Neue Beobachtungsdaten von der Erde will die Europäische Weltraumorganisation ESA mit den sogenannten Earth-Explorer-Missionen liefern. Die Chancen stehen gut, dass bei der elften europäischen Erderkundungsmission ein Konzept umgesetzt wird, an dem die Universität Leipzig beteiligt ist. Dr. Maximilian Maahn vom Leipziger Institut für Meteorologie ist Mitglied des wissenschaftlichen Beratungsteams der Satellitenmission WIVERN, einem der zwei verbliebenen Kandidaten für „Earth Explorer 11“.
Im Gespräch erklärt Maahn die Hintergründe.
Herr Dr. Maahn, bislang beobachten Meteorolog/-innen Windbewegungen vor allem vom Boden aus. Wieso ist es wichtig, dass sie Daten über Wind künftig auch per Satellit sammeln können?
Eine genaue Vorhersage der Wetterentwicklung für die nächsten Tage ist nur möglich, wenn man den aktuellen Zustand der Atmosphäre genau kennt. Das Windfeld ist dabei eine der wichtigsten Variablen, denn es bestimmt, wie sich Wettersysteme wie zum Beispiel Tiefdrucksysteme bewegen. In Bodennähe wird der Wind jedoch durch Reibung stark abgebremst, sodass für die Wettervorhersage die Windmessung in der freien Atmosphäre am wichtigsten ist.
Doch genau dort fehlen uns bisher genaue Daten in ausreichender räumlicher und zeitlicher Auflösung. WIVERN wird dieses Problem angehen und das Windfeld an praktisch jedem bewölkten Punkt der Erde alle ein bis eineinhalb Tage beobachten. Vorstudien des französischen Wetterdienstes Meteo France haben gezeigt, dass WIVERN dadurch die Qualität der Wettervorhersagen messbar verbessern kann.
Das ist für uns alle sehr wichtig, denn bessere Wettervorhersagen sind nicht nur für die Planung einer Gartenparty notwendig, sondern können bei Wetterkatastrophen durch längere Vorwarnzeiten auch helfen, Leben zu retten.
Sie arbeiten mit dem sogenannten Dopplereffekt. Diesen kennt man im Alltag aus dem Straßenverkehr, wenn uns ein Notarztwagen begegnet und sich die Tonhöhe des Sirenensignals zu verändern scheint, während er an uns vorbeifährt. Wie wollen Sie und Ihre Kolleg/-innen sich diesen Effekt für die Windbeobachtung zunutze machen?
Das Hauptinstrument von WIVERN wird ein Wolkenradar mit einer Frequenz von 94 Gigahertz sein. Es sendet Radiowellen aus, die von Wolken und Niederschlag reflektiert werden. Aufgrund des Dopplereffekts ändert sich die Frequenz des zurückgeworfenen Signals, sodass die Geschwindigkeit der Wolke relativ zum Radar bestimmt werden kann. Schaut man, wie bei WIVERN, schräg in die Wolke aus verschiedenen Richtungen hinein, kann man dann aus dem Dopplereffekt das Windfeld rekonstruieren.
Was muss das WIVERN-Team jetzt tun, um im Sommer 2025 den Zuschlag der ESA zu erhalten?
In den nächsten 18 Monaten werden wir weiter daran arbeiten, die Machbarkeit unseres Konzepts durch detaillierte Vorstudien und weitere Messkampagnen zu demonstrieren. Darüber hinaus werden wir untersuchen, welche Anwendungsmöglichkeiten es für die WIVERN-Daten neben der Windmessung gibt. Zum Beispiel werden wir als Nebenprodukt der Doppler-Messung in der Lage sein, die räumliche Ausdehnung und den Wassergehalt von Wolken und Niederschlagsgebieten zu quantifizieren.
Dies ist besonders in Polarregionen wichtig, da es dort bisher nur wenige Beobachtungen gibt und wir erwarten, dass WIVERN im Vergleich zu heutigen Satellitenmissionen bis zu 70-mal häufiger Schneefall beobachten kann. Am Leipziger Institut für Meteorologie werden wir daher bis Sommer 2025 untersuchen, wie sich Schneefallraten und andere Wolkeneigenschaften am besten aus den WIVERN-Daten ableiten lassen.
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Die elfte Earth-Explorer-Mission: Die ESA verkündete am 21. November 2023, welche vorgeschlagenen Satellitenmissionen für die elfte Earth-Explorer-Mission noch im Rennen sind. Einer der zwei verbliebenen Kandidaten ist das Projekt WIVERN. Neben der Universität Leipzig sind daran auch Wissenschaftler/-innen aus Reading (Vorsitz), Hamburg, Lindenberg, Montreal, Norrköping, Paris, Rom, Toronto, Toulouse und Turin vertreten.
Die endgültige Entscheidung, welche Satellitenmission als ESA Earth Explorer 11 gestartet wird, soll im Sommer 2025 fallen. Eine Zusammenfassung zu WIVERN ist auf der Webseite der Universität Leipzig zu finden.
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