Es gibt viele Möglichkeiten, unsere Städte künftig zu beheizen. Die Technologie dafür existiert in der Regel schon. Auch zur Nutzung der thermischen Energie aus Grundwasserleitern. Das Umweltforschungszentrum Leipzig (UFZ) testet jetzt eine Möglichkeit, die Grundwasserleiter auch gleichzeitig noch als Wärmespeicher zu nutzen. Was sich insbesondere bei mit Schadstoffen sowieso belasteten Grundwasserleitern lohnt.

Denn vor allem oberflächennahe Grundwasserleiter in Städten und Industriearealen sind häufig mit Schadstoffen verunreinigt. Damit können sie nicht ohne weiteres als saisonaler Wärmespeicher genutzt werden.

Forschende des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Firma Eneotech haben nun am UFZ-Standort in Leipzig im Rahmen des Forschungsprojekts KONATES eine Pilotanlage in Betrieb genommen. Sie soll als Wärmetauscher dienen, zugleich Schadstoffe aus dem Grundwasser entfernen – und könnte Blaupause sein für eine CO₂-arme, energetische Bewirtschaftung kontaminierter Grundwasserleiter generell.

Der Wasserleiter unterm UFZ

Grundwasserleiter, sogenannte Aquifere, sind wichtig, weil sie vielerorts Trink- oder Brauchwasser liefern. Sie können aber noch eine andere wichtige Aufgabe übernehmen, indem sie als saisonaler Wärmespeicher genutzt werden. Darauf setzen UFZ-Forschende in Leipzig: Sie nutzen einen bis zu 5 Meter mächtigen Grundwasserleiter, in dem unter dem UFZ-Gelände in rund 12 Meter Tiefe das Grundwasser mit einer konstanten Temperatur von 14 Grad Celsius und einer Geschwindigkeit von ca. einem Meter pro Tag durch den sandigen Kies strömt.

„Wenn man dem Grundwasserleiter im Sommer das Wasser entnimmt, und ihm über Wärmetauscher die Kälte entzieht, kann man damit Gebäude kühlen und das erwärmte Wasser zurück in den Untergrund pumpen. Fördert man nun das eingespeiste erwärmte Wasser im Winter aus dem Grundwasserleiter, lässt sich die gewonnene Wärme zum Heizen von Gebäuden nutzen“, erklärt Prof. Holger Weiß, der das Forschungsprojekt KONATES koordiniert.

Das Besondere an dem Vorhaben: Die Forschenden wollen mit einer sogenannten ATES (Aquifer Thermal Energy Storage)-Anlage nicht nur Wärme und Kälte für einen künftigen CO₂-freien Wissenschaftspark erzeugen, sondern auch das mit chlorierten Kohlenwasserstoffen belastete Grundwasser reinigen, eine Altlast, wie sie an vielen Stadt- und Industriestandorten zu finden ist.

Die Pilotanlage

Im Wissenschaftspark Leipzig hat das Team um den Geologen Holger Weiß deswegen eine Pilotanlage errichtet. Darin wird das Grundwasser aus dem Aquifer über einen Brunnen nach oben gepumpt und in zwei Container geleitet. Dort wird das Wasser erwärmt und in aufeinanderfolgenden Zyklen zurück in den Untergrund gepumpt.

„Unsere Modellierungen mit der UFZ open source Modellierungsplattform OpenGeoSys haben ergeben, dass bei den konkreten hydraulischen Randbedingungen sogar für den flachen Aquifer eine Wärmerückgewinnung von 25 Prozent möglich ist. Ein höherer Wirkungsgrad ist in der Erprobungsphase (proof-of-concept) und auf dieser Maßstabsebene auch erst mal nicht beabsichtigt“, sagt Holger Weiß.

Zum anderen wird in Feldexperimenten untersucht, welche Mikroorganismen bei unterschiedlichen Temperaturen im Grundwasser vorkommen und ob diese die Schadstoffe im Grundwasser abbauen.
„Aus früheren Untersuchungen an einem ähnlichen Grundwasserleiter bei Wittstock, dem Testfeld der Uni Kiel (TestUM), wissen wir zum Beispiel, dass sich die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft zwischen 45 und 60 Grad Celsius Wassertemperatur drastisch ändert“, berichtet der UFZ-Forscher.

