Chuck Norris kann Englisch auf Spanisch - sagt man so. Seit Januar können Kinder aus Leipzig und Umgebung Mathe und Englisch lernen - auf "Japanisch". Kumon heißt die japanische Lernmethode, die ein Mathe-Lehrer aus Fernost vor 50 Jahren für seine Kinder entwickelte. Seit Ende Januar wird sie auch in Leipzig-Gohlis angeboten. Lerncenter-Chefin Dr. Sylvia Harms im L-IZ.de-Interview über Inhalte, Potenziale und Grenzen der Methode.
Frau Dr. Harms, können Sie in fünf Sätzen erklären, was Kumon ist?
Kumon ist ein Selbstlernkonzept für Kinder. Es versucht, den Kindern das “Lernen lernen” am Beispiel von Mathe und Englisch beizubringen. Die Kinder trainieren dabei ihre sprachlichen und logischen Fähigkeiten. Sie lernen Durchhaltevermögen, weil sie sich täglich mit dem Material beschäftigen. Neben der Lern- und Arbeitshaltung verbessern sich auch die Noten.
Angenommen, mein Kind hätte Probleme in Mathe und ich käme in Ihr Lerncenter. Was würde passieren?
Wir führen zunächst ein Gespräch mit Ihnen und Ihrem Kind, um herauszufinden, wo der Schuh drückt. Dann machen wir einen Einstufungstest mit dem Kind, um zu sehen, auf welchem Wissensniveau es in Mathe steht. Anhand des Tests legen wir fest, auf welcher Kumon-Lernstufe das Kind loslegt.
Unsere Materialien bauen sehr systematisch aufeinander auf. Wir holen die Kinder auf einer Stufe ab, wo sie sich noch sehr sicher fühlen. Das ist oft deutlich unter dem Niveau, auf dem sie in der Schule gerade arbeiten. Sie sollen zunächst sicher in dem werden, was sie bereits behandelt haben. Multipliziert ein Drittklässler schon, holen wir ihn oft bei Addition und Subtraktion ab. Also im Gegensatz zur Nachhilfe, die genau an der Stelle ansetzt, wo es aktuell in der Schule klemmt, holen wir ein bisschen länger Schwung und sagen, dass wir das Kind zunächst in den grundlegenden Rechentechniken stärken. Am Ende wird das Kind über sein derzeitiges Niveau hinaus mit Freude und Spaß lernen.
Wie werden die Kinder zu Selbstlernern?
Ich bin keine Lehrerin, die sich hinstellt und ihnen etwas vorkaut. Ich bin der Coach und bereite für alle Kinder vor, was sie auf ihrer Stufe gerade brauchen. Das finde ich durch Beobachtung des Kindes heraus und bewerte, wie lange das Kind für ein Arbeitsblatt braucht und wie viele Fehler es in der Zeit gemacht hat. Danach kann ich entscheiden, ob es für das Kind besser ist, bestimmte Blätter noch einmal zu wiederholen oder eine Stufe weiter zu gehen. Machen sie Fehler, dann sollen die Kinder selbst herausfinden, wo der Fehler liegt. Ich streiche den nur an. So merken die Kinder: Aha, ich kann es selbst! Die Aufgabenschwierigkeit steigt für die Kinder letztendlich unmerklich.
Bekommen die Kinder bei zu vielen Fehlern noch einmal dasselbe Arbeitsblatt?
Das entscheide ich je nach Kind. Es gibt hier lernschwächere Kinder, die aufholen wollen, und hochbegabte Kindern, denen in der Schule langweilig ist und die deshalb zu uns kommen. Die Wiederholung von Arbeitsblättern gehört bei allen Kindern dazu. Lernschwächere Kinder würden in kürzeren Abständen Wiederholungen machen, um das Gelernte auch wirklich zu festigen. Hochbegabte würde ich erstmal ein paar Schritte weiter fortschreiten lassen, ihre Lernerfahrungen selber machen lassen, bevor dann bestimmte Blätter wiederholt werden.
Sie sind promovierte Psychologin, aber keine Mathe- beziehungsweise Englischlehrerin. Ich hatte auf der Abiturstufe in Mathematik meine Probleme und würde mir nicht zutrauen, einen Schüler beispielsweise auf Abiturniveau in Mathe zu betreuen.
Ich lerne mit den Kindern auf den höheren Stufen mit. Derzeit habe ich viele Kinder in den Bereichen Vorschule bis 6. Klasse. Ich arbeite mich auf höherem Niveau selbst durch das Material durch, obwohl es ich es im Prinzip kann, weil ich selbst Mathe- und Englischtests vor der Übernahme dieser Aufgabe bei Kumon absolviert habe. Wenn jetzt ein Abiturient käme, wären wir sowieso die Falschen. Ehe wir ihn gefestigt haben, ist das Abitur schon ran.
Leistet Kumon auch Unterstützung in Geometrie und Wahrscheinlichkeitsrechnung?
Bei uns geht es vor allem um die basalen Rechenfertigkeiten. Wir haben nur sehr wenige Textaufgaben, keine Geometrie. Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung kommen dann erst später als “Wahlbereich” auf einem höheren Niveau. Kumon will die Rechenfertigkeiten stärken und insofern gibt es auch eine Win-Win-Situation zwischen der Schule und uns, denn viele Eltern haben Angst, dass sich ihre Kinder dann langweilen, wenn sie durch Kumon viel weiter als ihre Klassenkameraden fortgeschritten sind. Aber wir stärken sie in den Grundkompetenzen, die sie in der Schule anwenden können. Wir sind also eine Ergänzung zur Schule, aber kein Schulersatz.
