Was gab das für einen Shitstorm aus den kurzflugverliebten deutschen (Partei)Büros, als Annalena Baerbock, die Spitzenkandidatin der Grünen zur Bundestagswahl, auch nur andeutete, die Zahl der Kurzstreckenflüge müsste deutlich zurückgehen. Obwohl selbst die Vielflieger wissen, wie klimaschädlich diese Art der Luxus-Mobilität ist. Eine neue Untersuchung unter Beteiligung der Uni Leipzig legt nahe, dass noch viel mehr klimaschädlicher Flugverkehr vom Himmel verschwinden muss.

Natürlich wehren sich gerade jene Parteien mit Händen und Füßen (wie hier ein „Spiegel“-Beitrag beschreibt) gegen eine Änderung ihres geliebten Mobilitätsverhaltens, für die auch das Fliegen Teil ihres Prestige-Denkens ist, selbst dann, wenn alle ihre wichtigen Präsenztermine auch in einer Videokonferenz stattfinden könnten.Aber zum Leben dieser wichtigen Leute gehört augenscheinlich auch das innige Bedürfnis, sich beim Besteigen und Verlassen von Flugzeugen als wichtig fühlen zu können. Nicht vergleichbar mit popeligen Fahrten mit dem ICE oder ähnlich irdischen Fortbewegungsmitteln.

Aber gerade das Corona-Jahr gab Leipziger Forschern die Chance, die Wirkung des Flugverkehrs auf das Klima genauer zu untersuchen – beziehungsweise dessen Abwesenheit.

Und sie wählen dabei auch keine beschönigenden Floskeln mehr: „Hoher Flugverkehr treibt die Erderwärmung an, und dies nicht nur durch die Treibhausgasemissionen, sondern auch durch zusätzliche Wolken.“

Das ist zwar bekannt. Aber in welchem Maß die Wolkenbildung mit der Vielfliegerei zusammenhängt, konnte 2020 erstmals unter besonderen Bedingungen untersucht werden.

Untersucht haben es Wissenschaftler der Universität Leipzig, des Imperial College London und des Institut Pierre-Simon Laplace in Paris. Sie haben sich genauer angeschaut, in welchem Ausmaß durch Flugzeuge verursachte Zirruswolken während des weltweiten harten Lockdowns zwischen März und Mai 2020 entstanden und verglichen die Werte mit denen im gleichen Zeitraum vergangener Jahre. Damit lässt sich der Flugverkehr als Verursacher erstmals besser quantifizieren.

Die Studie entstand unter Federführung von Johannes Quaas, Professor für Theoretische Meteorologie an der Universität Leipzig, und wurde nun in den renommierten Environmental Research Letters veröffentlicht.

Die Rolle der Zirruswolken bei der Klimaaufheizung

Zirruswolken, also die hohen dünnen Wolken, haben einen erwärmenden Einfluss auf das Klima. Bei einer natürlichen Zirruswolkenbildung entstehen große Eiskristalle in einer Höhe von ca. 36 Kilometern und reflektieren so das Sonnenlicht zum Weltall – wenn auch in geringem Maße. Sie verhindern allerdings auch eine Wärmeabstrahlung von der Erde Richtung Weltall und wirken somit wärmetreibend. Dies ist bei den Zirruswolken der dominante Effekt.

Je mehr Zirruswolken es gibt, um so höher ist also die Wärmerückstrahlung auf die Erdoberfläche.

Hinter Flugzeugen entstehen bei entsprechenden Wetterbedingungen Kondensstreifen. Diese können sich gegebenenfalls langfristig halten und zu größeren Zirruswolken ausbreiten. In diesem Fall ist der Effekt auf das Klima wesentlich größer als bei den schmalen Kondensstreifen allein.

Was haben die Forscher genauer betrachtet?

Die Forscher um Professor Johannes Quaas haben Satellitenaufnahmen zur Wolkenbildung auf der Nordhalbkugel, zwischen 27° und 68° nördlicher Breite, im Zeitraum von März bis Mai 2020 ausgewertet und sie mit Aufnahmen aus demselben Zeitraum der Vorjahre verglichen.

Prof. Dr. Johannes Quaas. Foto: Katharina Werneburg, Universität Leipzig
Prof. Dr. Johannes Quaas. Foto: Katharina Werneburg, Universität Leipzig

„Das Besondere ist, dass wir durch unsere Studien einen klaren kausalen Zusammenhang nachweisen können. Da Wolken sehr variabel bei der Entstehung des Wetters sind, hätten wir unter normalen Umständen die Effekte des Flugverkehrs so nicht nachweisen können. Die Zeit des Lockdowns aufgrund der COVID-19-Pandemie bot eine einmalige Gelegenheit, Wolken in Flugverkehrskorridoren bei sehr unterschiedlich starkem Verkehrsaufkommen zu vergleichen. Die Auswertung der erhobenen Daten zeigt, dass während des weltweiten Lockdowns neun Prozent weniger Zirruswolken entstanden, die noch dazu zwei Prozent weniger dicht waren“, so Quaas.

„Die Studie belegt eindeutig, dass die durch Flugzeuge verursachten Kondensstreifen zu zusätzlichen Zirruswolken führen und Einfluss auf die Erderwärmung haben.“

Klimamodelle bestätigt

Die gesammelten Daten bestätigten die bislang lediglich auf Klimamodellen basierenden Schätzungen, erklärt Quaas weiter.

„Unsere Studie kann dabei helfen, die Simulation dieser Effekte in Klimamodellen zu verbessern.“ Die Ergebnisse der Studie bedeuten freilich noch nicht, dass die Auswirkungen des Flugverkehrs auf die Erderwärmung ausreichend erforscht sind. Sie lassen erst ahnen, wie stark der internationale Flugverkehr (und dazu gehört auch der massiv wachsende Frachtflugverkehr) zur Erwärmung der Erdatmosphäre beiträgt – und zwar nicht nur durch die enormen Emissionen durch die verbrannten Treibstoffe, sondern zusätzlich eben auch durch die Entstehung von mehr Zirruswolken.

Genug Gründe, den Flugverkehr schon allein aufgrund dieser Umweltfolgen deutlich zu verteuern und nachhaltig einzuschränken. Ganz so weit gehen die Leipziger Forscher noch nicht.

In europäischer Forschungszusammenarbeit unter Beteiligung der Arbeitsgruppe von Quaas werden die genauen Mechanismen der Zirruswolken-Bildung derzeit noch eingehend untersucht.

„Der harte weltweite Lockdown war hinsichtlich unserer Forschung hilfreich. Um den erwärmenden Effekt auf das Klima zu lindern oder gar zu vermeiden, könnten Flugrouten in Zukunft so angepasst werden, dass eine Zirruswolkenbildung vermieden wird, beispielsweise durch eine Entzerrung der Flugkorridore“, erklärt der Professor für Theoretische Meteorologie an der Universität Leipzig.

Originalpublikation in „Environmental Research Letters“: Climate impact of aircraft-induced cirrus assessed from satellite observations before and during COVID-19, doi.org/10.1088/1748-9326/abf686

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