Der deutsche Bildungsprimus hat ein Problem. Er hat zu lange gespart und auf Verschleiß gefahren. Noch im Januar hat die Sächsische Staatsregierung so getan, als gäbe es überhaupt keine Probleme. Am 20. März trat dann Roland Wöller vom Amt des Kultusministers zurück, weil er den Sparkurs auf Kosten von Lehrern und Schülern nicht mehr mittragen wollte. Nun ist auch der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion von seinem Amt zurückgetreten.

Das Szenario ist kurz aufgemalt. Noch am Donnerstag, 30. August, erklärte die Nachfolgerin von Roland Wöller im Kultusministerium, Brunhild Kurth, dass man es mit Ach und Krach geschafft hätte, die Unterrichtsversorgung zum Beginn des Schuljahres zu sichern.

Das mit dem Ach und Krach ließ sie weg, aber selbst der geäußerte Zweckoptimismus ließ ahnen, dass da Vieles sehr sehr knapp auf Kante genäht ist. “Der Unterricht in ganz Sachsen und in fast allen Schularten ist abgesichert, die Unterrichtsversorgung zum neuen Schuljahr ausreichend”, sagte sie.An der Stelle nur zur Erinnerung: Brunhild Kurth ist selbst Lehrerin (Biologie, Chemie). Sie weiß, was das Wort ausreichend bedeutet. Und sie hat es ganz bestimmt nicht ohne Gedanken verwendet. Genau dieses Wort.

“Die Note ‘ausreichend’ soll erteilt werden, wenn die Leistung zwar Mängel aufweist, aber im Ganzen den Anforderungen noch entspricht”, erläutert Wikipedia diese Note. Es ist im deutschen Bildungswesen ganz offiziell die Note 4.

Brunhild Kurth hat am Donnerstag dem Sächsischen Bildungssystem im Jahre 2012 die Note 4 erteilt. Ganz offiziell. Der Schüler hat mit Ach und Krach das nächste Schuljahr erreicht. “Das Gesamtergebnis ist angesichts der enormen Kraftanstrengungen akzeptabel. Mehr Lehrerstunden für Arbeitsgemeinschaften, schulartübergreifende Projekte oder zusätzliche Fördermaßnahmen wären allerdings schön gewesen”, sagte Kultusministerin Brunhild Kurth. Weil sie aber weiß, dass die Hälfte der kurzfristigen Entlastungsmaßnahmen eher Pflaster und Wundverbände sind, hat sie auch die vorsichtige Warnung mitgegeben: In Einzelfällen könne es in Abhängigkeit von bestimmten Fächern an einzelnen Schulen jedoch zu Problemen bei der Unterrichtsabsicherung kommen. Das sei aber angesichts eines Personalkörpers von knapp 32.000 Personen und 1.365 öffentlichen Schulen nie auszuschließen …

Dass man sich auch in den Regierungsfraktionen der Lage durchaus bewusst ist, machten dann die Statements von dort deutlich.
Norbert Bläsner, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag, nach der Pressekonferenz der Kultusministerin: “Wichtigste Aufgabe in diesem Schuljahr ist es, den Unterrichtsausfall zu verringern. Die Kultusministerin hat in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Fraktionen die Weichen richtig gestellt, diesem Problem zu begegnen. Die Umsetzung des Programms ‘Unterrichtsgarantie’ ist dabei ein richtiger Schritt. Mit den Honorarmitteln in Höhe von sachsenweit insgesamt einer Million Euro können Schulleiter in eigener Verantwortung schnell und flexibel auf Probleme bei der Unterrichtsabsicherung reagieren. Mehr Verantwortung für die Schulen vor Ort – diesen Weg müssen wir auch in Zukunft weiter gehen.

Nicht zuletzt sind wir auch bei der Bekämpfung des Lehrermangels auf dem richtigen Weg, mit mehr jungen Pädagogen und dem Rückführen von Lehrern aus der Verwaltung in die Klassenzimmer. Wir werden die bereits beschlossenen Maßnahmen zur Sicherung des zukünftigen Lehrerbedarfs konsequent weiterführen, damit für alle Schularten und -fächer genug Lehrer zur Verfügung stehen.

