Am 31. Oktober beginnt in Glasgow die UN-Klimakonferenz. Schafft die Weltgemeinschaft jetzt tatsƤchlich ein Regelwerk, mit dem die Pariser Klimaziele auch umgesetzt werden kƶnnen? Der Klimaƶkonom Prof. Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum fĆ¼r Umweltforschung (UFZ) ƤuƟert sich im Interview Ć¼ber Erwartungen, Erfolgsaussichten und den letzten groƟen offenen Punkt der Umsetzung des Pariser Abkommens.

Vor dem Weltklimagipfel in Glasgow schwanken die Erwartungen zwischen der Hoffnung, die Ambitionen der Staaten werden so weit steigen, dass die Welt dem 1,5-Grad-Ziel nahe kommt, sowie der Angst, dass die CO2-Emissionen in den nƤchsten Jahren nahezu ungebremst weiter steigen: Was erwarten Sie von Glasgow?

Im Vorfeld dieser Konferenz gab es vielversprechende Zusagen der internationalen Staatengemeinschaft zu mehr Klimaschutz bis zum Jahr 2050. Diese finden sich leider noch nicht in den konkreten nationalen Verpflichtungen wieder, die die LƤnder mit Blick auf 2030 abgegeben haben. Die groƟe LĆ¼cke, die bei der CO2-Reduktion zwischen den Bekenntnissen und dem wirklichen politischen Handeln liegt, wird das bestimmende Thema in Glasgow sein. Allerdings erwarte ich in dieser Frage keine groƟen Fortschritte, weil auf dem Gipfel keine konkreten Verhandlungen fĆ¼r eine solche globale Bestandsaufnahme vorgesehen sind. Dies wird nach UN-Fahrplan erst 2023 geschehen. In Glasgow geht es mehr um den Auftritt auf der groƟen politischen BĆ¼hne.

Zuletzt gab es eher weniger gute Botschaften beim globalen Klimaschutz. Der CO2-Gehalt in der AtmosphƤre erreichte einen neuen Rekord und nach aktuellen Prognosen emittieren die LƤnder im Jahr 2030 mindestens doppelt so viel Treibhausgase wie nach dem 1,5-Grad-Ziel erlaubt wƤre.

Kein Zweifel: Durch die Pandemie ist wertvolle Zeit verloren gegangen und die LƤnder haben diese auch nicht im Sinne des Klimaschutzes genutzt. Ehrlich gesagt, ist gar nichts besser geworden. Die CO2-Emissionen steigen wie vor Corona. Wirtschaftlich gilt weltweit ā€žbusiness as usualā€œ.

Zwar haben sich viele LƤnder, darunter auch groƟe Emittenten, langfristig zu KlimaneutralitƤt verpflichtet. Hier ist die Lage tatsƤchlich so gut wie nie zuvor. Dem entsprechen aber die kurzfristigen Ziele in keiner Weise. Wenn diese Diskrepanz nicht bald abgebaut wird, kann die Lage kritisch werden. Hier muss nicht nur ā€žnach Fahrplanā€œ geliefert werden.

UFZ-Klimaƶkonom Prof. Dr. Reimund Schwarze im PortrƤt

Wann wĆ¼rde der Weltklimagipfel fĆ¼r Sie ein Erfolg sein, wann eher eine vertane Chance?

Die entscheidende Frage ist wie immer: Funktioniert der weltweite Prozess noch, bei dem unter dem Dach der Vereinten Nationen 200 Staaten Klimaschutz betreiben? Dieser ist schwer gestƶrt durch die Pandemie und deren Folgen, aber eben auch durch ein vielfaches Versagen der Staatengemeinschaft. Das betrifft nicht nur die PrƤsenz der globalen Klimagemeinschaft in Glasgow, sondern auch den unbedingt nƶtigen Abschluss der Verhandlungen um das Pariser Regelwerk. Da haben uns die Zwischenkonferenzen praktisch keinen Schritt vorangebracht. Die Probleme sind hier die gleichen wie vor drei Jahren.

