Wer am Freitag, dem 15. März, die deutschen Nachrichten verfolgte, der erfuhr, dass der Test der „Starship 3“, des bisher größten jemals gebauten Raketensystem, gescheitert sei. Die Headlines von Spiegel „Musk verliert zum dritten Mal eine Riesenrakete“ und von tagesschau.de „Dritter Testflug erfolglos“ stehen für die deutsche Mediensicht scheinbar exemplarisch.

Die Leipziger Zeitung hat als Leipziger Lokalmedium freilich keinen Auslandskorrespondenten, aber wir stehen in ständiger Verbindung mit Ralf Heckel, dem Chef des Space Education Institut Leipzig, der sich mit Jesco (10) vor Ort in Boca Chica (Texas, USA) befindet. Also haben wir ihn gefragt und auch Antworten bekommen.

Ralf, Sie sind mit Jesco vor Ort in Boca Chica und haben den Start von „Starship 3“ miterlebt. Die deutschen Medien berichten vom Scheitern des Tests, wie ist die Stimmung vor Ort und gibt es ein Statement von SpaceX?

Ja, wir sind seit vier Tagen vor Ort, Augenzeugen und stehen zudem in Kontakt mit den Leuten hier. Die Stimmung ist prächtig nach dem erfolgreichen Start mit Stufentrennung und geplantem Suborbitalflug um den halben Erdball. Von einem Scheitern kann keine Rede sein und wurde auch nie von offizieller und unabhängiger Seite so formuliert. Das Statement von SpaceX steht auf SpaceX.com und alle Telemetriedaten sind für jeden einsehbar online.

Das Raumschiff wurde beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre „zerstört“, warum kann man Ihrer Meinung nach nicht von einem Scheitern sprechen?

Seit dem 4. Oktober 1957 (Start von Sputnik 1, dem ersten künstlichen Erdsatelliten, Anm. d. Red.) wurde bisher jede Rakete nach dem Start „zerstört“, sagen wir besser, sie wurde bewusst weggeworfen. Das passiert auch mit jeder Ariane, Sojus und dem neuen NASA-System SLS.

Wir sprechen hier aber über die größte und schwerste Rakete, die jemals den Weltraum erreichte. Das ist der Erfolg. Darüber hinaus verfolgt SpaceX den noch nie dagewesenen Anspruch, irgendwann dieses Monster auch wieder zu landen. Das ist Neuland, dem sich die Autoindustrie in facto Sicherheit zum Beispiel durch Crashtests annähert. Genauso ist das bei SpaceX. Deshalb war das ja auch ein Testflug, weil man so etwas in keinem Simulator testen kann.

Der zehnjährige Jesco steht vor dem Starship 3 auf der Startrampe. Foto: Ralf Heckel
Der zehnjährige Jesco vor dem Starship 3 auf der Startrampe. Foto: Ralf Heckel

Die 1. Stufe erreichte nach 60 km Höhe mit 5.000 km/h auch fast wieder Meereshöhe bei 900 Metern. Da war dann aber leider der Treibstoff zur Bremsung alle. Man wird daraus lernen und die Software anpassen.

Die 2. Stufe erreichte das Perigäum bei 150 km und stieg nach Brennschluss noch höher. Über dem Indischen Ozean war der Wiedereintritt geplant, der zunächst auch funktionierte, aber die Steuerung das Raumschiff dann nicht stabilisieren konnte. Auch hier wird man lernen und zusätzlich kleine Schubdüsen anbringen.

Wenn ich es richtig sehe, war der Test ja erfolgreicher als die vorhergehenden, diesmal trat das Problem erst beim Wiedereintritt auf. Können Sie das bestätigen?

SpaceX verfolgt ein anderes Entwicklungskonzept. „Learning by doing“. Es geht um mehrere Neuigkeiten, die es so noch nie gab. Das sind neben Betankungen im Orbit auch die Größe und die Wiederverwendbarkeit.

So hat die testweise Betankung in der Schwerelosigkeit zwischen verschiedenen Tanks innerhalb der Oberstufe funktioniert. Erfolgreich waren auch die Stufentrennung und die Umkehrung der 5.000 km/h schnellen und 60 Meter großen Erststufe in das Zielgebiet.

Probleme gehören bei weißen Reissbrettern dazu. Sie sind Teil des Entwicklungsprozesses und dazu da, dass man aus ihnen lernt. Daran sehe ich nichts Verwerfliches. Von Problem würde ich nie sprechen, sondern von Erkenntnissen. Es war nie vorgesehen beide Stufen zu bergen, also war das auch so vorgesehen nach dem Motto: „Mal sehen, wie weit wir kommen“.

Für uns alle hier waren die Reichweiten beider Stufen eine positive Überraschung.

Wird es weitergehen mit Starship? Was meinen Sie dazu?

Die bereits existenten Starship 29 und Booster 11 werden binnen sechs bis acht Wochen umgerüstet und startfertig sein. Die Achillesferse ist die „Schildkröte FAA“, die Flugsicherheitsbehörde. Die wollen sich zwei Telemetrie-Blackouts genauer ansehen. Wegen Personalmangels bei der Behörde ist das leider ein frustrierendes Ratespiel, so der SpaceX Sicherheitschef und ehemalige NASA-Direktor für bemannte Raumfahrt, William Gerstenmaier.

Der zehnjährige Jesco steht vor dem Starship 3 auf der Startrampe. Foto: Ralf Heckel
Der zehnjährige Jesco vor dem Starship 3 auf der Startrampe. Foto: Ralf Heckel

Ist dieser Flaschenhals überstanden, dann erwarte ich ab Juni einen Start pro Monat, mit steigender Frequenz noch in diesem Jahr auf zwei pro Monat.

Es wird ca. 100 Starts geben, bis die Rakete reif für ihre Aufgaben im Artemis-Mondprogramm ist und als Mannschaftstransporter und Frachter fungieren kann. Bis dahin bereichert sie zunächst das weltweite Highspeed-Internet.

Der zehnjährige Jesco, der alles bewusst miterlebte, musste über die deutschen Veröffentlichungen lachen.

Eine Bemerkung noch zum Umfeld:

Ich beobachte diese Region nun seit elf Monaten sehr genau und saß gestern mit dem Landrat beim Frühstück. Es ist beeindruckend, wie schnell die Region in ihrer Mitentwicklung ist. Da werden Straßen, Autobahnen und riesige Gewerbegebiete aus dem Boden gestampft. Auf der Starbase entstehen im Rekordtempo riesige Produktionshallen. Der Mittelstand zieht mit Service und Logistik mit.

***

Fazit: Das „Scheitern“ des Tests ist, wie Ralf Heckel sagt, eine Inkaufnahme von Fehlschlägen beim Prinzip „learning by doing“, besser „Trial-and-Error“. Wir können davon ausgehen, dass die Tests weitergehen und am Ende voraussichtlich ein funktionierendes Raketensystem steht, mit dem Jesco und der Rest der Rovernauten-Crew das Weltall erkunden werden.

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