht werden.

In welche Richtung denken Sie dabei?

Der Stadtrat hatte mal beschlossen, nur Holzfenster einzubauen, weil die wertiger sind. Aber wenn die nicht regelmäßig gewartet werden und mal neue Farbe bekommen, sind sie schnell hinüber.
Die Turnhallensituation und der große Bedarf an Schulneubauten sind auch Themen für den neuen Vorstand. Aber auch die folgende Frage: Wie wird eine Nachnutzung/Umnutzung in einer sich so schnell wandelten Stadt im Sinne von Nachhaltigkeit gelebt. Gerade bei Neubauten müssen unbedingt die späteren Nutzer mitreden dürfen. Dort muss der Freistaat reagieren und schon mal vorab einen Schulleiter benennen für die schulische Seite des Bauwerkes, die Eltern müssen mitreden dürfen und das Schulamt muss für diese Aufgabe gestärkt werden. Und beide müssen die unabdingbare Notwendigkeit der Mitsprache erkennen und auch aktiv mit Leben füllen wollen.

Die Veränderung der Fördersätze bei Neubauten wird zum großen Problem vor allem in einer so schnell wachsenden Stadt wie Leipzig, zumal durch eine Kleine Anfrage im Landtag auch klar wurde, wie stiefmütterlich Leipzig bei der Vergabe der Fördermittel für Schulbau durch den Freistaat behandelt wurde in den letzten Jahren.

Welche Themen wollen Sie gegenüber dem Freistaat Sachsen noch ansprechen?

Die Stoßrichtung nach Dresden ins Kultusministerium ist natürlich ein umfassendes Thema. Die Umsetzung des Lernmittelurteils ist eine Frechheit. Erst spielt man auf Zeit, dann will man es erst im Schuljahr 13/14 anpacken. Und was der größte Hammer ist: Wohl wissend, dass die Umsetzung des Urteils die Kommunen über 30 Millionen Euro jährlich kosten wird, stellt man nur 5 Millionen im sächsischen Haushalt ein. Den Rest müssen die Kommunen, in unserem Fall die Stadt Leipzig, ausbaden.

Der Lehrermangel und der große Ausfall, sobald auch nur ein Lehrer krank wird, ist ein wichtiges Gesprächsthema mit der Sächsischen Bildungsagentur, Regionalstelle Leipzig (SBAL), aber dazu vielleicht später mehr.

Was wir auf jedem Fall angehen, ist der Schulterschluss mit den Kreiselternräten von Nordsachsen und dem Leipziger Land bei allen Themen, deren Stoßrichtung Dresden ist.

Wo besteht hier aus Ihrer Sicht Abstimmungsbedarf?

In Nordsachsen haben wir uns sehr stark mit der Schülerspeisung beschäftigt, wir haben geklärt, wer in der Schule für die Suche nach dem richtigen Essensanbieter verantwortlich ist, was da der Schulträger zu leisten hat und wie gesunde Angebote aussehen können. Und wir haben die Schulen untereinander vernetzt, und siehe da: Der gleiche Anbieter hat an drei Schulen drei Angebote gefahren, einmal mit Salattheke und Gratisgetränk, einmal nur Salat und einmal beides nicht.

Vielleicht ist aber auch der Weg zur eigenen Schulküche mit gesundem Essen ein guter Weg bei immer größeren Schulen und längeren Schulzeiten, vielleicht sollte Leipzig da mal eine Vorreiterrolle einnehmen, gerade beim Neubau und Neuplanung von Schulen. Gesunde Ernährung und vor Allem das Heranführen an gesunde Ernährung bei unseren Kindern wird eine große Zukunftsaufgabe werden.

In Nordsachsen war der Schülerverkehr ein wichtiges Thema für mich. Auch hier in Leipzig habe ich da aus eigenem Erleben Schwachstellen entdeckt über die man reden muss, sei es bei der Nutzungsmöglichkeit von Gruppenkarten bei schulischen Veranstaltungen auch für Horte, sei es bei der Größe der eingesetzten Busse gerade in der kalten Jahreszeit oder sei es bei der Anbindung des Schülerverkehrs aus dem Zentrum von Leipzig heraus an den Rand und die neuen Ortsteile. Warum gehen Vernetzung von Bussen und Bahnen stadteinwärts besser als stadtauswärts?

Teil II des Interviews demnächst an dieser Stelle.

www.ser-leipzig.de

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