Eine neue Studie zeigt eine natรผrliche Lรถsung zur Abschwรคchung von Auswirkungen des Klimawandels wie extremen Wetterereignissen auf. Forschende der Universitรคt Leipzig, der Friedrich-Schiller-Universitรคt Jena, des Deutschen Zentrums fรผr integrative Biodiversitรคtsforschung Halle-Jena-Leipzig (iDiv) und anderer Forschungseinrichtungen fanden heraus, dass eine vielfรคltige Pflanzenwelt als Puffer gegen Schwankungen der Bodentemperatur wirkt.
Dieser Puffer wiederum kann einen entscheidenden Einfluss auf wichtige รkosystemprozesse haben.
Ihre neuen Erkenntnisse haben die Wissenschaftler/-innen im Fachjournal โNature Geoscienceโ verรถffentlicht.
โDie Bodentemperatur spielt eine zentrale Rolle bei der Steuerung wichtiger รkosystemprozesse in Bezug auf Wasser-, Kohlenstoff- und Nรคhrstoffdynamik, mikrobielle Aktivitรคt und landwirtschaftliche Produktivitรคtโ, erklรคrt die Erstautorin der Studie, Dr. Yuanyuan Huang. Trotz ihrer Bedeutung wurde bisher in keiner Studie untersucht, ob gerade die Pflanzenvielfalt als Puffer gegen Schwankungen der Bodentemperatur wรคhrend der langfristigen Entwicklung einer Gemeinschaft wirkt.
Huang und ihre Kolleg/-innen prรคsentieren in ihrer Studie Ergebnisse eines umfassenden Datensatzes, der von 2004 bis 2021 in einem groร angelegten Grasland-Biodiversitรคtsexperiment โ dem Jena-Experiment โ gesammelt wurde. Das Versuchsgelรคnde umfasst 80 Parzellen mit einer unterschiedlichen Pflanzenvielfalt von einer bis zu 60 Arten. Auรerdem lieferten vier Parzellen mit unbepflanztem Boden und zwei Parzellen mit unkontrolliertem Bewuchs wichtige Bezugspunkte.
Die Bodentemperatur wurde automatisch in fรผnf Zentimetern und 15 Zentimetern Tiefe mit einer Auflรถsung von einer Minute รผber einen Zeitraum von 18 Jahren aufgezeichnet, was eine erhebliche Klimavariabilitรคt abdeckt.
Die wissenschaftliche Koordinatorin des Versuchsexperiments, Dr. Anne Ebeling, sagt: โWir haben gerade das 20-jรคhrige Bestehen des Jena-Experiments gefeiert. In diesen zwei Jahrzehnten haben wir eine Reihe von extremen Wetterereignissen erlebt, darunter langanhaltende Dรผrren, ein groรes Hochwasser im Jahr 2013 und auรergewรถhnlich kalte Frรผhlinge.โ
Zusรคtzlich meint Gideon Stein, der zweite Autor der Studie und verantwortlich fรผr die Datenaufbereitung: โEs ist wirklich interessant zu sehen, wie viele historische Ereignisse in den Temperaturdaten des Jena Experimentes wiederzufinden sind.โ
โDiese beispiellose Analyse langfristiger, hochauflรถsender Daten liefert รผberzeugende Beweise dafรผr, dass die Pflanzenvielfalt als natรผrlicher Puffer fungiert und angesichts klimatischer Extreme fรผr Stabilitรคt sorgtโ, betont Huang. Wรคhrend des gesamten 18-jรคhrigen Zeitraums habe die Pflanzenvielfalt ihre bemerkenswerte Fรคhigkeit gezeigt, den Boden bei sengender Hitze vor รberhitzung zu schรผtzen und in kรคlteren Perioden dabei zu helfen, Wรคrme zu speichern.
Stabilitรคt das ganze Jahr รผber
Im Sommer, an Tagen mit besonders hoher Lufttemperatur, lag die Bodentemperatur in Pflanzengemeinschaften mit 60 Arten um 5,04 Grad Celsius niedriger als in unbepflanzten Parzellen. Zum Vergleich: Dieser Unterschied ist mehr als doppelt so hoch wie der Unterschied zwischen Monokulturen und unbepflanztem Boden zum gleichen Zeitpunkt.
An Tagen mit besonders niedriger Lufttemperatur war jedoch die Bodentemperatur in der 60-Arten-Pflanzengemeinschaft um 1,48 Grad Celsius wรคrmer als im unbepflanzten Parzellen, was in diesem Fall fast fรผnfmal so hoch ist wie der Unterschied zwischen Monokulturen und dem unbepflanzten Boden.
