Der Flugverkehr ist für rund drei Prozent des weltweiten CO₂-Ausstoßes verantwortlich. Damit die schweren Flugzeuge überhaupt fliegen können, brauchen sie große Mengen an Energie. Das Problem: Beim Fliegen erzeugen sie Treibhausgase, Lärm und Schadstoffe. Insbesondere die Emissionen von Stickoxiden und die Erzeugung von Kondensstreifen, die die Wolkenbildung beeinflussen, tragen zur Klimaerwärmung bei. Deutlich klimafreundlicher wären daher vollelektrische Flugzeuge. Aber die gibt es noch nicht.

Um Antriebe für solch CO₂-arme Mobilitätssysteme möglich zu machen, forscht Robert Böhm, Professor für Leichtbau mit Verbundwerkstoffen an der HTWK Leipzig, mit seinem Team an mehreren aktuellen Projekten zum Leichtbau und zur Energiespeicherung von elektrisch betriebenen Luftfahrzeugen.

Warum massive Batterien keine Zukunftslösung sind

Ziel der Forschungsprojekte ist es, für CO₂-arme Mobilitätssysteme leichte und zugleich effiziente und langlebige Energiespeicherlösungen zu entwickeln. Denn riesige Batterien würden das Fliegen vollends unwirtschaftlich machen.

„Dafür sollen neue, umweltfreundliche Hochleistungswerkstoffe für den Leichtbau genutzt werden. Diese sind ein Hoffnungsträger im Kampf gegen den Klimawandel. In den Projekten bringen wir deshalb unsere Expertise hinsichtlich klimafreundlicher Verbundwerkstoffe sowie verbesserter Batteriesysteme für Energiespeicherlösungen und zum Recycling von Bauteilen ein“, erklärt Böhm.

In ersten Ansätzen für elektrische Flugzeuge werden extrem schwere Batterien genutzt, die zugleich viel Platz benötigen. Nur so kann derzeit die benötigte Energie der Flugzeuge überhaupt sichergestellt werden – vor allem für Start und Landung müssen sie viel Energie aufwenden, aber auch während Langstreckenflügen mit zum Teil großen Temperaturunterschieden.

Projekt 1: Energiequelle Flugzeugrumpf?

Eine Lösung für leichte, platzsparende und leistungsfähige Energiespeicher könnten sogenannte Superkondensatoren sein, die aus Leichtbauverbundwerkstoffen hergestellt werden. Die Bauelemente, die in einem Gleichstromkreis elektrische Ladung und damit Energie speichern können, können im Vergleich zu Batterien oder Akkus die Energie schneller speichern und auch wieder abgeben.

Im Forschungsprojekt „Printcap“ will die HTWK Leipzig gemeinsam mit der Technischen Universität Dresden und zwei Partnerunternehmen aus Frankreich strukturtragende Superkondensatoren entwickeln. So könnte zum Beispiel der Rumpf eines Flugzeugs selbst zum Energiespeicher werden, indem dieser aus multifunktionalen und leichten Verbundwerkstoffen gebaut würde. Zusätzliche Batterien könnten dann deutlich leichter ausfallen.

„Bei der Herstellung der Strukturen werden wir uns im Gegensatz zu existierenden Konzepten auf die additive Fertigung konzentrieren: Mittels 3D-Druck könnten die strukturellen Superkondensatoren endkonturnah im Bauteil angeordnet werden und so geometrisch optimierte Strukturen mit hoher Energiespeicherfunktion entstehen“, erläutert Böhm, der seitens der HTWK Leipzig das Projekt leitet.

Seit Juni 2022 wird es für drei Jahre von der Sächsischen Aufbaubank und der Europäischen Union im Förderprogramm M.Era-net mit insgesamt rund 1,7 Millionen Euro gefördert.

Projekt 2: Verbesserung von Strukturbatterien

Ebenfalls zu weniger Gewicht und dafür zu mehr Energiespeicherung könnten verbesserte Strukturbatterien führen. Im seit Mai 2022 mit insgesamt 640.000 Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Projekt „ElViS“ will die HTWK Leipzig mit Partnern Strukturbatterien aus ultraleichten Verbundstrukturen mit integrierter elektrischer Speicherfunktion entwickeln, erproben und bezüglich ihrer Eignung für Luftfahrzeuge bewerten.

„In den Strukturbatterien wollen wir einerseits die Energiedichte der einzelnen Speicherzellen erhöhen, und andererseits wollen wir durch eine gezielte Multifunktionalisierung der Verbundstrukturen die Gesamtmasse senken“, sagt Böhm.

Die multifunktionalen Bauteile könnten potenziell auch in anderen Bereichen eingesetzt werden, beispielsweise als Energiespeicher in Flugsystemen mit geringerer Tragfunktion wie bei Paketdrohnen, die so direkt als integrierter Energiespeicher verwendet werden könnten. Auf zusätzlichen Raum für Batterien könnte so verzichtet werden.

Für derartige Forschungsvorhaben interessiert sich auch die Industrie wie Airbus oder das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Deren Vertreter waren beim Kick-Off-Meeting des Projekts „ElViS“ am 18. Juli 2022 in Paris anwesend, denn die generischen Verbundstrukturen mit integrierter elektrischer Speicherfunktion werden in enger Zusammenarbeit mit ihnen entstehen.

Projekt 3: Wohin mit alten Bauteilen aus Flugzeugen und Windkraftanlagen?

Parallel zur Entwicklung neuer Materialien erforschen die HTWK-Fachleute, wie alte Bauteile und Komponenten wiederverwendet werden können. Bislang gibt es in Europa keine nachhaltigen Methoden und Abläufe für das Recycling und die Wiederverwendung von Verbundwerkstoffen, die in Hochtechnologie-Branchen wie Luftfahrt oder auch Windenergie verwendet werden.

„Für das Gelingen der Energiewende, eine CO₂-freie Wirtschaft und Klimaneutralität braucht es eine Kreislaufwirtschaft, in der Ressourceneinsatz, Abfallproduktion, Emissionen und Energieverbrauch bestmöglich verringert sowie Material- und Energiekreisläufe geschlossen werden“, erläutert Projektleiter Böhm.

Im EU-Projekt „EuReCOMP“, das seit April 2022 für vier Jahre mit insgesamt 8,9 Millionen Euro vom europäischen Programm „Horizont Europa“ gefördert wird, geht es aber nicht nur um die Rückgewinnung von Material, sondern auch darum, die recycelten Werkstoffe zu neuen Bauteilen zu verarbeiten.

Weil aktuelle Recyclingverfahren wie die Pyrolyse (Zersetzung durch thermochemische Umwandlungsprozesse bei hohen Temperaturen und unter Ausschluss von Sauerstoff) sehr umweltschädlich sind, sollen im Projekt drei umweltfreundliche Verfahren weiterentwickelt werden. So könnten mehr als 25 Jahre alte Bauteile aus Flugzeugen oder Windkrafträdern einmal als recycelte Bauteile in der Automobilindustrie oder im Schiffbau zum Einsatz kommen.

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