Die Ankündigung der Lehrergewerkschaften, zum Schuljahresbeginn streiken zu wollen, ist ein Schlag ins Gesicht von Schülern und Eltern. Die Schüler vom ersten Schultag an mit der Hypothek ausgefallener Stunden ins Schuljahr starten zu lassen, ist schlichtweg verantwortungslos. Die sächsischen Schüler sind nichts weiter als die Leidtragenden von Gewerkschaftern, die ihre politischen Forderungen durchsetzen wollen. Denn das eigentliche Ziel der Gewerkschaften sind Veränderungen am Haushaltsentwurf.”

Und für die CDU trat dann nicht der schulpolitische Sprecher an die Öffentlichkeit, was schon verwunderte. Da übernahm gleich der Fraktionschef Steffen Flath die Aufgabe.

“Die wichtigste Nachricht ist heute, dass der Unterricht im kommenden Schuljahr in Sachsen abgesichert ist und die Kernaufgabe der Schule weiterhin umfänglich erfüllt wird. Ich danke allen Mitarbeitern der Schulverwaltung sowie Lehrerinnen und Lehrern, die in den vergangenen Wochen und Monaten dafür hart gearbeitet haben. Insbesondere danke ich der Staatsministerin Brunhild Kurth, die trotz ihrer erst kurzen Amtszeit diese großen Herausforderungen angenommen und gemeistert hat.

Für das neue Schuljahr ist es wichtig, dass wir den Unterrichtsausfall so gering wie möglich und langfristig den Lehrerbedarf decken können. Instrumente wie Ersatzeinstellungen und das Programm ‘Unterrichtsgarantie’, wofür der Freistaat eine Million Euro zur Verfügung stellt, bieten den Schulen bei kurzfristigen Personalengpässen die Mittel und nötige Flexibilität.

Was die Absicherung des Lehrerbedarfs für die kommenden Jahre anbetrifft, wird das Gegenstand ausführlicher Beratungen für den Doppelhaushalt 2013/2014 sein. Die CDU-Fraktion verfolgt das Ziel, dass Sachsen in Deutschland bei der Bildung an der Spitze bleibt. Wir wollen uns weiterhin an den Besten der Welt orientieren.”

Schon an dieser Stelle war recht oft das Wort “Unterrichtsgarantie” gefallen. Was mehr als zu denken geben dürfte. Wer bei einer Pflichtversorgung, wie es die schulische Bildung ist, von einer “Unterrichtsgarantie” sprechen muss, hat augenscheinlich schon absehbare Probleme damit. Und einer scheint an den Zauber nicht mehr zu glauben: Thomas Colditz.

Am Freitag, 31. August, trat er von seiner Funktion als schulpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion zurück.

Gleichtzeitig gab er auch seinen Rücktritt als Arbeitskreisvorsitzender bekannt. Der Fraktionsvorsitzende Steffen Flath bedauere diese Entscheidung zutiefst, teilt dieser mit, akzeptiere sie jedoch aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes.

“Ich danke Thomas Colditz persönliche und im Namen der gesamten Fraktion für seine sehr gute Arbeit und sein Engagement für die CDU-Landtagsfraktion. Als Vorsitzender des Arbeitskreises ‘Schule und Sport’ hat er die Schulpolitik in Sachsen über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg entscheidend mitgeprägt. Ich werde mich in den nächsten Tagen mit Thomas Colditz darauf verständigen, wie wir seine umfangreichen politischen Erfahrungen in der CDU-Fraktion weiterhin nutzen können”, sagte Steffen Flath in einer ersten Reaktion.

Wie sehr Thomas Colditz mit der sächsischen Sparpolitik im Bildungswesen haderte, kann man in einem Interview nachlesen, das die L-IZ 2010 mit ihm führte, als die derzeitige Malaise in der Lehrerversorgung längst absehbar war.

Zum Interview mit Thomas Colditz auf L-IZ.de

Lehrkraft-Misere in Sachsen: Thomas Colditz, Bildungssprecher der CDU, im Interview

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