Da wunderten sich nicht nur Umweltverbรคnde immer wieder, warum sie mit ihrem Kampf um die Erhaltung und Verbesserung von Schutzgebieten immer wieder an staatlichen Instanzen abprallten. Gelten denn da nicht strenge Naturschutzauflagen? Doch ein Gutachten, das das Umweltbundesamt jetzt verรถffentlicht hat, zeigt, dass der deutsche Naturschutz voller Lรถcher ist. Forscher aus dem Umweltforschungszentrum Leipzig/Halle beschรคftigen sich darin mit der Zulassung von Pestiziden in Schutzgebieten.

โ€žRegelungen zur Anwendung von Pestiziden in Schutzgebietenโ€œ  heiรŸt das Gutachten, das nun โ€“ nach langem zรคhen Ringen โ€“ am Montag, 17. Mai, als UBA-Texte Band 49/2021 erschienen ist.

Autoren der Studie sind Dr. rer. nat. Cornelia Sattler und Dr. jur. Stefan Mรถckel vom Helmholtz-Zentrum fรผr Umweltforschung UFZ Halle, Dr. rer. pol. Heidi Mรผhlenberg sowie beratend Prof. Dr. Josef Settele, ebenfalls Helmholtz-Zentrum fรผr Umweltforschung UFZ Halle.

Regelungen zur Anwendung von Pestiziden in Schutzgebieten

Die Studie untersucht, wie die Bundeslรคnder Sachsen, Niedersachsen und Baden-Wรผrttemberg den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Biozid-Produkten in ihren Schutzgebieten regeln. Sie wertet rund 1.800 gรผltige Verordnungs- und Gesetzestexte รผber Schutzgebiete aus, davon knapp 700 in Sachsen und rund 1.000 in Niedersachsen. Fรผr Baden-Wรผrttemberg wurde die neuere Landesgesetzgebung zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten analysiert.

Die Studie offenbart umfassende Regelungslรผcken und Defizite. Sachsen zum Beispiel gestattet auf sรคmtlichen land- und forstwirtschaftlich genutzten Flรคchen innerhalb seiner Flรคchen-Schutzgebiete den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Biozid-Produkten nach MaรŸgabe des Bundesrechts bzw. teilweise unter weitergehenden Auflagen und Einschrรคnkungen โ€“ mit Ausnahme von fรผnf Naturschutzgebieten und der Kernzone eines Biosphรคrenreservats.

In Niedersachsen waren in 96 Prozent der untersuchten Schutzgebiete Pflanzenschutzmittel und Biozid-Produkte zugelassen, im Vergleich zu Sachsen aber mit deutlich mehr Auflagen und Einschrรคnkungen. Das ernรผchternde Fazit der Forscher: Wรคhrend in Baden-Wรผrttemberg das Bemรผhen erkennbar ist, im Landesrecht den Biozid- und Pflanzenschutzmitteleinsatz zu beschrรคnken, unterscheidet sich das Schutzniveau in Sachsen und mit Abstufung in Niedersachsen in Bezug auf den Pflanzenschutzmittel- und Biozideinsatz innerhalb der geschรผtzten Flรคchen wenig von dem auรŸerhalb liegender Flรคchen.

So ist natรผrlich ein ernsthafter Artenschutz nicht mรถglich. Die Schutzgebiete verlieren ihre Schutzfunktion und bedrohte Arten bleiben auch in diesen Schutzrรคumen bedroht. Der rechtliche Schutz der wertvollen Naturflรคchen und ihres Arteninventars vor Beeintrรคchtigung durch Chemikalien ist unzureichend, stellen die Forscher fest. Insbesondere fehlt es bei den meisten Natura 2000-Gebieten an Schutzgebietsvorschriften, welche das nach EU-Recht erforderliche Schutzniveau sicherstellen.

Die Studie leitet daraus Empfehlungen bundesrechtlicher Regelungen im Bundesnaturschutzgesetz ab: In Naturschutzgebieten sollte ein Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Biozid-Produkten grundsรคtzlich untersagt sein. In Nationalparks und Biosphรคrenreservaten sollten fรผr die Kernzonen Komplettverbote normiert und die Pflegezonen wie Naturschutzgebiete gehandhabt werden. Bei Natura 2000-Gebieten ist ein Genehmigungsvorbehalt fรผr den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Biozid-Produkten vorzusehen.

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