Das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann, ist, dass sich so etwas wie der Walkout der zivilgesellschaftlichen Organisationen wiederholt wie beim Klimagipfel in Madrid 2019. Das wƤre schwer ertrƤglich, weil der Verhandlungsprozess der UN die Zivilgesellschaft genauso braucht wie die Klimabewegung die Verhandlungen. Vereinfacht: Ohne das Pariser Abkommen keine Fridays for Future und umgekehrt. Insofern muss der UN-Prozess jetzt revitalisiert werden. Ob das gelingt, daran entscheidet sich fĆ¼r mich Erfolg oder Misserfolg des Klimagipfels.

Konkret verhandelt wird in Glasgow vor allem der Artikel 6 des Pariser Abkommens, der letzte groƟe offene Punkt von Paris. Er soll unter anderem ermƶglichen, dass Emissionsminderungen zwischen Staaten Ć¼bertragen werden kƶnnen, die auf nationale Klimaschutzziele anrechenbar sind. Viele befĆ¼rchten hier, dass am Ende vor allem Emissionen auf dem Papier, aber nicht real eingespart werden.

Das Regelwerk des Pariser Ɯbereinkommens muss in Glasgow endlich unter Dach und Fach gebracht werden. Das ist eine scheinbar kleine, sehr konkret definierte Sache, die aber unbedingt erledigt werden muss. Die Einigung Ć¼ber den Artikel 6 muss dabei so aussehen, dass ein Missbrauch verhindert wird. LƤnder wie Mexiko oder Brasilien, die ihre BezugsgrĆ¶ĆŸen bei den CO2-Emissionen schƶnrechnen wollen, mĆ¼ssen gestoppt werden. Es gibt leider Signale, dass einzelne LƤnder dem nachgeben wollen. Wenn das in den Vertrag Eingang finden sollte, wird es schwierig.

Ein weiteres zentrales Thema ist, dass die reichen LƤnder ihre Zusage, Ƥrmeren Staaten jƤhrlich 100 Milliarden US-Dollar fĆ¼r Klimaschutz und Klimaanpassung zur VerfĆ¼gung zu stellen, nicht wie versprochen ab 2020, sondern erst 2023 einhalten. Was muss der Gipfel hier leisten?

In der Hauptsache geht es darum, dass die IndustrielƤnder die zugesagten Finanzmittel erkennbar aufbringen, dauerhaft fĆ¼r die Zeit nach 2025 verstetigen wollen und auch die BedĆ¼rfnisse der EntwicklungslƤnder dabei berĆ¼cksichtigen. Es geht also nicht um die einmalige diesjƤhrige Zielerreichung.

Die EntwicklungslƤnder haben zudem bestimmte Vorstellungen, wozu sie die Gelder einsetzen wollen. Ihnen geht es um ein ausbalanciertes VerhƤltnis von Adaption und Mitigation Ć¼ber einen lƤngeren Zeitraum. In Glasgow muss der Ausgleich mit den EntwicklungslƤndern gelingen. Das wƤre ein echter Erfolg aus diesen Verhandlungen, eine Vertagung wƤre ein Misserfolg.

Was macht ein Wissenschaftler wie Sie beim Gipfel – doch nicht verhandeln?

Ich bin als wissenschaftlicher Beobachter dort, trete gewissermaƟen als ā€žLobbyistā€œ der Wissenschaft auf und drƤnge darauf, dass wissenschaftliche Argumente in den internationalen Entscheidungsprozessen hinreichend gehƶrt werden. AuƟerdem studiere ich die Prozesse aus Sicht der internationalen Politikwissenschaft.

Prof. Dr. Reimund Schwarze ist Klimaƶkonom am Helmholtz-Zentrum fĆ¼r Umweltforschung (UFZ) in Leipzig und Professor an der Europa-UniversitƤt Viadrina Frankfurt (Oder). Seit Ć¼ber 17 Jahren untersucht er internationale Klimaverhandlungen aus politisch-ƶkonomischer Perspektive und entwickelt Modelle zur Verbesserung der globalen Klimapolitik. Von den Klimaverhandlungen in Glasgow berichtet er via Twitter (@Rschwarze).

Die Helmholtz-Klima-Initiative zur COP26 findet man unter: www.helmholtz-klima.de/klimakonferenz-cop26-glasgow.

Das Interview stellte die Pressestelle des Helmholtz-Zentrum fĆ¼r Umweltforschung GmbH (UFZ) zur VerfĆ¼gung.

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