Es war der Wildtiermarkt in Wuhan. Felsenfest überzeugt zeigten sich die Wissenschaftler schon relativ früh in der Debatte, wo die Covid19-Pandemie Ende 2019 ihren Ausgang nahm. Doch Wissenschaft lebt vom Zweifel. Und Forscher der TU Freiberg und aus Hongkong haben jetzt die zentrale Studie zum Ursprung der Pandemie gründlich unter die Lupe genommen. Und siehe da: Falsch angewandte Statistik schafft falsche Gewissheiten.
In der bekannen Studie von Worobey et al (2022) wird behauptet, dass der Huanan-Wildtiermarkt der chinesischen Stadt Wuhan als einziger Ursprungsort der COVID-19 Pandemie in Frage komme.
Eine sorgfältige Analyse des Beweises an der TU Freiberg ergab nun, dass der statistische Teil der Worobey-Studie eklatant falsch ist. Das zeigt eine neue sorgfältig begutachtete Studie, die am 16. Januar 2024 im Journal of the Royal Statistical Society Series A erschien. Autoren sind Professor Dietrich Stoyan von der TU Bergakademie Freiberg und Professor Sung Nok Chiu von der Hong Kong Baptist University.
Auch anderte Hotspots sind möglich
Wo tauchte das Corona-Virus zum ersten Mal auf, um als Pandemie den gesamten Globus zu befallen? Eine Studie von 17 Autorinnen und Autoren um den kanadischen Wissenschaftler Michael Worobey kam 2022 mit einer eindeutigen Antwort: Es sei der Huanan-Wildtiermarkt der chinesischen Stadt Wuhan, der als einziger Ursprungsort der COVID-19-Pandemie in Frage komme. Veröffentlicht wurde diese Studie in der Zeitschrift Science.
Und ähnlich wie das Corona-Virus trat diese These eine weltweite Reise nicht nur durch die Wissenschaftscommunity, sondern auch durch die Massenmedien an. Eine sorgfältige Analyse des Beweises ergab nun, dass der statistische Teil der Worobey-Studie eklatant falsch ist. Das zeigt eine neue sorgfältig begutachtete Studie, die am 16. Januar 2024 im Journal of the Royal Statistical Society Series A erschien.
Dietrich Stoyan von der TU Bergakademie Freiberg und sein chinesischer Kollege Sung Nok Chiu von der Hong Kong Baptist University haben die Arbeit von Worobey et al in Hinblick auf das darin angewandte statistische Verfahren untersucht. Ihr Urteil ist eindeutig: Die Statistik beweist nicht, dass jener Markt in Wuhan das frühe Epizentrum der COVID-19-Pandemie war. Der wichtigste verwendete statistische Test sei unsinnig, so Stoyan, und es gebe weitere Mängel in der statistischen Argumentation.
Die ersten 155 Fälle
Stoyan und Chiu haben dieselben geostatistischen Daten verwendet wie Worobey et al. Dabei handelt es sich um die Wohn-Adressen der ersten 155 Corona-Fälle. Diese Adressen wurden als Punkte auf einer Karte eingetragen. In dem Science-Artikel wird dieses Punktmuster mit durch Simulation erzeugten Punktmustern verglichen und es werden signifikante Unterschiede festgestellt. Da aber diese künstlichen Punktmuster falsch gewählt sind, muss der benutzte Test immer die Hypothese ablehnen, dass ein anderer Ort als der Markt das Epizentrum ist. Sprich: Worobey et al haben von vorne herein andere Orte als den Huanan-Wildtiermarkt ausgeschlossen. Allerdings kämen durchaus auch andere Orte in der Nähe des Marktes als Kandidaten infrage: ein großer Bahnhof und ein riesiger Einkaufskomplex mit Hotels und Restaurants.
„Wo sich das Epizentrum der weltweiten Corona-Pandemie befunden hat, ist mit Worobeys Studie nicht nachgewiesen worden. Die Forschung steht mit dieser Frage immer noch am Anfang“, erklärt Stoyan.
Die Studie: Dietrich Stoyan; Sung Nok Chiu (2024). Statistics did not prove that the Huanan Seafood Wholesale Market was the early epicenter of the COVID-19 pandemic. Journal of the Royal Statistical Society Series A: Statistics in Society, qnad139
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