Eine erschreckende Meldung kursierte ausgerechnet zu Heiligabend vergangenen Jahres: Die erstmals in Großbritannien nachgewiesene Corona-Variante wurde nun auch in Deutschland entdeckt. Nach der Mutation mit dem Namen B.1.1.7 reihten sich weitere, meist ansteckendere Coronaviren ein: die südafrikanische, die brasilianische, die kalifornische. In einem Hintergrundgespräch mit der Leipziger Zeitung (LZ) beantwortete Prof. Uwe Gerd Liebert, bis September 2020 Direktor des Instituts für Virologie am Uniklinikum Leipzig, Fragen zu den Mutanten, der Wirksamkeit von Impfstoffen und der Zukunft.
Müssen die Impfstoffe aufgrund der mutierten Corona-Varianten nachgebessert werden?
Durch die Corona-Impfungen wird der menschliche Körper auf eine Erkrankung mit COVID-19 vorbereitet – indem sich Antikörper bilden, die die Viren bekämpfen können. Da die mutierten Viren aus dem „Ursprungsvirus“ hervorgegangen und ihm daher ähnlich sind, wirken die Impfstoffe auch gegen diese.
„Gegen die Variante, die in Südafrika das erste Mal nachgewiesen wurde, fällt die Antikörper-Antwort zwar deutlich schwächer aus – aber sie ist ausreichend. Zurzeit gibt es also keinen zwingenden Bedarf die Impfstoffe zu ändern“, so Uwe Liebert. „Es können in der Zukunft natürlich Varianten entstehen, die durch den Impfstoff kaum bis gar nicht erkannt werden.“ Dann wäre es natürlich notwendig den Impfstoff anzupassen – sowohl bei den vektorbasierten (AstraZeneca) als auch bei den mRNA-Impfstoffen (Moderna, BioNTech). Aber das sei relativ leicht möglich. Man müsse im Grunde genommen nur in der Erbinformation des Virus’ die Varianten nachbauen – die Fehler der Natur quasi rekonstruieren.
Liebert erklärt: „Praktisch ist das also nur eine kleine Anpassung – und es ist sogar wahrscheinlich, dass dafür nicht mal eine neue Zulassung notwendig ist.“ Moderna sei beispielsweise schon dabei, ein angepasstes Vakzin zu testen, das besser gegen die südafrikanische Variante wirken soll. Damit solle vor allem Erfahrung gesammelt werden, wie man schnell auf noch aggressivere Mutationen reagieren kann. Trotzdem haben auch die derzeitigen Mutanten einen Einfluss auf die Impfkampagne, so der Virologe: „Es wird jetzt umso dringender, schnell und viel zu impfen.“
Letztlich sind Mutationen nur Fehler in der Reproduktion, die aber zufälligerweise dazu führen können, dass die Viren ansteckender oder gefährlicher werden. Diese Mutanten setzen sich durch ihre bessere Angepasstheit selbstverständlich durch. Je weniger verbreitet das Virus jedoch ist, desto weniger Chancen hat es, weiter zu mutieren.
In dieser essenziellen Impfphase sei das Aussetzen von AstraZeneca ein gravierender Fehler gewesen, der nicht noch einmal passieren dürfe, so Liebert: „Es war wenig gerechtfertigt, es gab überhaupt keinen Hinweis darauf, dass der AstraZeneca-Impfstoff gefährlich oder riskant wäre. (…) Und dabei war die Kommunikation auch noch ein Desaster. Wenn einige Leute später hören ,AstraZeneca‘, rennen sie doch sofort aus dem Impfzentrum raus.“
Wie werden wir mit dem Coronavirus in Zukunft leben müssen?
„Genau auf diese Frage kann man noch keine verlässliche endgültige Antwort geben. Wir wissen einfach nicht, wie lange die Impfung wirkt. Das muss man abwarten“, erklärt Liebert. „Aber es ist mit Sicherheit so, dass wir das Virus nicht mehr verdrängen können.“ Durch die Impfungen könne man Herdenimmunität aufbauen, so wie es auch bei der Grippe der Fall ist, gegen die sich jährlich zwischen 10 und 20 Prozent der Bevölkerung impfen lassen.
Und nicht nur hier sieht der Virologe Parallelen zur sogenannten Influenza: „Vergleichen Sie COVID-19 nur einmal mit dem Grippevirus, das uns seit mindestens 130, 140 Jahren begleitet. Dieses Virus hat immer noch Varianten gefunden, die uns dazu zwingen, den Impfstoff anzupassen.“
Das Coronavirus habe knapp 30.000 Bausteine in seinem genetischen Code – also ebenfalls viel Raum für „Fehler“. Natürlich laufen einige Mutationen in Sackgassen, sind weniger gut angepasst, verschwinden wieder. Dennoch sei das Virus, genau wie die „Spanische Grippe“ in den Jahren 1918/19, auf eine menschliche Population getroffen, die keine Antikörper gegen diese neuartigen Eindringlinge besaß.
Die Menschheit ist gerade dabei, Abwehrkräfte gegen das Coronavirus aufzubauen und auch nachhaltig zu etablieren – einerseits durch Impfungen, andererseits durch vorhergegangene Infektionen. „Vielleicht wird das Virus sehr viel oder alles von seinem Schrecken verlieren, weil wir uns dann relativ gut schützen können“, schließt Liebert.
Eines ist laut dem Virologen jedoch klar: „Das Virus ist da und es ist da, um zu bleiben.“
„Das Virus ist da, um zu bleiben“ erschien erstmals am 26. März 2021 in der aktuellen Printausgabe der LEIPZIGER ZEITUNG.
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