Vom Zellwachstum bis zum Stoffwechsel: Das Protein mTOR steuert viele wichtige Prozesse. Damit es seine Arbeit korrekt ausführen kann, ist es auf den sogenannten SEA-Proteinkomeplex angewiesen. Dieser misst die Konzentration von Nährstoffen und Hormonen in der Zelle – und gibt mTOR daraufhin ein Start- oder Stoppsignal. Ist dieser Prozess gestört, kann das zu Krankheiten wie Krebs, Diabetes oder Epilepsie führen.

Hochauflösende Einblicke in diesen komplexen Signalweg liefert ein Team der Universität Genf und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) in „Nature“. Ihm gelang es, die Struktur des SEA-Komplexes mittels Kryo-Elektronenmikroskopie aufzuklären.

Das mTOR-Protein ist die zentrale Schaltstelle des Zellwachstums und kommt in nahezu allen Organismen vor – von einfachen Hefezellen bis zum Menschen. Gesteuert wird seine Aktivität vom sogenannten SEA-Proteinkomplex. Dieser besteht aus acht Einzelproteinen und funktioniert gewissermaßen als Signalgeber: Standardmäßig gibt der Komplex ein Stopp-Zeichen für das Protein.

Sind die richtigen Nährstoffe und Hormone in ausreichender Menge vorhanden, schaltet der Komplex auf grün, mTOR nimmt seine Arbeit auf und regt zum Beispiel die Produktion neuer Proteine und Fette in der Zelle an.

„Bislang ging man davon aus, dass zwei Teile des SEA-Komplexes dafür verantwortlich sind, wie die Aktivität von mTOR reguliert wird: Der sogenannte SEACIT-Teil verhindert die Aktivität von mTOR. Der SEACAT-Teil kann diese Blockade sozusagen aufheben“, sagt Jun.-Prof. Dr. Panagiotis Kastritis von der MLU. Wie dieser Prozess im Detail funktioniert, ist aber noch nicht geklärt.

Das Team aus der Schweiz und Deutschland untersuchte dieses komplexe Zusammenspiel mit Hilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie. Dabei werden die Proben zunächst schockgefroren und anschließend mit Elektronen beschossen. Anhand des Phasenkontrastes der Elektronen lässt sich dann ein 3D-Modell der Probe erstellen.

„Dabei werden die Proben extrem schnell auf -180 Grad Celsius heruntergekühlt. Mit der Kryo-EM ist es zu möglich, die Struktur der Proteine in ihrem ursprünglichen Zustand zu erhalten“, sagt Kastritis weiter. Seine Arbeitsgruppe bearbeitete die Proteinproben aus der Schweiz und erstellte die ersten hochauflösenden Kryo-EM-Aufnahmen der Proteine, mit denen die Forschenden in Genf weiterarbeiten konnten.

Zu ihrer Überraschung stellten die Forscherinnen und Forscher fest, dass der blockierende SEACIT-Teil auch dann aktiv ist, wenn seine Arbeit bei entsprechenden Bedingungen eigentlich durch SEACAT verhindert werden sollte.

„Dieses Ergebnis ist sehr unerwartet, da der aktivierende SEACAT seit langem als direkter Inhibitor von SEACIT beschrieben wurde. Wir hatten daher erwartet, dass SEACIT in Gegenwart von aktivem SEACAT inaktiv ist. Unsere Ergebnisse zeigen, dass SEACAT eher als Gerüst für die Rekrutierung anderer regulatorischer Proteine fungiert und dass seine Anwesenheit daher für die Hemmung von SEACIT notwendig, aber nicht ausreichend ist“, erklärt Prof. Dr. Robbie Loewith von der Universität Genf.

Die Strukturaufklärung des SEA-Komplexes hat es dem Team zufolge ermöglicht, fehlende Verbindungen in der mTOR-Regulierung aufzuzeigen. „Natürlich müssen wir jetzt die noch unbekannten Partner identifizieren, die mit diesem Komplex assoziiert sind. Diese neuen Faktoren könnten sich als therapeutische Ziele für Tumoren erweisen, bei denen die mTOR-Aktivität verstärkt ist“, so Dr. Lucas Tafur von der Universität Genf abschließend.

Die Studie wurde unter anderen vom Schweizerischen Nationalfonds, dem Europäischen Forschungsrat, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

Studie: Tafur L. et al. Cryo-EM structure of the SEA complex. Nature (2022). doi: 10.1038/s41586-022-05370-0

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