Die Forschenden kamen zu dem Schluss, dass Pflanzenvielfalt die Bodentemperatur das ganze Jahr รผber stabilisieren kann. Die Auswirkungen verstรคrkten sich mit zunehmendem Alter der Versuchsgemeinschaften und sind gerade unter den hรคrtesten klimatischen Bedingungen wie sengend heiรen Tagen und trockenen Jahren noch prรคgnanter.
In einem zweiten Schritt untersuchten Huang und ihre Kolleg/-innen die Ursachen fรผr die stabilisierende Wirkung der Pflanzenvielfalt. Die Pflanzenvielfalt erhรถhte nicht nur die Gesamtheit an Blattflรคchen der Pflanzen, was zu einer stรคrkeren Beschattung fรผhrte, sondern auch den Gehalt an organischem Kohlenstoff im Boden. Die stabilisierende Wirkung der Pflanzenvielfalt zeigte sich durch eine Reduktion der Wรคrmeleitung in den oberen 60 Zentimetern des Bodens.
Infolgedessen blieb die Bodentemperatur in Gemeinschaften mit einer hรถheren Pflanzendiversitรคt das ganze Jahr รผber und durch den kompletten Oberboden hinweg stabiler.
Auch Abbau von Kohlenstoff im Boden
Diese Ergebnisse haben weitreichende Auswirkungen. In Graslandschaften der gemรครigten Zonen und darรผber hinaus kรถnnte die durch die Pflanzenvielfalt bewirkte Stabilisierung der Bodentemperatur entscheidend sein, um negative Auswirkungen extremer klimatischer Ereignisse abzuschwรคchen. Dazu gehรถrt auch der Abbau von Kohlenstoff im Boden und dessen Freisetzung in die Atmosphรคre.
Hierdurch hat dieser natรผrliche Mechanismus nach Ansicht der Forschenden zusรคtzlich das Potenzial, den Prozess der globalen Erwรคrmung zu verlangsamen.
โUnsere Forschung zeigt die bemerkenswerte Fรคhigkeit der Pflanzenvielfalt, als Schutzschild gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu wirken. Sie erinnert uns eindringlich daran, wie wichtig es ist, die biologische Vielfalt in unseren รkosystemen zu erhalten und zu fรถrdern, um die Umwelt zu schรผtzen und eine nachhaltige Zukunft zu sichernโ, sagt Prof. Dr. Nico Eisenhauer, der Leiter der Studie und Sprecher des Jena-Experiments.
Die Studie erweitere nicht nur unser Verstรคndnis der lebenswichtigen Rolle der biologischen Vielfalt, sondern biete auch einen Hoffnungsschimmer im laufenden Kampf gegen den Klimawandel.
Verรถffentlichung in โNature Geoscienceโ: โEnhanced stability of grassland soil temperature by plant diversityโ
Empfohlen auf LZ
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Keine Kommentare bisher
Interessante Studie, das Ergebnis absolut nachvollziehbar und plausibel!
Auch fรผr Wald gibt es viele Untersuchungen โ z.B. von Professor Ibisch aus Eberswalde -, wie sich eine natรผrliche oder naturnahe Pflanzengesellschaft positiv auf das Mikroklima auswirkt, geschlossene Kronendรคcher wichtig fรผr ein waldtypisches kรผhles Waldinnenklima sind und Austrocknungen des Bodens deutlich vermindern. So ist es in naturnahen und strukturreichen Laubwรคldern oft mehr als 10 Grad kรผhler als in einem Monobestand (v.a. Fichten- oder Kiefernplantagen, aber auch Laubholzmonokulturen).
Seltsam, dass das iDiv in Leipzig, welches zahlreiche Forschungsprojekte fรผr die Stadt Leipzig und das Forstamt durchfรผhrt, solche Forschungsergebnisse fรผr den Wald offensichtlich nicht ernst nimmt, das Heiรschlagen des Leipziger Auwaldes รผber Kleinkahlschlรคge weiterhin als gute Option lobpreist, drastische Altdurchforstungen (mit Biomasseentfernungen von 100 Festmetern/ha und mehr) nicht kritisiert, Schirmschlรคge in der Burgaue (das sogenannte Mittelwaldexperiment), die eine extrem monotone Ahornmonokultur haben entstehen lassen (viele stehen gelassene Bรคume sind schon angesichts der plรถtzlichen Freistellung mit den logischen Folgen wie Temperaturerhรถhung oder Sturmanfรคlligkeit umgefallen) gutheiรt und sogar noch eine Intensivierung der Einschlรคge vorschlรคgt, bei den Temperaturmessungen auf den Kleinkahlschlรคgen auf รถffentlichen Diskussionsveranstaltungen nur Durchschnittstemperaturen nennt (obwohl die Extremtemperaturen natรผrlich die viel relevanteren sind), die gemessenen Luftfeuchtigkeitswerte auรer Acht lassen usw. usfโฆ Ob es hier wohl irgendwelche Interessenskonflikte bestehen?