Unklar ist aber, ob die Mikroorganismen, die bei diesen hohen Temperaturen überleben, genau jene chlorierten Kohlenwasserstoffe abbauen, die den Aquifer im Untergrund des UFZ-Areals belasten. Aus Voruntersuchungen ist bekannt, dass dort vor allem Mikroorganismen der Gattung Dehalococcoides weit verbreitet sind, die chlorhaltige Verbindungen abbauen können.

Die Forschenden erwärmen deswegen das entnommene Wasser auf bis zu 80 Grad Celsius und ermitteln dann, bei welcher Temperatur die Bakterien am effizientesten Schadstoffe abbauen.

Biologie und Technik

Untersuchen wird das Forschungsteam auch, welche biogeochemischen Auswirkungen der mikrobielle Abbau auf die technische Ausrüstung hat. So können die Mikroorganismen bei erhöhten Temperaturen Biofilme bilden, die die kleinen Filterschlitze in den Brunnen verstopfen. Zudem kann es zur Korrosion an Anlagenteilen und zu Problemen bei der Behandlung des in Leipzig sehr harten Grundwassers kommen, wenn dort insbesondere Kalk, aber auch Eisen durch die Erwärmung ausfällt.

Außerdem werden die Forschenden neue Reinigungsmethoden erproben. Stand der Technik ist bislang, dass die chlorierten Kohlenwasserstoffe über Aktivkohle absorbiert werden – mit dem Nachteil, dass diese hinterher aufwendig regeneriert oder entsorgt werden muss. Als nachhaltigere Alternative sollen in der Anlage neue, am UFZ entwickelte Zeolith-Adsorber getestet werden.

„Diese Filtermaterialien können vor Ort regeneriert und dann wieder eingesetzt werden“, sagt Holger Weiß.
Aus den beiden Containern wird das entnommene und behandelte Grundwasser anschließend über einen zweiten Brunnen zurück in den Aquifer gepumpt. Dort kühlt es sich auf dem weiteren Weg zur UFZ-Grundstückgrenze ab.

In einem dritten, abstromig gelegenen Brunnen wird überwacht, dass das Grundwasser beim Verlassen des Geländes den vorgegebenen Temperaturgrenzwert von 16 Grad Celsius nicht überschreitet. Insgesamt zwölf auf der Anlage verteilte Messstellen geben zudem Auskunft, wie sich im Grundwasserleiter die Temperaturen und die Schadstoffbelastung entwickeln und welche Bakterienstämme bei welchen Temperaturen die Schadstoffe abbauen.

Bis Mitte 2025 haben die Forschenden im Projekt KONATES nun Zeit für die Experimente – Zeit, die sie brauchen, um die Leistungsgrenzen der ATES-Pilotanlage zu ermitteln. Anschließend erstellen sie einen Leitfaden mit Empfehlungen, wie sich die saisonale Wärmespeicherung mit Sanierungsmaßnahmen des Grundwassers ideal kombinieren lässt.

„Ziel ist, CO₂-arme energetische Bewirtschaftungssysteme zunächst für den Wissenschaftspark Leipzig zu entwickeln“, bemerkt Holger Weiß. Für die Methodik sieht er bundesweit ein großes Potenzial.

„In vielen industriellen und urbanen Gegenden finden sich chemische Altlasten, wie etwa chlorierte Kohlenwasserstoffe. Da bei der geothermischen Nutzung kontaminierter Grundwässer diese zu reinigen sind, könnte man mit diesem klimaneutralen Verfahren der Wärmebewirtschaftung zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.“

Das Projekt KONATES (KONtaminiertATES) hat eine Laufzeit bis 07/2025. Es wird über das BMBF-Fachprogramm Geoforschung für Nachhaltigkeit (GEO:N) im BMBF-Themenschwerpunkt „Möglichkeiten und Grenzen thermischer Energiespeicherung in Aquiferen“ gefördert. Projektpartner sind die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Institut für Geowissenschaften, Kompetenzzentrum Geo-Energie (KGE)) und die Firma eneotech Umwelt GmbH.

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