Die Leitung der Universität Leipzig hat am Montag, 23. April, bei einer öffentlichen Anhörung im sächsischen Landtag die Pläne der Universitätsleitung zur Schließung des Institutes für Pharmazie verteidigt. Diesen Schritt, der eine Reaktion auf die Sparvorgaben der Landesregierung sei, gehe die Hochschulleitung "schweren Herzens", sagte Rektorin Prof. Dr. Beate Schücking.
Sie war gemeinsam mit dem Prorektor für Bildung und Transfer der Universität Leipzig, Prof. Dr. Thomas Lenk, nach Dresden gefahren.
Das Institut gehört Schücking zufolge mit seinen fünf Professuren zu den kleinsten Deutschlands. Nach einer kritischen Analyse aller Bereiche der Universität mit einem eigens entwickelten Indikatorenmodell und einem Blick über die Landesgrenze auf den mit 15 Professuren wesentlich größeren Pharmazie-Studiengang an der Martin-Luther-Universität in Halle sei die Hochschulleitung in Leipzig zu dem Schluss gekommen, das Pharmazie-Institut perspektivisch zu schließen.
Diese Entscheidung sei eine perspektivische, da noch in diesem Jahr Studierende immatrikuliert werden und in den kommenden fünf Jahren auch weiterhin etwa 45 Apotheker ihr Staatsexamen in Leipzig machen. Bundesweit gebe es 22 Pharmazie-Studiengänge. Die ähnlich große Berufsgruppe der Veterinärmediziner habe nur fünf.
“Eine Zentrierung auf weniger, dafür größere und stärkere Standorte scheint mir für die Pharmazie anzustehen. Leipzig hat dafür derzeit leider keine Chance, dazuzugehören”, argumentierte Schücking. Die Entwicklung in Halle gebe aber Anlass zur Hoffnung, dass dieses Defizit sich nicht auf die Versorgung auswirken muss.
Die zur Streichung vorgeschlagenen 21 Stellen des Leipziger Instituts seien nur ein Teil des “leider großen Streichkonzerts, das noch längst nicht abgeschlossen ist”, betonte Prof. Schücking. Bis 2015 sollen nach den Plänen des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst (SMWK) 72 Stellen allein an der Universität Leipzig gestrichen werden.
Prof. Lenk sagte, dass im Wintersemester 2010/2011 bundesweit etwa 12.700 junge Menschen Pharmazie studierten, der Anteil der Universität Leipzig daran mit 235 Studierenden sehr gering war. “Das eigentliche Problem, das hinter dem Vorschlag zur Schließung der Pharmazie in Leipzig steht, ist die weit unterdurchschnittliche Finanzierung der sächsischen Universitäten pro Studierenden oder pro Professor. Sollte diese Entwicklung bei den Hochschulfinanzen sich fortsetzen, werden leider weitere Schnitte notwendig werden.”
Die Anhörung im Landtag war von der SPD-Fraktion beantragt worden. Neben Schücking und Lenk kamen unter anderem auch die Prorektorin Struktur und Finanzen der Universität Halle-Wittenberg, Prof. Dr. Birgit Dräger, sowie Vertreter des Sächsischen Apothekerverbandes und der Sächsischen Landesapothekerkammer zu Wort.
Der SPD-Antrag hatte den Titel “Schließung des Pharmazeutischen Instituts der Universität Leipzig abwenden – pharmazeutische Versorgung sicherstellen”. Und für Holger Mann, Sprecher für Hochschule und Wissenschaft der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, war nach der Anhörung klar: “Die angehörten Experten waren sich einig: Sachsen organisiert sich das nächste Fachkräfte-Problem, wenn das Pharmazeutische Institut der Universität Leipzig geschlossen wird. Denn eine hohe Übereinstimmung zwischen Studienstandort, Studienwahl und späterer Berufstätigkeit ist klar erkennbar. Das heißt: Werden in Sachsen keine Pharmazeuten und Apotheker ausgebildet, werden sie uns schon bald fehlen.”
Sowohl die Vertreterin des Sächsischen Apothekerverbandes e.V., Monika Koch, als auch der Präsident der Sächsischen Landesapothekerkammer, Friedemann Schmidt, hätten deutlich gemacht, dass es einen steigenden Ausbildungsbedarf gibt. “Schon heute schneidet Sachsen bei der Apothekendichte im Bundesländervergleich unterdurchschnittlich ab: Hier belegt der Freistaat nur Rang 15 bei zirka 4.154 Einwohnern pro Apotheke”, so Mann. “Bis zum Jahr 2022 werden laut Apothekerverband rund 1.500 Apotheker und zusätzlich zirka 800 Pharma-Ingenieure in Rente gehen. Davon könnten derzeit höchstens 450 mit sächsischen Kapazitäten ausgeglichen werden. Auch wenn noch 450 Absolventen aus Halle gewonnen werden könnten, kann der Mangel nicht behoben werden.”
Die Schließung des Pharmazeutischen Institutes der Universität Leipzig wäre eine bittere Pille, die sich langfristig als schleichendes Gift erweisen werde, so der SPD-Politiker. Der trotzdem die Schuld nicht bei der zum Einsparen von Stellen gezwungenen Universität Leipzig sieht. ” Schwarzgelb sollte daher das Pharmazeutische Institut erhalten, um die Apothekerausbildung in Sachsen abzusichern”, fordert er. “Die dafür erforderlichen zwei Millionen Euro im Jahr Wert sind gut angelegtes Geld. Bleibt die Staatsregierung jedoch bei ihren Kürzungsplänen, kürzt sie sich den Apothekermangel herbei.”
