Groรe Teile des deutschen Waldes zeigten infolge der extremen Dรผrreperiode der letzten Jahre in Deutschland nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) eine Zunahme von Schรคdigungen. Allerdings gibt es kaum verlรคssliche Daten dazu, wie sich der Zustand der Wรคlder konkret auf der Flรคche verรคndert. In einer im Fachjournal โRemote Sensing of Environmentโ verรถffentlichten Studie beschreibt ein vom Helmholtz-Zentrum fรผr Umweltforschung (UFZ) koordiniertes Forschungsteam, wie sich Aussagen zum Waldzustand in Deutschland basierend auf Satellitendaten treffen lassen.
Diese Informationen sind Grundlage fรผr den neuen UFZ-Waldzustandsmonitor, der den Zustand von Waldflรคchen als Karten mit einer rรคumlichen Auflรถsung von 20 Metern darstellt. Diese zeigen zwischen 2016 und 2022 vor allem fรผr Gebiete in der Mitte Deutschlands wie Harz, Sauerland und der Sรคchsischen Schweiz einen deutlichen Anstieg geschรคdigter Waldflรคche.
Rund ein Drittel der Landesflรคche Deutschlands und damit etwa 11 Millionen Hektar sind von Wald bedeckt. Wie sich diese Wรคlder verteilen und welche Baumarten dominieren, ist weitestgehend bekannt.
โWas bislang jedoch fehlt, sind konkretere Aussagen, wie es flรคchendeckend und regional spezifisch um den Zustand der Wรคlder bestellt ist und in welcher Dynamik sich dieser Zustand verรคndertโ, sagt der UFZ-Fernerkundler Dr. Daniel Doktor. Der UFZ-Waldzustandsmonitor soll nun diese Lรผcke schlieรen.
โWir haben einen Index entwickelt, mit dem wir die graduellen Zustandsverรคnderungen in deutschen Waldgebieten als saisonale und jรคhrliche Karten abbilden kรถnnenโ, erklรคrt er. Damit biete der Monitor im Unterschied zu anderen stichprobenartigen Erhebungen wie beispielsweise dem Waldzustandsbericht des Bundesministeriums fรผr Ernรคhrung und Landwirtschaft (BMEL) Informationen mit einer hohen rรคumlichen und saisonalen Auflรถsung. Der BMEL-Bericht basiert zwar auf sehr genauen forstlichen Daten, wird allerdings nur fรผr etwa 400 solcher Waldflรคchen in einer Auflรถsung von 16 Kilometern bundesweit erhoben.
Daten der Europรคischen Raumfahrtbehรถrde (ESA)
Fรผr die Ableitung des Waldzustands nutzten die UFZ-Forscherinnen und -Forscher Sentinel 2-Daten der Europรคischen Raumfahrtbehรถrde (ESA).
โDas Sonnenlicht wird von jeder Baumart im Jahresverlauf anders reflektiert, was von den Satelliten gut erfasst werden kann. Dadurch lassen sich Vegetationseigenschaften wie zum Beispiel der Pigment- und Wassergehalt oder die Struktur des Kronendachs abbilden und in Werten darstellenโ, sagt Dr. Maximilian Lange, Erstautor der Studie.
โJe mehr diese Werte von den durchschnittlichen Reflexionswerten abweichen, desto wahrscheinlicher ist es, dass es sich mรถglicherweise um eine gestresste oder gestรถrte Vegetation handelt.โ
Fรผr die vier Hauptbaumarten Eiche (Stiel- und Trauben-Eiche kombiniert), Rot-Buche, Gemeine Fichte und Waldkiefer extrahierten die Forschenden fรผr die Jahre 2016 bis 2022 reprรคsentative Zeitreihen gesunder Bestรคnde. Diese nutzten sie als Referenz, um Waldzustandsanomalien zu erkennen. So konnten sie einen sogenannten Waldzustandsanomalie-Index bestimmen.
Er sagt aus, wie stark der jeweilige Zustand vom Referenzwert abweicht โ wie stark sich also der tatsรคchliche vom erwarteten Waldzustand unterscheidet. Dieser Index ist mit einer rรคumlichen Auflรถsung von 20 Metern fรผr alle Waldflรคchen bundesweit verfรผgbar. Dennoch besteht weiterhin die Herausforderung, den Waldzustandsanomalie-Index ausfรผhrlicher zu kalibrieren, Unsicherheiten zu quantifizieren und mittelfristig zu minimieren.
Der Online-Auftritt des UFZ-Waldzustandsmonitors zeigt aber nicht nur den Waldzustand, sondern auch die Verteilung der vier Hauptbaumarten und die Phรคnologie der Bรคume, wie zum Beispiel Blattentfaltung und Blattverfรคrbung. Zudem prรคsentiert er mehrere Vegetationsindizes, die anhand unterschiedlicher Reflexionsverhรคltnisse des einfallenden Lichts verschiedene Informationen zur Vegetation wiedergeben.
