Wer vor 5.000 Jahren in Europa untwegs war, der traf auf viele dunkelhäutige Menschen. Nicht die weiße Hautfarbe dominierte, sondern die dunkle. Was auch Archäologen lange Zeit überhaupt nicht klar war. Sie stellten die Menschen aus dieser Zeit in Bildern und Plastiken meist hellhäutig dar. So wie sie selbst im heutigen Europa geprägt wurden. Aber selbst der legendäre Jäger aus den Ötztaler Alpen war dunkelhäutig, stellten Leipziger Forscher fest.
Das wird jetzt immer öfter Thema. Schon bei der legendären Schamanin von Bad Dürrenberg, über die der sachsen-anhaltinische Landesarchäologe Harald Meller und der Wissenschaftsjournalist Kai Michel das Buch „Das Rätsel der Schamanin“ schrieben, mussten sich die Forscher korrigieren und auch das bekannte Bild von Karo Schauer, das sie im Schamanenkostüm zeigt, musste korrigiert werden – aus der weißhäutigen Schamanin wurde eine dunkelhäutige. So wie die Bewohner Europas vor 9.000 Jahren vor Ankunft der Bauern und Viehzüchter und der Steppenvölker eben alle aussahen: dunkelhäutig.
Und auch vor 5.000 Jahren war die dunkle Hauptfarbe noch weit verbreitet.
Isoliert in den Alpen
Schon 2012 wurde Ötzis Genom entschlüsselt, als erstes Genom einer Mumie und mit wichtigen Erkenntnissen zum Erbgut prähistorischer Europäer. Die seitdem erzielten Fortschritte in der Sequenziertechnologie ermöglichten nun einem Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie und von Eurac Research eine sehr viel exaktere Rekonstruktion seines Genoms.
Die Ergebnisse dieser Analyse verfeinern das Bild: Im Vergleich mit seinen europäischen Zeitgenossen ist beim Ötzi der genetische Anteil aus Anatolien eingewanderter Frühbauern ungewöhnlich hoch, was nahelegt, dass er aus einer relativ isolierten Alpenbevölkerung mit wenig Kontakt zu anderen europäischen Gruppen stammte. Zum Aussehen des Ötzi erbrachte die Studie ebenfalls neue Erkenntnisse: Zum Zeitpunkt seines Todes hatte er mit hoher Wahrscheinlichkeit eine fortgeschrittene Glatze. Seine Haut war dunkler, als bisher angenommen. In den Genen zeigt sich zudem eine Veranlagung zu Diabetes und Übergewicht.
Der heutige Genmix der Europäer
Der Genmix heutiger europäischer Menschen ist hauptsächlich aus der Vermischung dreier Ahnengruppen entstanden, beschreibt das MPI für evolutionäre Anthropologie die Entstehung jenes Phänotyps, der heute in Europa dominiert: Die ursprünglichen Jäger und Sammler Westeuropas (zu denen die Schamanin von Bad Dürrenberg noch gehörte) gingen nach und nach in den frühen Bauern auf, die vor etwa 8.000 Jahren aus dem Nahen Osten einwanderten. Schätzungsweise beginnend vor etwa 4.900 Jahren kamen dazu noch Steppenhirten aus Osteuropa.
Bei ersten Analysen hatte man in Ötzis Erbgut genetische Spuren dieser Steppenbevölkerung gefunden, die die verfeinerten neuen Ergebnisse nun nicht mehr zeigen: Die damalige Probe war mit moderner DNA kontaminiert, stellt das MPI fest.
Seit der ersten Studie wurden nicht nur die Technologien zur Sequenzierung enorm weiterentwickelt, man hat auch viele Genome prähistorischer Europäer, häufig aus Skelettfunden, vollständig entschlüsselt. Damit war es möglich, Ötzi mit Zeitgenossen zu vergleichen. Das Ergebnis: Unter den hunderten frühen europäischen Menschen, die zur selben Zeit wie Ötzi lebten und deren Genome zur Verfügung stehen, hat Ötzi die meisten bäuerlichen Ahnenanteile. Also genetische Anteile jener Menschen, die vor rund 8.000 Jahren donauaufwärts einwanderten und die Landwirtschaft mitbrachten.
Ötzis Herkunft und Aussehen
Das Forschungsteam schließt daraus, dass er aus einer relativ isolierten Bevölkerung mit wenig Kontakt zu anderen europäischen Gruppen stammte.
„Wir waren sehr überrascht, im neuen Ötzi-Genom keine Spuren der osteuropäischen Steppenhirten zur finden, auch der Anteil der Jäger-und-Sammler-Gene beim Ötzi ist sehr gering. Genetisch sieht er so aus, als seien seine Vorfahren direkt aus Anatolien gekommen“, erklärt Johannes Krause, Leiter der Abteilung Archäogenetik am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und Mitautor der Studie.
Neue Ergebnisse erbrachte die Studie auch zu Ötzis Aussehen. Sein Hauttyp, schon in der ersten Genom-Analyse als mediterran-europäisch bestimmt, war noch dunkler als bisher angenommen.
„Es ist der dunkelste Hautton, den man in europäischen Funden aus derselben Zeit nachgewiesen hat“, erklärt der Anthropologe und Mitautor der Studie Albert Zink, Leiter des Instituts für Mumienforschung bei Eurac Research in Bozen. „Man dachte bisher, die Haut der Mumie sei während der Lagerung im Eis nachgedunkelt, aber vermutlich ist, was wir jetzt sehen, tatsächlich weitgehend Ötzis originale Hautfarbe. Dies zu wissen, ist natürlich auch wichtig für die Konservierung.“
Unser bisheriges Bild von Ötzi stimmt auch in Bezug auf die Haare nicht, stellen die Forscher fest. Als reifer Mann hatte er mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr langes, dichtes Haupthaar, sondern höchstens noch einen schütteren Kranz. Seine Gene zeigen eine Veranlagung zur Glatzenbildung.
„Das ist ein relativ eindeutiges Ergebnis und könnte auch erklären, warum bei der Mumie fast keine Haare gefunden wurden“, sagt Zink. Ein erhöhtes Risiko für Übergewicht und Diabetes Typ 2 lag ebenfalls in Ötzis Erbanlagen, kam jedoch dank seines gesunden Lebensstils wahrscheinlich nicht zum Tragen.
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