Im Februar kritisierte auch der sächsische Landeselternrat das Bildungspaket der sächsischen Landesregierung. Zusammen mit den Kreiselternräten forderte er Nachbesserungen in sechs Punkten. Der ehrenamtliche Vorsitzende Andreas Hellner erläutert im Interview mit L-IZ.de, warum das Bildungspaket auch ohne Zahlenreiterei nicht durchdacht ist und wo er einen Ausweg beim Lehrermangel sieht.
Herr Hellner, in einer Erklärung kritisierte der Landeselternrat Sachsen Ende Februar das Bildungspaket der sächsischen Regierung. Gab es Rückmeldungen aus der Politik auf ihre Kritik?
Die SPD hat sich bei uns gemeldet und unsere Kritik deutlich begrüßt. Gleichzeitig versprachen die Parteien, uns soweit zu helfen, wie sie es als Oppositionsparteien können.
Wie viel Macht hat ein Elternrat bei so einer Entscheidung der Landesregierung?
Aus meiner Sicht hat die Elternschaft grundsätzlich unglaubliche Macht, aber sie ist sich dieser in weiten Teilen noch gar nicht bewusst. Wenn sich Eltern zu Wort melden, wird seitens der Politik sehr genau hingehört. Wie ernst die Aktionen und Reaktionen der Eltern genommen werden, ist allerdings unterschiedlich. Es gibt Politiker, die sich deren Meinung zu Herzen nehmen, es gibt auch welche, die heimlich, aber nicht öffentlich zustimmen. Ein paar wenige nehmen uns allerdings gar nicht ernst.
Wie viele andere Kritiker sieht auch der Landeselternrat im Bildungspaket zur Beseitigung des Lehrermangels eigentlich einen Stellenabbau. Können Sie dieses Urteil mit Zahlen unterlegen?
Das könnte ich, aber das ist gar nicht nötig, weil zwei Dinge in diesem Bildungspaket grundsätzlich nicht berücksichtigt worden sind. Es wird nur pauschal von Lehrerstellen gesprochen, die Fächerkombinationen aber außen vorgelassen. Dabei gibt es ganz deutliche Bedarfsschwankungen. Lehrer für sogenannte Zweitsprachen wie Spanisch oder Französisch gibt es genau so wenige wie Lehrer für Naturwissenschaften. Außerdem gibt es ein Bedarfsgefälle zwischen den Schulformen. Es gibt zu wenige Mittelschul- und Grundschullehrer, auch die Situation an den Förderschulen ist prekär.
Viel schlimmer allerdings: Es geht in diesem Paket immer nur darum, wer kommt und wer geht. Ziel ist also nur, die Lehreranzahl zu halten. Das ist aber falsch, weil der Schülerzuwachs und das Thema schulische Inklusion nicht berücksichtigt sind.
Wie ist denn die aktuelle Situation in den Schulen?
Derzeit ist es so, dass genau in den Fächern, in denen großer Lehrermangel herrscht, also in den oben angesprochenen Sprachen und in den Naturwissenschaften der meiste Unterricht ausfällt. Außerdem können aufgrund der wenigen Lehrer nur wenige Zweitsprachen angeboten werden.
Dass wir einen großen Ausfall an Unterrichtsstunden haben, liegt allerdings auch daran, dass der Altersdurchschnitt in den Lehrerzimmern in den vergangenen Jahren deutlich nach oben gegangen ist, und je älter die Lehrer werden, desto größer ist auch die Gefahr, dass mal jemand krank wird. Den Altersdurchschnitt kennt das Kultusministerium, aber einen Plan B hat es nicht.
Außerdem zehrt die Abordnungspraxis an den Nerven der Lehrer. Es gibt Gymnasiallehrer, die in Grundschulen unterrichten oder auch Lehrer, die an Förderschulen unterrichten, obwohl sie dafür gar nicht ausgebildet wurden.
Das Problem des Lehrermangels haben andere Bundesländer viel eher erkannt als Sachsen. Der Freistaat ist nun eigentlich unter Zugzwang, ausreichend gut ausgebildete Pädagogen in die Schulen zu bekommen, aber das ist auch ein Geldproblem. Haben Sie eine Idee, wie der Lehrermangel beseitigt werden kann?
Ich denke, dass bei hohem Bedarf an einer Lehrergruppe Anreize geschaffen werden müssen, um potenzielle Studenten zu bewegen, in diese Richtung zu gehen und auch im Studium zu bleiben. Auch dazu findet sich im Bildungspaket nichts, obwohl Sachsen im Vergleich mit Sachsen-Anhalt und Thüringen seinen Lehrern in puncto Gehalt am wenigsten bietet. Wenn ein Referendar aus Leipzig nach seinem Vorbereitungsdienst in Halle mehr verdienen wird, dann wird er natürlich dorthin gehen. Dieses Gefälle muss das Kultusministerium bei seinen Planungen berücksichtigen, sonst nützt es nichts, dass es mehr Lehrer ausbilden will. Meine Aufgabe ist allerdings auch nicht, eine Lösung zu finden. Wir als Landeselternrat müssen auf die Stellen aufmerksam machen, wo die Säge klemmt.
Sie sprachen in Ihrer Erklärung und auch gerade eben davon, die Attraktivität des Lehrerberufs zu erhöhen. Wie könnte das ganz konkret gelingen?
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Neben Geld als Anreiz muss es für Lehrer auch wieder mehr gesellschaftliche Anerkennung geben. Gerade derzeit wird aufgrund der schlechten Situation über Lehrer hergezogen – auch von Eltern. Es wird Zeit, dass wir uns wieder Gedanken darüber machen, was für eine verantwortungsvolle Aufgabe Lehrer doch zu erfüllen haben. Dem muss man Respekt zollen. Wenn ich den Beruf schlecht mache, brauche ich mich nicht zu wundern, dass ich keinen mehr bekomme, der unterrichten will. Ich warne allerdings auch davor, alles unkritisch vom Lehrer des Kindes zu übernehmen. Der Umgang mit der Arbeit des Lehrers sollte respektvoll, konstruktiv und kritisch erfolgen. Wir wollen ja auch nicht, dass unsere Kinder nur funktionieren, sondern dass sie auch mitdenken.
Gibt es abgesehen von der Diskussion um das Bildungspaket auch Freuden in Ihrer derzeitigen Arbeit?
Natürlich gibt es die. Jede Arbeit an Schulen, an denen sich Schüler, Lehrer und Eltern darum bemühen, die schulische Qualität zu verbessern, aus der Arbeit das Beste herauszuholen ist eine positive Sache. Diese Schulen gibt es zum Glück immer noch und das ist aufgrund der immer größer werdenden Ressourcenknappheit, vornehmlich Geldknappheit, eine große Leistung.
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