Eine aktuelle Studie von Leipziger Wissenschaftler/-innen vermittelt erstmals ein klares Bild, wo Sprachprozesse im Gehirn konkret zu lokalisieren sind. Die gewonnenen Erkenntnisse können unter anderem bei klinischen Studien zur Erholung des Sprachvermögens nach Hirnverletzungen nützlich sein, heißt es i einer jetzt veröffentlichten Metaanalyse zur Sprachverarbeitung.

Dr. Sabrina Turker, Dr. Philipp Kuhnke und Prof. Dr. Gesa Hartwigsen vom Wilhelm-Wundt-Institut für Psychologie der Universität Leipzig und vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften haben die Metaanalyse in Kooperation mit Wissenschaftler/-innen des Forschungszentrum Jülich durchgeführt. Ihre Ergebnisse haben sie in der renommierten Fachzeitschrift Psychological Bulletin veröffentlicht.

Sprache ist das wichtigste Instrument für die menschliche Kommunikation und für ein Leben in unserer Gesellschaft unerlässlich.

„Trotz zahlreicher neurowissenschaftlicher Forschung zur Repräsentation von Sprache gab es bisher wenig Befunde zur Organisation der Sprache im menschlichen Gehirn. Viele unserer Erkenntnisse stammen aus einzelnen Studien mit geringen Proband/-innenzahlen und konnten in Folgestudien nicht bestätigt werden“, sagt Dr. Sabrina Turker vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Die Metastudie schaffe nun Abhilfe.

Porträt Dr. Sabrina Turker. Foto: Kerstin Flake/MPI CBS
Dr. Sabrina Turker. Foto: Kerstin Flake/MPI CBS

Basierend auf mehr als 400 neurowissenschaftlichen Experimenten mit funktioneller Bildgebung und mit einer Zahl von über 7.000 Proband/-innen liefert die Analyse fundierte Erkenntnisse über die Organisation der Sprache im Gehirn. Um die Vielzahl an Befunden aus verschiedenen Studien möglichst vollständig und objektiv zu integrieren, wurde eine quantitative, koordinatenbasierte Metaanalyse angewendet. Damit lässt sich feststellen, wo im Gehirn Aktivierung für bestimmte Sprachprozesse zu finden ist.

Dieser Ansatz bietet Einblicke in grundlegende Organisationsprinzipien des Gehirns für die Sprachverarbeitung. Die Wissenschaftler/-innen untersuchten nicht nur Sprache als Prozess allgemein, sondern widmeten sich explizit untergeordneten Prozessen: der Bedeutung von Sprache auf Wort- und Satzebene (Semantik), der lautlichen Struktur (Phonologie), der Anordnung sprachlicher Elemente/Grammatik (Syntax) und der lautlichen Struktur von Sprache auf Satzebene (zum Beispiel Melodie, Intonation, Rhythmus, Prosodie).

Neben sogenannten „klassischen“ Sprachregionen in der linken Hirnhälfte, so fanden die Autor/-innen der Studie heraus, spielen vor allem Strukturen in den Hirnregionen unterhalb der Großhirnrinde und das Kleinhirn eine tragende Rolle bei sprachlichen Prozessen.

Porträt Prof. Dr. Gesa Hartwigsen. Foto: Swen Reichhold/Universität Leipzig
Prof. Dr. Gesa Hartwigsen. Foto: Swen Reichhold/Universität Leipzig

„Diese Regionen wurden in der bisherigen neurowissenschaftlichen Forschung zur Sprache eher stiefmütterlich behandelt“, konstatiert Gesa Hartwigsen, Professorin für Kognitive einschließlich Biologische Psychologie an der Universität Leipzig. „Besonders jene Prozesse, die die Sprachbedeutung und die Verarbeitung von Lauten betreffen, werden vom linken und rechten Kleinhirn unterstützt. Ebenso hängen über das Wort hinausgehende, lautliche Muster, die auch die emotionale Bedeutung weitergeben, mit der Aktivierung in der rechten Amygdala, einem paarigen Kerngebiet des Gehirns, zusammen.“ Dieser Teil beeinflusse Emotion und Erinnerung.

„Unsere Erkenntnisse können künftigen Studien zur Erholung der Sprache nach Hirnverletzungen, ausgelöst beispielsweise durch Schlaganfälle, dienen“, ergänzt Prof. Dr. Gesa Hartwigsen. „Und sie können dabei helfen, Modelle der Sprachverarbeitung zu verfeinern.“

Originalveröffentlichung in Psychological Bulletin: Turker S., Kuhnke P., Eickhoff SB., Caspers S. und Hartwigsen G. „Cortical, Subcortical, and Cerebellar Contributions to Language Processing: A Meta-Analytic Review of 403 Neuroimaging Experiments.

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