Und wenn mein Kind nun Probleme in Englisch hat …
… machen wir erst wieder einen Einstufungstest. Dann gibt es verschiedene Einheiten. Auf dem niedrigsten Niveau befassen sich die Kinder mit dem Hören und Nachsprechen von Vokabeln. Am Anfang haben wir einzelne Vokabeln, später geht es auch in den Bereich Schreiben, dann in den Bereich typische Fragen und Antworten in der Fremdsprache. Erst ab einem relativ späten Punkt geht es um Grammatik und das Verständnis längerer Originaltexte. Gerade beim Übergang von der 4. zur 5. Klasse werden viele Kinder abgehängt. Manche, die hierher kommen, können dann oft schwierige Vokabeln, aber nicht fragen, wie spät es ist.
Werden die Kinder auch selbst Texte, also beispielsweise Kurzgeschichten oder Aufsätze, schreiben?
Nein, wir wollen die Kinder nicht so lange beschäftigen. Aber sie schreiben auf jeden Fall beim Beantworten von Textverständnis-Fragen.
Warum gibt es Kumon nicht für Deutsch oder Spanisch?
Das finde ich auch sehr schade, dass es das noch nicht gibt. In anderen Ländern gibt es das bereits. In Japan gibt es auch die Muttersprache, in anderen Ländern auch andere Fächer. In Deutschland wird an einem Deutschprogramm gearbeitet.
Hat Kumon ein Sonderprogramm für Kinder mit Dyskalkulie oder Lese-Rechtschreib-Schwäche?
Nein, Kumon hat kein explizites Programm für diese Kinder. Es gibt aber aus anderen Lerncentern gute Erfahrungen mit der Kumon-Methode bei diesen Kindern. Ich probiere es gerade aus, weil ich im Lerncenter Kinder mit diesen Problemen habe.
Wenn ich mein Kind anmelden würde, was müsste es bezahlen und welche Leistungen wären enthalten?
Die Eltern bekommen das Gespräch und den Einstufungstest auf jeden Fall gratis. Die Kinder kommen zweimal die Woche, so wie es ihnen passt, in unser Lerncenter. Wir haben Montag bis Samstag geöffnet. Das Kind hält sich hier eine halbe bis dreiviertel Stunde auf, macht hier seine Aufgaben, bekommt seine Hausaufgaben durchgesehen und neue mit nach Hause. Kumon ist ein 365-Tage-Konzept, und da werden die Eltern Teil des Lernteams: Sie erinnern ihre Kinder an die Aufgaben und sorgen für eine gute Lernatmosphäre zu Hause. Die Kinder müssen wirklich jeden Tag fleißig sein – und sie tun dies aus meiner Erfahrung gerne! Sie kriegen also zweimal pro Woche Coaching und für die tägliche Arbeit Material. Sie melden sich monatsweise an, können mit einer Vorlauffrist von vier Wochen kündigen. Pro Kind und Monat bezahlen die Eltern 120 Euro, bei Geschwisterkindern gibt es Rabatt.
Ich will aber auch gern Kinder aus sozialschwächeren Familien mitnehmen, denn jedes Kind hat ein Recht auf Bildung. Mein Ziel ist es daher, Menschen oder Firmen zu finden, die in Form einer Bildungspatenschaft diese Kinder finanziell unterstützen.
Eine letzte Frage: Wie sind Sie als promovierte Psychologin und Mitarbeiterin am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung auf die Idee gekommen, ein Kumon-Lerncenter zu eröffnen?
Meine vier Kinder haben selbst die Kumon-Methode auf Empfehlung einer Psychologin ausprobiert. Das einzige Lerncenter in der Nähe war das in Chemnitz, und wir sind dann alle paar Wochen hingefahren und haben viel zu Hause gearbeitet. Es war faszinierend zu sehen, wie viel Freude die Kinder in Mathe hatten und wie schnell sie sich in Mathe verbessert haben und am Ende richtig gut wurden. Aus organisatorischen Gründen konnten wir leider irgendwann nicht mehr fahren. Im vergangenen Sommer hatte ich geschaut, ob es Kumon mittlerweile in Leipzig gibt. Da habe ich erst gemerkt, dass es ein Franchise-Unternehmen ist. In der Wissenschaft habe ich nur in Teilzeit gearbeitet, aber das geht nur bis zu einem gewissen Niveau gut. Zudem haben mich auch immer mehr die Dinge interessiert, die außerhalb des klassischen Wissenschaftsbetriebs liegen: Weiterbildung des studentischen Nachwuchses und Personalentwicklung. Also kam mir die Möglichkeit, selbst ein Kumon-Lerncenter zu eröffnen, sehr entgegen.
Info: Im Kumon-Lerncenter finden regelmäßig Informationsabende für Interessierte statt. Die Teilnahme ist kostenlos, um Voranmeldung wird gebeten (Tel. 92799331 oder leipzig-gohlis@kumonlerncenter.de). Der nächste Informationsabend findet am 28.2. 19-21 Uhr statt.
Kumon-Lerncenter, Lindenthaler Str. 15, 04155 Leipzig
www.kumon.de/Das-KUMON-Lerncenter.1378.0.html
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