“Die Diskussion um die eventuelle Schließung des Pharmazeutischen Institutes an der Universität Leipzig ist so unerfreulich, wie sie eigentlich auch unnötig ist”, stellte Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, Hochschulpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, nach der Anhörung fest. “Die Stellenkürzungen, die den Hochschulen aufgezwungen wurden, haben längst jede Grundlage verloren. Statt weniger, verzeichnet Sachsen bis 2020 deutlich mehr Studierende als ursprünglich angenommen, damit sind auch die Stellenkürzungen nicht mehr zu rechtfertigen.”
Der Appell ist für ihn deutlich: “Die Argumentation der Universität Leipzig, dass man gern bereit wäre, die Pharmazie zu halten und auszubauen, wenn die Personalausstattung verbessert würde, sollte die Landesregierung als Chance begreifen. Stattdessen wird die Universität Leipzig gezwungen, zwischen Pest und Cholera zu wählen. Mit ihrem Vorgehen, die Kürzungen nicht nach dem Rasenmäherprinzip weiterzugeben, sondern Strukturentscheidungen zu treffen, versucht sie das Beste aus einer widrigen Situation zu machen.”
Aber die Äußerungen aus dem Regierungslager deuten nicht auf ein Ende der heillosen Kürzungspolitik hin. Gerstenberg: “Wenn es zur Schließung kommt, ist es Aufgabe der Staatsregierung, die Versorgungssicherheit insbesondere in den ländlichen Gebieten sicherzustellen. Dazu bedarf es geeigneter Anreizsysteme, um nichtsächsische Absolventen zu gewinnen, wie auch aktiver Bemühungen um die Studierenden, die aus den sächsischen Regionen stammen und gezwungenermaßen in anderen Bundesländern studieren.”
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Für den Vorsitzenden des Arbeitskreises Wissenschaft und Hochschulen, Kultur und Medien in der CDU-Fraktion, Prof. Günther Schneider, liegt der Schwarze Peter nicht im Wissenschaftsministerium, das die Stellenkürzungen angeordnet hat. “Die Universität in Leipzig hat die Entscheidung zur Schließung des Instituts für Pharmazie in eigener Verantwortung getroffen”, erklärt er. “Im Ergebnis der heutigen Expertenanhörung hat die Universitätsleitung ihre autonome Entscheidung durchaus nachvollziehbar dargelegt. Die Staatsregierung wird nun prüfen, ob diese Entscheidung mit dem Hochschulgesetz vereinbar ist und ob die Schließung die Versorgungssicherheit mit Apotheken in Sachsen beeinflusst. Die Anhörung hat heute ergeben, dass von den in Leipzig ausgebildeten Pharmaziestudenten nur rund 25 Prozent bei uns im Freistaat bleiben.”
Kein Problem also. Wenn in Zukunft Apotheker fehlen sollten in Sachsen, wird sich gewiss ein anderer Landtag mit dem Thema beschäftigen müssen.
Keinen Umdenk-Bedarf auf Regierungsebene sieht auch Nico Tippelt, hochschulpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag: “Grundsätzlich obliegt die Entscheidung über die jeweils angebotenen Studiengänge an Sachsens Hochschulen und Universitäten der Hochschulautonomie. Die Entscheidungen sollten allerdings transparent getroffen werden. Insofern ist es schwer nachzuvollziehen, warum die Leitung der Universität Leipzig nicht rechtzeitig das Gespräch beispielsweise mit der Sächsischen Landesapothekerkammer gesucht hat. Jetzt kommt es darauf an, praktikable Lösungen zu finden, um für die Bürgerinnen und Bürger auch künftig ein flächendeckendes Angebot von Apotheken sicherzustellen.”
Die Sächsische Apothekerkammer hat sich bei dem Thema schon im Februar positioniert. Göran Donner, Inhaber der Löwen-Apotheke in Dippoldiswalde und Vizepräsident der Kammer, sieht nur in richtig viel Druck auf die Universität Leipzig einen Weg, die Fortführung der Apothekerausbildung zu erzwingen: “Die Vorstandsmitglieder waren sich einig, dass die Leitung der Universität mit der Ankündigung, das Institut zu schließen versuche, die Landesregierung unter Druck zu setzen, um die geplanten Mittelkürzungen zu verhindern. Dies sei aus Vorstandssicht klar der falsche Weg. Um die Schließung zu verhindern, ist es nötig, Druck auf die Universität auszuüben”, erklärte er seinerzeit nach der Sitzung des Kammer-Vorstands.
“Dieser Druck muss aus den Fraktionen des Sächsischen Landtags kommen. Dazu sind alle Abgeordneten, die sich mit dem Thema beschäftigen, mit Zahlen und Statistiken und entsprechenden Informationen versorgt worden. Außerdem wurde ein gemeinsames Schreiben der Präsidenten der Sächsischen Landesärztekammer und der Sächsischen Landesapothekerkammer formuliert und versendet. Weiter ist es gelungen, namhafte pharmazeutische Unternehmen mit Niederlassungen im Freistaat (GSK, Apogepha u. a.) zu sensibilisieren und zu Reaktionen zu bewegen. Der Vorstand der SLAK wird sehr sorgfältig beobachten, wie sich die Situation um das Institut entwickelt. Gegebenenfalls werden weitere Maßnahmen ergriffen, um die Schließung des Instituts im Sinne der Versorgungssicherheit in der Zukunft zu verhindern.”
Wer so einen Kammervorstand hat, braucht sich um seine Zukunft wirklich nicht zu sorgen.
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