Die Literaturszene ist schon lange in der digitalen Welt angekommen. Neben dem Gebrauch von eReadern nutzen viele zunehmend Apps auf mobilen Endgeräten, wie Smartphones oder Laptops. Man lese dabei „deutlich stärker unter dem Einfluss von multiplen Störfaktoren“, sagt Prof. Dr. Sven Stollfuß, Professor für Medienwandel mit Schwerpunkt Buchkultur und digitale Publikationen an der Universität Leipzig. Und damit meint er unter anderem Push-Mitteilungen anderer Anwendungen auf dem Gerät oder auch die Parallelnutzung verschiedener Apps. Und auch die „Plattformisierung des Lesens“ nehme zu.

„Vereinfacht gesagt ist mit Plattformisierung des Lesens erst einmal jede Form und Art der Textauseinandersetzung auf digital-vernetzten Endgeräten in der Regel via Apps oder auf Onlineplattformen gemeint. Was und wie wir dort lesen hängt zum Beispiel von den technischen Features der Plattform ab oder davon, welche Inhalte kostenfrei zugänglich sind. Onlineplattformen bereiten Inhalte jeweils entsprechend der eigenen, algorithmischen Prozesse auf und entscheiden so immer mit darüber, was und wie gelesen wird“, sagt Sven Stollfuß.

Plattformen wie Wattpad, Inkitt und Galatea böten nicht nur neuen Lesestoff, sondern auch Raum zum Kommentieren, Bewerten und Teilen. Dadurch entstünde eine Community, die auch mit den Autor/-innen vernetzt – und auch für Verlage interessant sei, so Sven Stollfuß.

Der Hang zum Skimming

Im Interview mit dem Universitätsmagazin geht Stollfuß dann noch deutlicher auf die Art ein, wie digital gelesen wird. Und natürlich hat das ganz und gar nicht störungsfreie Lesen dort auch Folgen für die Sorte der Texte, die dort gelesen werden.

„Aus den Studien der letzten Jahre wissen wir aber, dass das Lesen über Endgeräte wie Smartphones gerade das Lesen im Modus des Skimmings verstärkt. Allerdings unterliegt das Skimming gegenüber dem Immersed und dem In-Depth Reading insbesondere in Bezug auf die Ausbildung eines tieferen und auch nachhaltigeren Textverständnisses. Hinzu kommt, dass für das digitale Lesen via App auf Geräten wie dem Smartphone tendenziell leichtere, also narrativ weniger komplexe Inhalte und Geschichten bevorzugt werden. Die damit verbunden Auswirkungen beschäftigen gegenwärtig wesentlich die Forschung zur Veränderung von Lesesozialisation und Lesekompetenz.“

Skimming? Das ist „das Überfliegen von Texten mit dem Ziel, sich einen allgemeinen Eindruck der Inhaltsbotschaft zu machen“, hat also mit wirklich konzentriertem Lesen nicht viel zu tun. Das passiert erst in der intensivsten Leseform, dem In-Depth-Reading.

Stollfuß: „Das In-Depth Reading wiederum ist ein kognitiv anspruchsvolles, vertiefendes Lesen, bei dem Texte oft schon mit einem gewissen Vorwissen gelesen werden. Dabei gleicht man thematische Aspekte während des Lesens ab und kann so seinen eigenen Wissenshorizont erweitern und auch den eigenen Wortschatz ausbauen.“

Die Lesewelt von New Adult

Hier wird Lesen tatsächlich erst zur echten Bereicherung. Ein Fakt, den man im Hinterkopf behalten sollte, wenn die Leipziger Forschungen ergeben, dass das moderne Plattform-Lesen besonders auf die junge Leserschaft zielt. Schlagwortartig auch unter „New Adult“ zusammengefasst. Ein „Genre“, das auch auf der Leipziger Buchmesse zunehmend an Gewicht gewinnt.

„Ich würde sagen, dass man New Adult und digitale bzw. Soziale Medien praktisch gar nicht getrennt voneinander diskutieren kann. Die Autor/-innen und die Lesenden-Community im Netz sind auf das Engste miteinander verbunden. Nicht selten werden aus Lesenden – die auch als Rezensent/-innen fungieren – selbst Autor/-innen von New-Adult-Romanen“, sagt Stollfuß im Interview.

„Die Inhalte orientieren sich wesentlich an den Lebensrealitäten, Problemen, Herausforderungen etc. der Zielgruppe. Viele Autor/-innen verarbeiten sogar ihre Beziehung zu den Lesenden in Sozialen Medien in den Geschichten.“

Das vollständige Interview findet man hier.

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