Eine modellierte Verbreitung von insgesamt 41 Baumarten bis zum Jahr 2098 ist ebenfalls Bestandteil des Online-Auftritts. Der Modellierung liegen drei vom Weltklimarat IPCC definierte Klimaszenarien (RCP 2.6; RCP 4.5; RCP 8.5) zu Grunde.
Vermehrte Waldschรคden seit 2019
Im Zentrum des UFZ-Waldzustandsmonitors steht jedoch der Zustand der Wรคlder, der durch unterschiedliche Farbtรถne angezeigt wird. Werte รผber 0 (in verschiedenen Grรผntรถnen dargestellt) geben an, dass sich zum Beispiel der Chlorophyll- und Wassergehalt verbessert oder der Belaubungsanteil erhรถht, und sich damit der Waldzustand verbessert hat. Im Gegensatz dazu weisen Werte unter 0 (farblich von gelb bis dunkelviolett) auf eine Verschlechterung hin. Werte niedriger als -0,15 definieren schwere Waldschรคden, die u.a. durch Windwurf, Feuer oder das Absterben durch Schรคdlingsbefall, etwa durch den Borkenkรคfer, verursacht wurden.
So ist auf den Karten zum Beispiel zu erkennen, dass der Anteil geschรคdigter Waldflรคche insbesondere in der Mitte Deutschlands deutlich zugenommen hat. Regionen wie etwa der Harz, der Thรผringer Wald, das Sauerland oder die Sรคchsische Schweiz zeigen ab dem Jahr 2019 vermehrt Waldschรคden. Laut UFZ-Waldzustandsmonitor waren im Harz im Jahr 2022 52 Prozent des Waldes im Allgemeinen und vornehmlich 76 Prozent der Nadelbรคume schwer geschรคdigt. Im Jahr 2017 waren es lediglich 9 Prozent des Waldes und 8 Prozent der Nadelbรคume.
โHitze, Dรผrre und Schรคdlinge sowie deren Zusammenspiel beeintrรคchtigen die Wรคlder und fรผhren zu Folgeschรคden wie Sturmbruch und erhรถhte Waldbrandgefahrโ, nennt UFZ-Forscherin Anne Reichmuth Ursachen dafรผr.
Besonders groร sind die Schรคden in den Wรคldern der Mittelgebirgsregionen, in denen nach 1945 Fichten gepflanzt wurden. Doch auch bei Kiefern, Buchen und Eichen gibt es regional starke Ausfรคlle. Bei den Nadelbรคumen ist die Zunahme von Massenvermehrungen von Schadinsekten ein wesentlicher Faktor fรผr den schlechten Waldzustand. Bei Laubbรคumen sind es vor allem Komplexkrankheiten, die das Immunsystem der Bรคume und damit deren Abwehrkrรคfte schwรคchen.
Nicht alle Mittelgebirge gleich von Dรผrre betroffen
Der UFZ-Waldzustandsmonitor belegt auch, wie unterschiedlich stark Regionen von klimatischen Extremereignissen betroffen sein kรถnnen: Demnach hat sich zum Beispiel der Waldzustand in den Hรถhenregionen des Schwarzwalds und des Erzgebirges zwischen 2016 und 2022 nicht wesentlich verschlechtert. So ist die im Schwarzwald hรคufig vorkommende Weiรtanne besser an den Klimawandel angepasst als die Gemeine Fichte. Auรerdem waren die Mitte und der Nordosten Deutschlands stรคrker von der Dรผrre betroffen. Das Erzgebirge war jedoch in den Hรถhenlagen weniger stark von der Dรผrre beeintrรคchtigt.

โDer UFZ-Waldzustandsmonitor dient vor allem dem Wissenstransfer zu den Behรถrden, wie etwa den Landesforsten und den Nationalparkverwaltungenโ, sagt Daniel Doktor. Mit den Karten lasse sich sehr gut veranschaulichen, welche dynamischen Verรคnderungen der Klimawandel im Wald mit sich bringt.
Der UFZ-Waldzustandsmonitor ist ein von der Helmholtz-Gemeinschaft finanziertes Projekt in der Arbeitsgruppe Landbedeckung & Dynamik am UFZ. Durch diese Arbeitsgruppe soll er regelmรครig aktualisiert werden. Die technische Entwicklung der Webapplikation wurde in der IT-Gruppe Forschungsdatenmanagement am UFZ umgesetzt.
Publikation: Maximilian Lange, Sebastian Preidl, Anne Reichmuth, Marco Heurich, Daniel Doktor (2024). A continuous tree species-specific reflectance anomaly index reveals declining forest condition between 2016 and 2022 in Germany. Remote Sensing of Environment 312, 114323.
Die Daten sind in folgender Datenpublikation zu finden: Maximilian Lange, Sebastian Preidl, Anne Reichmuth, Marco Heurich, Daniel Doktor (2024). Forest condition anomaly index values covering Germany for 2016โ2023. Version 7.5.0. Zenodo.
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