Kinder haben im Gegensatz zu den meisten Erwachsenen bis ins Grundschulalter hinein oft Schwierigkeiten, Ironie zu verstehen. Juniorprofessorin Dr. Julia Fuchs vom Institut für Germanistik der Universität Leipzig forscht seit Längerem zu diesem Thema und hat wissenschaftliche Koryphäen auf dem Gebiet des kindlichen Ironieverstehens am 7. Juni zu einer internationalen Tagung an die Universität Leipzig eingeladen.

Im Interview erklärt die germanistische Linguistin, warum Kinder auch in diesem Bereich anders ticken als Erwachsene und welche Erwartungen sie an die Konferenz hat.

Seit wann gibt es Forschung zum Thema kindliches Ironieverstehen?

Forschung zum kindlichen Ironieverstehen gibt es ungefähr seit den 1980er Jahren. Das Verstehen von ironischen Äußerungen scheint eine kommunikative Fähigkeit zu sein, die im Vergleich zum Verstehen von anderen Formen des nicht-wörtlichen Sprachgebrauchs (z.B. Metaphern) deutlich später, das heißt erst im Alter von ca. sechs Jahren, erworben wird.

Deshalb gibt das kindliche Ironieverstehen Wissenschaftlern Rätsel auf: Warum genau bereitet das Verstehen von ironischen Äußerungen bis ins Schulalter hinein Schwierigkeiten? Liegt es an bestimmten kognitiven Fähigkeiten, die dafür erforderlich sind und die sich gegebenenfalls erst später ausbilden? Mit neuen Methoden, vor allem dem Eye-Tracking, das wir auch in Leipzig einsetzen, soll das Rätsel des späten Ironieverstehens gelöst werden.

Frau Juniorprofessorin Dr. Julia Fuchs. Foto: Anke Steinberg
Juniorprofessorin Dr. Julia Fuchs. Foto: Anke Steinberg

Worin unterscheidet sich das Ironieverständnis von Kindern und Erwachsenen? Wo liegen die Ursachen dafür?

Erwachsene verstehen ironische Äußerungen zumeist relativ mühelos – das heißt, dass sie erkennen, dass der ironische Sprecher das Gegenteil oder zumindest etwas deutlich anderes von dem meint, was er wörtlich sagt. Erwachsene erkennen in der Regel auch die kommunikativen Funktionen, die mit Ironie verbunden sind. Beispielsweise wollen ironische Sprecher lustig sein, sie wollen versteckt Kritik üben oder aber soziale Bindungen stärken.

Nach aktuellem Forschungsstand können Kinder das bis ins Grundschulalter hinein noch nicht in dieser ausgeprägten Form: Kinder haben zum Beispiel Schwierigkeiten damit, zu erkennen, dass der Sprecher nicht wirklich denkt, was er wörtlich sagt.

Mögliche Ursachen liegen vermutlich in recht komplexen kognitiven Voraussetzungen für das Verstehen von Ironie, die sich erst allmählich ausbilden, zum Beispiel der Fähigkeit, sich in andere Personen hineinzuversetzen, die sogenannte Theory of Mind.

Was haben Sie speziell bei Ihren Forschungen zu dem Thema herausgefunden?

Hier in Leipzig haben wir, das heißt meine Kollegin Dr. Cornelia Schulze und ich, zunächst damit begonnen, eine neuartige Methode für die Untersuchung des kindlichen Ironieverstehens zu entwickeln. Die Methode heißt „LEIRO – Leipziger Testkit zum Ironieverstehen“ und verbindet eine Objektwahl-Aufgabe, bei der die getesteten Kinder explizit über ironische Äußerungen nachdenken und Entscheidungen treffen müssen, mit impliziten Maßen, nämlich dem Eye-Tracking und der Pupillometrie.

Wir werden LEIRO der wissenschaftlichen Community bei der internationalen Tagung erstmals präsentieren und vollständig zur Nachnutzung zur Verfügung stellen. Derzeit erheben wir erste Pilotdaten. Von der Anwendung von LEIRO versprechen wir uns ganz neue Erkenntnisse zum kindlichen Ironieverstehen – vor allem wollen wir herausfinden, ob Kinder schon früher, etwa im Alter von drei Jahren, erste Kompetenzen des Ironieverstehens zeigen, wenn man die Eye-Tracking-Methode nutzt.

Die Fragen stellte die Medienredaktion der Uni Leipzig.

Hintergrund: Tagung zum kindlichen Ironieverstehen

Zu der internationalen Tagung „Investigating children’s irony comprehension. Current trends, challenges, and perspectives“, die von der Fritz Thyssen Stiftung gefördert wird, treffen sich am 7. Juni sowohl wissenschaftliche Koryphäen auf dem Gebiet des kindlichen Ironieverstehens als auch Nachwuchswissenschaftler/-innen, unter anderem aus Norwegen, der Schweiz, Polen, England und sogar Kanada in Leipzig. Sie findet im Vortragssaal der Bibliotheca Albertina in der Beethovenstraße 6 statt.

Mit der Tagung sind Julia Fuchs zufolge drei wesentliche Ziele verbunden: Erstens sollen aktuelle empirische, methodische und theoretische Trends in der Forschung zum kindlichen Ironieverstehen sichtbar gemacht, innerhalb der wissenschaftlichen Community zusammengeführt und diskutiert werden.

Zweitens sollen Herausforderungen und Perspektiven identifiziert werden. Schließlich soll die Tagung Austausch und nachhaltige Vernetzung der Mitglieder der Community befördern und die Bildung von Forschungskooperationen ermöglichen.

Die Tagung ist Basis für eine Special Issue zum kindlichen Ironieverstehen, die Julia Fuchs als Guest Editor bei der Fachzeitschrift „Pragmatics & Cognition“ herausgeben wird.

Alle, die sich für das kindliche Ironieverstehen aus wissenschaftlicher Perspektive interessieren, sind zu der Tagung willkommen: Personen aus der Forschung, aus klinischen Zusammenhängen – etwa Logopäd/-innen oder Therapeut/-innen – Studierende und interessierte Medienvertreter/-innen. Die Teilnahme ist kostenlos. Um vorherige Registrierung per E-Mail an julia.fuchs@uni-leipzig.de wird gebeten.

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